Die gestellten Stuhlreihen im großen Saal waren wieder voll belegt, das Konzert ausverkauft: Wie so oft lockten Stadtkapelle und Jugendblasorchester (JBO) viele Musikbegeisterte zum Frühjahrskonzert ins Milchwerk. Der neue Vorsitzende der Stadtkapelle Gabriel Deufel dankte seinem Vorgänger Thomas Späth für die engagierte Arbeit und verwies, bevor es musikalisch losging, darauf, dass die Stadtkapelle nun als Verein auch passive Mitglieder aufnehmen könne.
Dirigent Kuno Rauch versprach ein temperamentvolles und abwechslungsreiches Programm und startete gleich mit dem JBO. „Utopia“ von Jacob de Haan ist eine Komposition, die von der Beschreibung eines unbekannten Staates auf einer Insel im gleichnamigen Buch, das Thomas More 1516 veröffentlicht hat, angeregt wurde. Ein musikalisches Motiv wandert durch die Instrumentengruppen, erfährt stilistische Umwandlungen und macht Ausflüge ins spanische Kolorit. Das JBO war im kraftvollen Tutti-Sound vollmundig und präzise bei der Sache. Es war gar nicht so einfach, den leisen, gefühlvollen und fast romantisch angehauchten Mittelteil ebenso spannungsvoll zu gestalten.
„The Greatest Showman“, Musik nach der Filmbiografie des Zirkuspioniers Barnum, überraschte sowohl mit treibendem Puls als auch mit vielen Soloaufgaben. Hier fielen sehr sauber geblasene Hörner angenehm auf – keine Selbstverständlichkeit in einem Jugendorchester. Die vielen schwierigen Rhythmus- und Tempiwechsel meisterte das JBO unter Kuno Rauchs motivierendem Dirigat bestens. Auch „How to Train Your Dragon“ (deutscher Filmtitel: Drachenzähmen leicht gemacht) nach dem Animationsfilm aus dem Jahr 2010 gelang mit vielen lautmalerischen Passagen, wie Drachengrummeln, Tatzenstapfen und glitzernder Beruhigung in der Musik großartig. Das Stück solle keine Anweisung für die Behandlung der grantigen Schwiegermutter sein, hieß es augenzwinkernd in der Anmoderation.
Mit „Symphonic Rock“, einem Medley mit Titeln von Queen und Genesis, inklusive des Gassenhauers „We Are The Champions“ schloss das JBO sein mitreißendes Programm – nicht ohne sich für andauernden Applaus mit dem fetzigen „Spanish Fever“ als Zugabe zu bedanken.
Das JBO war ein zugkräftiger Einheizer für den Auftritt der Stadtkapelle nach der Pause. Die startete dann auch gleich fulminant: Dirigent Kuno Rauch pfiff mit der Trillerpfeife den „Orient Express“ von Philip Sparke an. Mit schwerfälligem Räderrollen im tiefen Blech, schrillen Pfeifensignalen in den Flöten und mit fast jazzigem Rhythmus-Getümmel ging es auf die luxuriöse Reise im Express von London nach Venedig. In „La Quintessenza“ von Johan de Meij sucht der Komponist nach dem Kern der Musik. Ein Fünfton-Motiv lässt er durch die Instrumentengruppen wandern, variiert es, peppt es mit verschiedenen Soli auf und spart nicht mit harmonischen und rhythmischen Überraschungen. „Symphonic Suite from Rio“ von John Powell im Arrangement von Erik Rozendom erzählt – ganz im Stil der die Handlung untermalenden Filmmusik – die Geschichte vom Ara „Blu“, der glaubt, er sei der letzte seiner Art, bis er mit seinem Frauchen Linda zum Ara-Weibchen „Jewel“ nach Rio fliegt, wo er das größte Abenteuer seines Lebens erlebt.
Begeisternd mit schnellen Wechseln
Mit schnellen Wechseln von Latin-, Samba- und Rumba-Weisen, mit kecken Zwischenparts und heterogener Musik im spannenden Piano-Forte-Spiel dargeboten, überzeugte die Stadtkapelle und riss zu Begeisterungsstürmen hin. Die belohnte das symphonische Blasorchester mit dem zweiten, tänzerischen Satz aus Dimitri Schostakowitschs „Suite für Varieté-Orchester“ aus den 1950er Jahren und entließ die Besucher hochzufrieden in den Abend.
Ehrungen
Im Rahmen des ersten Konzerts des Jahres wurden zwei verdiente Mitglieder der Stadtkapelle geehrt: „Gemeinsam sind sie seit über 100 Jahren dabei, das ist einmalig“, sagte der Vorsitzende Gabriel Deufel. Wolfgang „Rocky“ Riester spielt seit 55 Jahren in der Stadtkapelle die Posaune und Dietmar Baumgartner ist seit 50 Jahren als Trompeter dabei. Sie erhielten die Ehrennadel in Gold mit Diamant. „Ich bin mir nicht sicher, ob es ein echter ist“, gestand der Vorsitzende schmunzelnd.Das lesen Sie zusätzlich online
Das Jubiläumsjahr der Stadtkapelle war ein Erfolg – und hat positive Folgen für die Musiker