In Radolfzell gibt es rund 16.300 Wohneinheiten in 6.300 Wohngebäuden. So hat es das Statistische Landesamt Baden-Württemberg Stand 2021 gezählt. Auch wird Radolfzell in den nächsten Jahren wachsen, so hat es Ulrich Stein, freier Statistiker aus Stuttgart, berechnet und deswegen wird auch der Bedarf an Wohnraum zunehmen. Bis zum Jahr 2030 soll es 3000 neue Radolfzellerinnen und Radolfzeller geben. Und die möchten auch irgendwo wohnen.
Wohnbedarfsanalyse sollen Grundlage für weitere Planung sein
Um besser verstehen zu können, was für eine Art von Wohnraum und wie viel man benötigen wird, hat die Stadtverwaltung auch für dieses Thema ein wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Forschungs- und Beratungsinstitut beauftragt, eine Wohnraumbedarfsanalyse für die Stadt zu erstellen.

Die Ergebnisse werden nach Gemeinderatsbeschluss als Grundlage für die weitere Planung in diesem Bereich dienen. Grundsätzlich müsse die Stadt bis 2030 knapp 1.800 Wohneinheiten neu bauen lassen. Zwei Drittel davon in Mehrfamilienhäusern und ein Drittel in Ein- oder Zweifamilienhäusern, so das Fazit der Wohnbedarfsanalyse.
Diplom-Geograph Thomas Abraham stellte in der jüngsten Gemeinderatssitzung die Ergebnisse der Analyse vor, die im Mai 2022 in Auftrag gegeben worden war. Dabei fasste er den Ist-Zustand zunächst zusammen. Radolfzell sei bereits in den vergangenen Jahren gewachsen, seit 2016 um etwa vier Prozent, was 1200 Neubürger macht. Das hätte den Wohnungsmarkt sehr belastet.
Von 2011 bis 2021 hätte ebenfalls einen Anstieg der Zahl der Beschäftigten um rund 20 Prozent gegeben. Das sei mehr als im Landkreis Konstanz oder dem Land Baden-Württemberg. Zudem gebe es einen Überschuss an Berufspendler, die in Radolfzell arbeiten, aber nicht dort wohnen. Das seien laut Abraham rund 2000 Beschäftigten.
Kosten für Wohnraum sind zum Teil explodiert
Gleichzeitig seien die Wohnkosten in allen Bereichen deutlich gestiegen. Zum Teil sogar explodiert. Die Preise für Eigentumswohnungen seien um 127 Prozent gestiegen. Die Kosten für Einfamilienhäuser hätten sich verdoppelt. Die Mieten seien um 39 Prozent auf 10,40 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Bei einem Neubau sei der Mietpreis im Jahr 2021 sogar bei 12,50 Euro pro Quadratmeter gelegen.

Leerstand gebe es in Radolfzell so gut wie keinen, ist eine Erkenntnis der Studie. Hier nahmen die Wissenschaftler Wohnraum, der weniger als sechs Monate leer stand. Das nennen die Forscher marktaktiver Leerstand und dieser könne ein guter Indikator sein, wie hoch der Druck auf einen Wohnungsmarkt sei. In Radolfzell gebe es laut Analyse weniger als ein Prozent marktaktiven Leerstand, was bedeutet, dass es nur sehr schwer für einen Haushalt möglich sei, umzuziehen, weil nirgendwo mehr etwas frei wäre. Im Idealfall bräuchte es, so erklärt Thomas Abraham weiter, zwei bis drei Prozent marktaktiven Leerstand.
Etwa 4000 Haushalte brauchen günstigen Wohnraum
Ins Detail ging der Diplom-Geograph bei der Analyse, wie viel günstigen Wohnraum die Stadt benötige. Hier errechnete das Institut, dass es rund 4000 Haushalte in Radolfzell gebe, die Anspruch auf geförderte Mietwohnungen hätten. Da nicht alle 4000 Haushalte jedes Jahr umziehen würden, sei man bei der Berechnung von einer Umzugsquote von acht Prozent ausgegangen, was etwa 320 Haushalte bedeutet, die pro Jahr eine preisgünstige Wohnung bräuchten. Aktuell gibt es in Radolfzell gerade einmal 50 sozial geförderte Wohnungen. Das mache ein Defizit von 270 Sozialwohnungen.
Beim Thema sozialer Wohnungsbau plane die Stadt Radolfzell – falls alle Bauprojekte auch genau so in dem Zeitrahmen umgesetzt würden – bis 2030 rund 300 neue Sozialwohnungen bauen zu lassen. Dies würde Familien mit einem geringen Einkommen versorgen. Gleichzeitig empfiehlt das Institut in seiner Analyse beim Bauen auf einen breiten Wohnungsmix zu setzen. Empfohlen werde ein Drittel kleine Wohnungen, zum Beispiel für ältere Ein- oder Zweipersonenhaushalte, ein Drittel mittelgroße Wohnungen, für kleine Familien oder Alleinerziehende, und ein Drittel größere Wohnungen, für Familien mit mehreren Kindern.
Generationenwechsel in den großen Einfamilienhäusern erforderlich
Wichtig sei auch ein Generationenwechsel bei den Einfamilienhäusern. Hier soll es laut Thomas Abraham aktuell ein Potenzial von etwa 20 Ein- und Zweifamilienhäuser pro Jahr geben, die wegen eines Generationenwechsels verkauft würden. Möglich sei es aber, bis zu 50 Häuser auf den Markt zu bekommen. Für ältere Personen seien große Häuser oft nicht altersgerecht und junge Familien würden den Platz dringen gebrauchen können.
Hier gebe es ein großes Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Ziel sei es altersgerechte, kleinere Wohnungen anzubieten und so die großen Häuser für einen Generationenwechsel frei werden zu lassen. Denn laut Analyse würde es in Radolfzell rund 4600 Wohngebäude geben, in denen nur eine oder zwei Wohneinheiten untergebracht seien, davon seien 1000 zwischen den Jahren 1949 und 1978 gebaut worden.
Geht es um Neubauten in der Stadt, sind Familien die größte Zielgruppe. Von der Bautätigkeit von Ein- oder Zweifamilienhäusern und Mehrfamilienhäusern zwischen den Jahren 2017 bis 2021 sind 35 bis 40 Prozent für Familien gebaut worden, zehn bis 15 Prozent für junge Ein- bis Zweipersonenhaushalte, 30 bis 35 Prozent für mittelalte Ein- bis Zweipersonenhaushalte und 15 bis 20 Prozent für ältere Ein- bis Zweipersonenhaushalte. Familien machen auch mengenmäßig die größte Bevölkerungsgruppe aus, die in einem Neubau wohnt, nämlich 55 bis 60 Prozent aller Neubau-Bewohner gehören zur Kategorie Familie.