Seit 20 Jahren bringt die Solarfähre „Insel Reichenau“ Touristen über den Untersee – von der Schiffslände auf der Reichenau nach Mannenbach in der Schweiz und zurück. „Es ist derzeit im süddeutschen Raum die einzige öffentliche klimaneutrale Fährverbindung mit Motorantrieb, das ist eigentlich verrückt“, sagt der neue Betreiber Alexander Stenzel.
Verliebt schon mit elf Jahren
Stenzel liebt das kleine Schiff von Kindesbeinen an. Er sei bereits als elfjähriger Bub das erste Mal mit der Fähre gefahren, deren Elektromotor von den Solarpanels auf dem Dach gespeist wird. „Klimaneutral ist ein Wort, darüber hat sich vor 20 Jahren niemand Gedanken gemacht“, glaubt der gelernte Fahrdienstleiter, der zuvor bei den Bodensee-Schiffsbetrieben in der Technik arbeitete.
Aber Stenzel macht sich Gedanken. Als er die Akkus unter der Fähre austauschte, griff er auf Bleiakkus zurück statt auf solche aus Lithium, wie sie in den meisten Elektroautos verbaut sind. Er wolle keine kritischen Ressourcen nutzen, sagt er. Das heißt, keine seltenen Erden, keine Rohstoffe, die unter unwürdigen Bedingungen abgebaut werden, etwa mit Kinderarbeit. Nun sei das Boot, das maximal zwölf Personen tragen kann, mit Akkumulatoren für viele weitere Fahrten ausgestattet.

Und wenn es länger bedeckt ist oder regnet und die Solarzellen nichts liefern? Auch dafür gibt es laut Stenzel eine Lösung. Die Akkus dürfen wie bei Elektroautos nicht ganz leergefahren werden, weil das ihrer Lebensdauer schade. Wenn es tagelang regnet, wird die Fähre einfach nachts mit Strom aufgeladen.
Wetter entscheidet mit
Die Öko-Bilanz gehe aber trotzdem noch auf, betont der Solarkapitän. Denn die Stromkosten für das Aufladen beliefen sich auf nur rund 80 Euro pro Saison und sind größtenteils den Abendfahrten zuzuschreiben. Für die kann das Schiff mit Holzverdeck gebucht werden. Bei sehr schlechtem Wetter bleibt die Solarfähre am Ufer.
Die Solarmodule auf dem Dach sind genauso alt wie das Schiff und werden demnächst ebenfalls ausgetauscht. Dafür habe er bereits einen Sponsor gefunden, sagt Stenzel. Durchschnittlich rund 8000 Passagiere pro Saison hat das Schiff, wie der ehemalige Betreiber Thomas Geiger berichtet. Die meisten davon sind Radfahrer, die ihre Fahrräder mit auf die Solarfähre nehmen.
Durch den Solarbetrieb würden weder Wasser noch Luft mit Schadstoffen belastet. Außerdem glitten die Fährgäste lautlos über den Untersee und können das Naturschauspiel ohne Motorenlärm genießen. Durch seine Bauart verursache das Boot auch wenig Wellengang, sodass keine Erosion der Uferflächen entsteht.
Freude über den Nachfolger
Thomas Geiger und Alexander Stenzel kennen sich über Bekannte. „Ich bin ganz froh, dass ich ihn gefunden habe, er kennt sich mit der Technik aus“, sagt Thomas Geiger. Auch Reichenaus Bürgermeister Wolfgang Zoll freut sich über den neuen Betreiber: „Ich bin dankbar, dass Sie diese Linie übernommen haben.“ Und dankbar, dass sich Geiger so lange für den Solarschiffbetrieb engagiert hat.

„Das war damals gar nicht so einfach“, erzählt Geiger. Er habe zugeschlagen und die Solarfähre gekauft, als die Bodensee-Solarschifffahrtgesellschaft 2004 aufgab. Sie war 1999 gegründet worden mit der Linie Gaienhofen–Steckborn, danach seien weitere Linien dazugekommen – trotz Zuschüssen ging das Netzwerk jedoch pleite.
Ein Klaviertechniker am Ruder
Mit der solarbetriebenen Fähre machte sich der Klaviertechniker Geiger dann selbstständig. „Ich musste zuerst die Lizenz umschreiben lassen“, erinnert er sich – also die Erlaubnis einholen, deutsche und Schweizer Gewässer zu befahren. Das erwies sich als rechter Kampf. Irgendwann erhielt er die Erlaubnis der deutschen Seite, jene der Schweizer habe jedoch gedauert. Doch eines Tages stand schließlich der Sachbearbeiter aus Bern auf der Solarfähre und fand das super.

Neben dem Reichenauer Solarboot gibt es laut Alexander Stenzel zwar weitere private Solarfähren, etwa in Radolfzell, aber keine regelmäßige deutsche Fährverbindung am Bodensee, die öffentlich betrieben wird.
Reich wird niemand damit
Der Liegeplatz im Hafen an der Schiffslände für die „Insel Reichenau“ wurde und wird weiter kostenlos von der Gemeinde gestellt. Das große Geld ist mit der Fähre nicht zu machen. Als Klaviertechniker war Thomas Geiger nicht vom Einkommen des Solarbetriebs abhängig.
Einen hohen Wert hat die Fähre für die Insel trotzdem. „Es ist der einzige ansässige Ansprechpartner auf der Reichenau, wenn mal der Wunsch besteht, etwas auf dem Wasser zu organisieren“, sagt Bürgermeister Zoll. Und Tourismuschef Karl Wehrle betont: „Aus Sicht des Tourismus ist es toll, es ist tatsächlich die einzige Reichenauer Schifffahrtgesellschaft.“