Aufstieg zur 2. Bundesliga: HSG Konstanz – VfL Pfullingen 34:33 (14:17). – Manchmal verdichtet sich im Handball eine gesamte Saison auf einen Wimpernschlag. Eine von 97200 Sekunden macht den Unterschied zwischen Himmel und Hölle.
Als am Samstagabend die Partie zwischen der HSG Konstanz und dem VfL Pfullingen abgepfiffen wird, sind die Gastgeber am Boden zerstört und ihre Fans mucksmäuschenstill. Auf der anderen Seite feiert eine blaue Jubeltraube ausgelassen das Tor zum 34:34. Doch plötzlich meldet sich das Kampfgericht bei den Schiedsrichtern. Die Zeit war bereits abgelaufen, als der Wurf von Paul Prinz im Netz landete.
Fragende Blicke auf beiden Seiten. Wirklich? Kann das sein? Dann die Bestätigung. Der Treffer zählt nicht. Es bleibt beim 34:33. Die HSG Konstanz gewinnt tatsächlich ein Spiel, in dem lange nur noch unverbesserliche Optimisten an einen Heimsieg geglaubt hatten.
Mit dem Erfolg, dem 24. in dieser Mammut-Saison, hat sich die Mannschaft vom Bodensee als Sieger der Gruppe 2 in eine hervorragende Ausgangsposition gebracht für die beiden Finalspiele gegen den Nord-Zweiten Wilhelmshavener HV. Die Pfullinger, die bis zuletzt so tapfer gekämpft hatten und Einspruch gegen die Entscheidung einlegen wollen, gehen leer aus.
HSG-Trainer spendet VfL Pfullingen Trost
Hätte Paul Prinz einen Moment eher geworfen, wäre der VfL auf Platz eins gelandet, vor der HSG. Doch nun: Hölle statt Himmel. Platz drei. Das Aus. „Der Modus ist nicht fair. Pfullingen ist ein Superteam und gehört ins Endspiel“, sagt der Konstanzer Trainer Jörg Lützelberger.
Aus der Kabine dröhnt Partymusik, in der Halle fotografieren einige Fans die Anzeigetafel, berauscht von der nicht immer hochklassigen, aber durchweg spannenden Vorstellung, die zwei Topteams den 1700 Zuschauern, darunter Markus Baur, Weltmeister von 2007, zuvor geboten hatten.
Beiden Mannschaften ist die Bedeutung des Spiels anzumerken. In den ersten Minuten lebt die Partie von der Spannung, die Fans sehen mehr technische Fehler oder vergebene Würfe als Tore. „Am Anfang sind wir im Angriff zu wenig in die Tiefe gegangen, vielleicht war der Druck da zu hoch“, sagt Rückraumspieler Peter Schramm, mit sechs Treffern der erfolgreichste Konstanzer Werfer an diesem Abend.
Während die Gäste nach dem ausgeglichenen Start besser in die Spur finden, sind die sonst so oft souveränen Gastgeber zunächst völlig von der Rolle. Nach einer Viertelstunde liegen sie mit 5:9 zurück.
Neue Abwehrformation nach der Pause
Die Abwehr und die Torhüter sind weit von ihrer Normalform entfernt. Maximilian Wolf und Leon Grabenstein kommen vor der Pause auf je einen abgewehrten Wurf, auf der anderen Seite läuft der frühere Konstanzer Simon Toelke mit acht Paraden richtig heiß. Eines zeichnet die HSG-Spieler in dieser Saison aber aus: ihr Kampfgeist. So verkürzen sie im Hexenkessel Schänzlehalle den Sechs-Tore-Rückstand (6:12/18.) bis zur Halbzeit auf 14:17.
„In der Pause haben wir die Abwehr umgestellt“, sagt Lützelberger, der sein Team nun mit einer 6:0-Deckung aufs Parkett schickt. Direkt nach Wiederanpfiff sieht es so aus, als sollte dieser Schachzug aufgehen. Tor um Tor schrumpft der Rückstand, und als Fynn Beckmann zum 20:20 (37.) trifft, sind die HSG-Fans außer sich.
Statt diesen Schwung mitzunehmen, folgt die nächste unerklärliche Schwächephase. Zwei technische Fehler und gleich drei freie vergebene Würfe bestraft der VfL Pfullingen umgehend. Schon steht es 20:24 (40.). „Viele unserer Spieler sind Anfang 20, für sie war dies das größte Spiel überhaupt. Da ist es doch normal, dass sie nicht immer frei aufspielen“, sagt Lützelberger, angesprochen auf die teils hektischen Aktionen seiner Schützlinge – immer wenn sie die Chance haben, den Abstand auf den VfL zu verkürzen.
In dieser Mannschaft gebe es aber keine Fragezeichen, keine Schuldzuweisungen, wenn etwas nicht klappt. „Wichtiger ist für mich, wie sie im Spiel auf die Fehler reagieren“, ergänzt der HSG-Coach.
Mutiger Doppelwechsel bei HSG Konstanz
Er selbst jedenfalls reagiert mit einem mutigen Doppelwechsel beim Stand von 23:28 (45.), als er Joel Mauch und Lars Michelberger aufs Feld schickt. Während das Duo vorne wirbelt, ist Keeper Grabenstein nun im Verbund mit der Abwehr kaum mehr zu überwinden.
Knapp zehn Minuten lang kassiert die HSG nur ein Gegentor – und aus dem Rückstand wird eine 31:29-Führung. „Pfullingen hat sehr viele Dinge sehr gut gemacht, aber wir haben das Spiel hintenraus dank unserer großen Rotation gedreht“, sagt Lützelberger.
Längst sitzt niemand mehr in der Schänzlehalle, die letzten Minuten dieses heiß umkämpften Duells sind nichts für schwache Nerven. Pfullingen schafft tatsächlich den kaum für möglich geglaubten Ausgleich. Konstanz erzielt zehn Sekunden vor dem Ende per Kempa-Trick von Aron Czako das 34:33, ehe es zum dramatischen Finale kommt.
„Unglaublich, so ein Ding in letzter Sekunde“, sagt Leon Grabenstein. Peter Schramm lobt die „super Teamleistung“ nach einer Schlussphase, die der 31-Jährige in seiner langen Karriere so noch nicht erlebt hat. Und der Trainer, der „megastolz“ ist auf seine Mannschaft und nie am Sieg gezweifelt hat, blickt nach dem Erfolg in diesem kleinen Endspiel nach vorne.
Finalspiele am 21. und 28. Mai
„Alles was hinter uns liegt, bereitet uns auf die Finalspiele vor“, sagt Jörg Lützelberger. Die entscheidenden beiden Duelle im Kampf um einen von nur zwei Aufstiegsplätzen steigen am Samstag, 19.30 Uhr, beim Wilhelmshavener HV und eine Woche darauf, am 28. Mai, um 20 Uhr in der Schänzlehalle.
HSG Konstanz: Wolf, Grabenstein (Tor); Stotz (4), Czako (2), Michelberger (2), Hild (3), Mauch (1), Hadlich, Knipp, Beckmann (4), Bornhauser (2), Wendel (3), Schramm (6), Ingenpass (2), Köder (4/2), Knezevic (1). – Z: 1700.