Die 83 leuchtet jetzt auch auf der Insel Reichenau, beim Museum in Oberzell. Denn die Gemeinde und der örtliche Helferkreis haben sich dem gleichnamigen Konstanzer Integrationsprojekt angeschlossen, und appellieren nun, unter dem Motto „83 – Reichenau integriert“, an Bürger, leer stehende Räume oder Wohnungen anzubieten für die Unterbringung von Flüchtlingen mit einer Bleibeperspektive. Die Gemeinde sei zwar für die Anschlussunterbringung zuständig, sagte Bürgermeister Wolfgang Zoll bei einem Info-Abend zusammen mit dem Konstanzer 83-Team im Feuerwehrgerätehaus. Aber: „Die beste Form der Integration ist es, in einem privaten Umfeld Wohnraum zu finden.“
Unter den rund 30 Besuchern war auch die Reichenauerin Regina Blum, die zusammen mit ihrem Mann Andreas bereits 83 eine Zwei-Zimmer-Wohnung in ihrem Haus angeboten hat. „Wieso soll man nicht helfen, wenn man Wohnraum zur Verfügung hat?“, antwortete sie mit einer Gegenfrage auf die SÜDKURIER-Nachfrage, was sie dazu motiviert habe. Das 83-Team suche nun einen passenden Mieter. „Wir sind schon ganz neugierig, was auf uns zukommt“, so Regina Blum. Matthias Middendorf vom Reichenauer Helferkreis hat bereits im vergangenen Oktober den 18-jährigen, syrischen Kurden Fayez Ibrahim, der seit zwei Jahren in Deutschland ist, bei sich im Haus aufgenommen. „Wir haben schnell zusammengefunden“, berichtete er: „Probleme gibt es wirklich gar keine.“ Und der junge Syrer, der im nächsten Jahr seinen Hauptschulabschluss machen will, sagte, dass es ihn freue, hier zu wohnen.

Hastreiter sagte, es gehe beim Projekt um die Grundsatzfrage, ob man diese Menschen teilhaben lasse an unserer Gesellschaft oder sie ausschließe: „Die Integration ist eine Brücke, auf der man sich in der Mitte trifft.“ Er erklärte auf Nachfrage eines Bürgers, das Konstanzer Team übernehme auch die Koordination bei Vermieterangeboten und die Suche nach passenden Mietern in der Gemeinde Reichenau. „Wenn Sie einen ruhigen, netten Mieter suchen, wenden Sie sich an uns“, sagte er. „Es sind keine Leute, die Ärger machen, es sind ausgesuchte Mieter.“ Und es seien ganz normale Mietverträge. Die Miete übernehme das Jobcenter, wenn sie der Flüchtling nicht selber bezahlen kann. Das 83-Team versuche, passende Mieter zu finden, begleite Flüchtlinge und die Vermieter in der Kennenlernphase und helfe beim bürokratischen Aufwand. Die Frage einer Besucherin, ob schon Vermittlungen gescheitert seien, verneinte Hastreiter. Wobei er anmerkte: „Wir haben natürlich noch keine jahrelange Erfahrung.“

„Fünf wären schon toll.“
Bürgermeister Zoll betonte, die Gemeinde hoffe natürlich nicht auf 83 Wohnungsangebote: „Fünf wären schon toll.“ Also wie in Konstanz ein Platz pro tausend Einwohner. Doch man habe die 83 übernommen, weil das schon eine eingeführte Marke sei, so Zoll. Es gehe darum, den vielen Menschen, die vor Krieg und Terror geflohen sind, zu ermöglichen, hier eine Heimat zu finden.
Im Werbeanimationsfilm von "83 – Konstanz integriert" formuliert dies Alfred Heizmann als Sprecher auf Alemannisch so: „Ohne ä Heimat kummsch jo nie a.“ Und, so heißt es in dem Film weiter: „Es gibt nichts Schöneres, als einem Menschen das Menschsein zu ermöglichen.“ Heizmann ist auch aktiv im Reichenauer Flüchtlingshelferkreis. Dessen Sprecherin Veronika Fischer erklärte: „Wir haben viel Leerstand auf der Reichenau.“ Dies könne auch das Zimmer eines ausgezogenen Kindes sein. Daher schließe man sich dem Konstanzer Projekt an.
In der Gemeinde sind bisher nur sieben der 47 untergebrachten Flüchtlinge privat untergekommen, so Zoll. Eine Wohnung im Lindenbühl sei aber zudem derzeit beim Landratsamt frei gemeldet. Während er sich zurückhaltend äußerte, meinte Stephan Wurz, der neue Koordinator für Flüchtlingsfragen in der Reichenauer Verwaltung: „Wir starten jetzt durch.“ Und Hastreiter sagte: „Ich habe das Gefühl, wir knacken hier die Zehn.“
Musikalisch aufgelockert wurde der Abend von der jungen Reichenauerin Carina Gartner, die ihr selbst geschriebenes Lied „Innocent“ über Krieg und Flucht mit eindringlichem Gesang am Piano vortrug.
83 – Konstanz integriert
Die Kampagne „83 – Konstanz integriert“ ist ein Verein und will Flüchtlingen die Integration in Konstanz erleichtern, nun auch in der Gemeinde Reichenau. Hierzu werden als Sprungbrett private Wohnräume für mindestens 83 Asylanten gesucht, also eine Unterkunft pro 1000 Einwohner. Initiiert wurde die Kampagne Ende Januar von Nicole Dillschnitter, Professor Andreas Bechtold und Till Hastreiter. Letzterer erklärt, es gebe bereits mehr als 50 Wohnraumangebote und mehr als 30 Mietverträge in Konstanz. Das Vermittlungsteam ist – auch für Reichenauer – von Montag bis Freitag von 9 bis 12 Uhr erreichbar, unter Telefon (0152) 28 99 67 41 oder per E-Mail: info@83integriert.de.
Ansprechpartner in der Reichenauer Verwaltung ist als Koordinator in Flüchtlingsfragen Stephan Wurz, Telefon (0 75 34) 801 39, E-Mail: wurz@reichenau.de