Solche Klänge hat das Zunfthaus der Narrizella Ratoldi sicher noch nicht gehört: Im Rahmen ihrer Kammermusik-Reihe gastierte die Südwestdeutsche Philharmonie dort mit höfischen Chansons aus der frühen Renaissance. Das Ensemble Il Cigno hatte Lieder von Antoine Busnoys mitgebracht, der von 1430 bis 1492 lebte. „Die Musik ist ungewohnt, sie klingt sehr zart, aber sie führt uns weg vom Lärm der Zeit“, sagte Peter Achtzehnter, der in der Philharmonie Viola spielt. Die Alte Musik intonierte das Ensemble auf Nachbauten von Instrumenten aus der Zeit: Die fünfsaitige Viola da Gamba, die Ulrike vom Hagen wie ein Cello spielte, die Viella, die Peter Achtzehnter wie eine Viola spielte. Block- und Traversflöten spielte Sarah van Cornewal. Grace Newcombe sang mit klarer, nicht timbrierter Sopranstimme mit großem Tonumfang und brachte das Clavisimbalum zum Klingen, das wie ein kleines Cembalo auf dem Tisch liegend gespielt wird.
Antoine Busnoys war nicht nur Musiker, er dichtete selbst, war Gelehrter, Sänger und Priester. Und er schrieb nicht nur Liebeslieder, er klagte auch über nicht erwiderte Liebe, etwa im tieftraurigen „Je ne puis vivre ainsi tousiours“ (Ich kann nicht immer so leben), wo er jede Zeile mit einem Buchstaben des Namens der verehrten Jaqueline beginnen ließ. Die tiefen Instrumente begleiteten hier die Sopranstimme. Oder ein Lied, wo der Dichter sein Unglück beklagt – dieses Mal klang zum gesprochenen Text ein zu Herzen gehendes Klagelied der Instrumente. Anspruchsvoll ist diese in den Kirchentonarten geschriebene Musik. Jede Stimme verfolgt ihre eigene Linie, Rhythmen laufen gegeneinander, Melodien sind kontrapunktisch behandelt, Einsätze oft kanonisch gestaltet. Und doch entrückt die Musik aus Raum und Zeit, lädt zu Ruhe und Versenkung ein. Herrlicher „Rausschmeißer“: „Vous marchez du bout du pie“ (Ihr geht auf Zehenspitzen), wo Sarah van Cornewal sogar zum kleinen Dudelsack griff. Erst nach der Zugabe dieses Stücks wollte das begeisterte Publikum das Quartett entlassen.