Eigentlich will Rita Alber sich nicht aufregen. Es lohne sich nicht, der Wut so viel Raum zu geben, sagt sie. Ein Teil von ihr will über ihre Erfahrungen mit der WiGe, dem Bauprojekt Wohnen in Gemeinschaft sprechen – deshalb hat sie dem SÜDKURIER auch einen Leserbrief geschickt, – der andere will das Kapitel einfach abschließen. „Nur wenn ich von WiGe in der Zeitung lese, platzt mir immer wieder der Kragen.“

Um zu verstehen, warum das so ist, muss man wissen, dass Rita Alber nach einer Wohnung zum Kaufen sucht. Dringend. Denn ihr Mann sei krank und das Treppensteigen für ihn im aktuellen Wohngebäude ohne Aufzug eine Tortur. Deshalb seien beide begeistert gewesen, als sie den Aufruf der WiGe entdeckt hatten. Ein Mehrgenerationen Projekt. Günstiger Wohnraum. Im Grunde genau das, was sie suchten.

Doch von Anfang an sei alles schiefgelaufen. „Für das erste Treffen mit der WiGe, an einem Samstag auf dem Markt, habe ich extra meine Schicht getauscht“, sagt Alber. Sie ist Krankenschwester – und ein Schichtwechsel sei nicht immer möglich, aber für die WiGe wollte sie es möglich machen. Doch sei an diesem Samstag auf dem Markt dann niemand von der WiGe aufgetaucht.

Nur eine Wohnung sei in Frage gekommen

Zweites Treffen: auf dem Baufeld, wieder habe sie ihren Dienst getauscht, diesmal hat sie Mitglieder des alternativen Wohnprojektes angetroffen, man habe den Bauplan mit ihr durchgesprochen, ihr das Gefühl gegeben Teil des Projekts zu sein. Zuhause besprach Rita Alber die Baupläne mit ihren Kindern. Das war ihr wichtig.

„Meine Kinder sind schon erwachsen und haben selbst Kinder, sodass wir Platz brauchen, wenn sie zu Besuch kommen und übernachten müssen. Sie wohnen nicht in der Nähe.“ Letztendlich sei deshalb nur noch eine ganz bestimmte Vier-Zimmerwohnung in Frage gekommen. Alle anderen seien schlicht zu klein gewesen, sagt sie.

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An dieser Stelle unterscheidet sich ihre Version der Geschichte von der der beteiligten WiGe-Mitglieder. Denn, wie Beteiligte des Mehrgenerationenprojekts in einer Stellungnahme betonen, seien noch genug andere Wohnungen gleicher Größe vorhanden gewesen und dem Ehepaar Alber angeboten worden.

Doch zurück zu Rita Alber: Sie habe sich für diese eine Wohnung entschieden und auf ein „Grünes-Licht“ des Aufnahmeteams gewartet. Und erhielt fortan, so erzählt sie es, widersprüchliche Aussagen zur Wohnung. So habe man ihr etwa mal zugesichert, die Wohnung von vier auf drei Zimmer verkleinern zu können. Und mal auf die vier Zimmer bestanden.

Den Ablehnungsgrund findet Rita Alber diskriminierend

„Ich hatte den Eindruck, dass da intern viel falsch gelaufen und nicht abgesprochen war“, sagt Rita Alber. Als sie dann die Telefonnummer des beteiligten Architekten erhielt, dachte Alber, die Wohnung sei ihre. Sie habe nicht lange gefackelt und den Architekten sofort angerufen. Wenige Tage später klingelte ihr Handy: „Es hieß dann, die Wohnung wollen wir lieber einer Familie geben. Das Wohnprojekt sei schon sehr ‚alterslastig‘ und das hat mich echt getroffen.“ Des Alters wegen abgelehnt zu werden, sei diskriminierend und verletzend, sagt sie.

Doch auch hier gibt es zwei Versionen der Geschichte. In ihrer Stellungnahme betont die WiGe nämlich, dass man das Ehepaar Alber nicht ausgeschlossen, sondern ihnen andere Drei-Zimmerwohnungen angeboten hätte. Diese seien von der Größe gleichwertig und auch barrierefrei gewesen. Doch das Ehepaar hätte das Angebot abgelehnt. „Den Vorwurf einer Absage allerdings weisen wir mit Nachdruck zurück“, heißt es in der Stellungnahme.

Laut der WiGe seien noch gleichwertige Wohnungen frei gewesen

Um das Alter sei es nie gegangen. Wie die WiGe schreibt, habe das Ehepaar Alber Interesse an einer Vier-Zimmerwohnung gehabt und diese in eine Drei-Zimmerwohnung umplanen lassen wollen. „Nach reiflicher Überlegung haben sich die Mitglieder des Neuaufnahmen-Teams einstimmig gegen die Umplanungswünsche ausgesprochen, da zu diesem Zeitpunkt noch genügend Drei-Zimmerwohnungen frei waren, aber nur noch eine letzte günstige Vier-Zimmerwohnung. Diese wollen wir als solche erhalten, weil sie potenziell auch für eine Familie mit Kindern in Frage kommt“, schreibt die WiGe-Mitglieder.

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Dass bei so einem von ehrenamtlichen Bürgern getragenen Mammutprojekt nicht immer alles glatt läuft, wisse man. Dennoch betonen die Vertreter der WiGe: „Dass wir der Aufnahme von Radolfzeller Bürgern höchste Priorität zuweisen und uns bei vielen Info-Ständen, Baufeldtreffs, Info-Abenden und Videokonferenzen mit Erfolg darum bemüht haben.“ Deshalb bedauere man, die Absage des Ehepaars Alber. „Wir können aber in unserem begründeten Vorgehen nichts Diskriminierendes feststellen.“