Alexander Temirbulatow muss durch die Maske hinweg schmunzeln, wenn er an den Moment denkt, als er das erste Mal mit dem Programmieren in Berührung kam. „Ich mochte das schon als Kind: Dinge zu bauen“, sagt er. Die Dinge waren damals noch mit den Händen zu greifen, Bauklötze und Legosteine, doch das Prinzip sei dasselbe, meint der 18-Jährige Schüler des Berufsschulzentrums in Radolfzell: „Man erschafft etwas.“ Und genau deshalb ist er im Milchwerk. Temirbulatow ist einer von neun Jugendlichen, die die Herbstferien beim Coding Camp des Radolfzeller IT-Unternehmens Sybit verbringen.
Das ist ein Ferienangebot für Computerfreaks und solche, die es werden wollen. Wie in jedem Jahr steht am Ende eine App, die die Jugendlichen konzipieren und so das Programmieren lernen. Zumindest ein bisschen. „Unsere Auszubildenden haben das Ganze vorher schon einmal durchgespielt und Probe programmiert“, sagt Stephan Strittmatter, der das Coding Camp organisiert und bei Sybit für die Nachwuchsförderung zuständig ist. „Sonst wäre das in einer Woche nicht zu schaffen.“
Eine App für gute Taten
Das Projekt in diesem Jahr: Eine App basierend auf einer Idee von Fabienne Schwarz-Loy zu entwickeln. „Schwarz-Loy gibt auf ihrer Homepage Impulse, wie man die Welt im Kleinen retten kann, etwa durch das Kaufen von Stück- statt Flüssigseife oder durch das Kaufen von Milchprodukten in Glasverpackungen“, erklärt Strittmatter. Bekannt sind solche Nachhaltigkeitsgedanken schon lange, umsetzten tue sie selten jemand. Deshalb dachte Strittmatter: „Es müsste vielleicht eine App her, mit dem man für jede kleine, gute Tat Punkte sammeln und einem Highscore nach oben steigen könnte.“
Und genau das programmieren die Jugendlichen während des Camps anhand von Java-Script oder Internetanwendungen mit HTML. „Das Ganze funktioniert spielerisch, die Schüler sollen keine starren Codes anwenden, sondern grundlegende Konzepte entwickeln“, betont Strittmatter. Dazu ist neben dem klassischen Projektmanagement auch ganz viel Teamarbeit gefragt.
Stephan Strittmatter organisiert das Coding Camp nun schon zum sechsten Mal. Und während er den Jugendlichen einerseits viel Wissen mit auf den Weg geben, sie in ihrer IT-Leidenschaft bestärken will, steht für ihn ganz klar die Rekrutierung im Vordergrund. „Wir kriegen so von den Schülern viel mehr mit als in einem Vorstellungsgespräch. Wir erleben sie spielerisch beim Arbeiten.“ Die Schüler? Die hätten die Möglichkeit einen potenziellen Arbeitgeber einmal ganz anders kennenzulernen.
Und das scheint trotz Corona gut zu funktionieren. Auf einer Wand, im kleineren Saal des Milchwerks, hängen dutzende, bunte Klebezettel – die Ideensammlung der Jugendlichen – manche Gestaltungsideen, etwa zum Design der App sind schon erledigt, an anderen wird noch fleißig gearbeitet. Viel Zeit bleibt nicht mehr, es ist der letzte Tag des Ferienprogramms. Heute soll die App fertig werden. „Das kriegen wir schon hin“, meint Temirbulatow, hebt den Blick vom Bildschirm – er hat der App den letzten Feinschliff verpasst, wie er sagt – und deutet auf die Klebezettel im Hintergrund. „Das Design war einfach zu erstellen. Aber das was die App im Hintergrund macht und rechnet, war beim Programmieren eine Herausforderung.“ Aber eine schöne Herausforderung, Temirbulatow liebt das, will später, nach der Schule, sogar Informatik studieren.
Am Ende gibt es ein Zertifikat
Für seine Teampartnerin Aaliyah Dere ist das Coding Camp dagegen eine ganz neue Welt. Ein bisschen exotisch und gerade deshalb spannend. „Mit Programmieren hatte ich vorher gar keine Berührung“, sagt die 17-Jährige Schülerin des Berufsschulzentrums in Radolfzell. Ihr Urteil nach einer Woche in dieser Welt. „Es macht wirklich Spaß.“ Ob sie sich das beruflich vorstellen könnte? Da rollt Dere noch etwas skeptisch die Augen. „Sowas in der Art schon, aber ich muss erst tiefer eintauchen.“ Auch Informatik sei schließlich ein breites Feld.
Die Bemühungen der Schüler werden am Ende mit Zertifikaten honoriert. „Tipps für die Bewerbungsunterlagen oder den Lebenslauf geben wir am Rande des Camps auch“, sagt Strittmatter. Er verfolgt die Biographien, der Schüler, die über die Jahre Teilnehmer des Coding Camps waren, immer ein bisschen mit und weiß: „Viele landen später tatsächlich im Informatikbereich.“ Manche sind sogar inzwischen Auszubildende bei Sybit.