Die drei Frauen im Theater-Atelier der Zeller Kultur freuen sich, als sie von den Stücken der neuen Saison berichten. Denn die beiden Regisseurinnen Waltraud Rausch und Anny de Silva sowie die Co-Vorsitzende Ingrid Dreisbach haben einiges geplant.
Neun Monate lang werden sie wöchentlich geprobt haben, wenn im April die erste Theater-Premiere ansteht: „Niemand – eine Tragödie in sieben Bildern“ hat Ödön von Horvath (1901-1938) sein Frühwerk von 1924 genannt, das erst 2015 wiederentdeckt wurde. Regisseurin Waltraud Rasch sucht die Autoren für ihre zehn Schauspieler im Alter von 19 bis 70 Jahren aus. „Es ist mühselig, passende Stücke zu finden, die nicht oberflächlich sind. Ich liebe Autoren, deren Texte Geheimnisse bergen, die ich am Anfang vielleicht selbst nicht sofort verstehe“, gesteht Rasch.
Dann gelte es, den Text zu erlauschen, ohne zu viel hineinzuinterpretieren oder einer Rolle eine eigene Sicht überzustülpen. „Wir gehen auf ein neues Stück zu wie auf einen Menschen, den wir noch nicht kennen, aber kennenlernen möchten.“ Sie lege Wert darauf, jedes Wort wichtig zu nehmen, denn: „Jeder Autor ist eine Kostbarkeit.“
Seniorengruppe „Faltenwurf“ mit zeitgenössischer Geschichte
Auch für die Senioren-Theatergruppe mit dem charmanten Namen „Faltenwurf“ sei es schwierig, Stücke zu finden. Ihre Gruppe umfasse sieben Damen, die große Freude am Lernen und Proben hätten. Mit „Retro“ von Alexander Galin, das im Juni Premiere hat, habe sie eine zeitgenössische Geschichte gefunden, berichtet Waltraud Rasch. „Der Autor schreibt sehr ausschweifend, stellte viele Nebenhandlungen her, sodass ich etliche Streichungen vornehmen muss. Dabei denke ich nicht nur an die Schauspielerinnen, sondern auch an das Publikum, das nicht allzu lange zuhören mag“, erklärt sie.
Kinder führen Schneewittchen auf
Die dritte Theater-Gruppe liegt Waltraud Rasch, die ihre Karriere mit Solo-Theaterstücken in Stuttgart begann und seit 1992 zurück in Radolfzell ist, besonders am Herzen: 14 Mädchen und ein Junge spielen einmal in der Woche Theater und proben das Märchen „Schneewittchen“, das im Juli aufgeführt wird.
„Es geht mir darum, dass die Kinder einen Freiraum zur Schule ohne Zeit- und Leistungsdruck erfahren. Im Spiel können sie sich selbstgestaltend erleben, können etwas bewirken, erreichen oder eingreifen, wenn sie zum Beispiel in die Rolle der Königin, eines Tieres, des Vaters oder der Mutter schlüpfen“, erklärt Rasch. Es stehe nicht Perfektion im Vordergrund, sondern der Weg sei das Ziel.
Darsteller profitieren von großem Fundus
Mittlerweile hat die Zeller Kultur einen großen Fundus angesammelt: Es gibt eine Kostüm- und Requisitenkammer, Bühnenbilder und Stoffe sind eingelagert und neue Bühnenelemente werden gebaut. Wie zum Beispiel ein Podest mit Treppe, das Schreinermeister Andreas Nitschke, der selbst auch in Schauspiel-Rollen schlüpft, jetzt für das „Niemand“-Stück, das im Treppenhaus spielt, gebaut hat.
Vom großen Fundus profitiert auch Regisseurin Anny de Silva. Die 53-Jährige hat ihre Schauspiel-Ausbildung in München absolviert und ist nach zehnjähriger Kinderpause wieder bei der Zeller Kultur eingestiegen. Zusammen mit neun Jugendlichen – einem Jungen und acht Mädchen – hat sie das Stück „JAA-Jugendarrestanstalt“ entwickelt, das im Juli seine Wiederaufnahme erfährt.
Jugendliche bringen eigene Ideen ein
„Die Ideen dazu kamen von den Jugendlichen, sie schlugen vor, was die vier Hauptfiguren erlebt haben könnten. Für mich als Regisseurin blieb die Recherche: Wie läuft ein Tag in solch einer Anstalt ab, wie hoch sind die Strafen, wie äußert sich manipulative Gewalt, wie Fremdenfeindlichkeit?“, beschreibt de Silva.
Zudem habe sie den Text schreiben und dramaturgische Bögen und den Schluss bedenken müssen. „Denn das Publikum soll mit einem guten Gefühl nach Hause gehen“, sagt sie über ihre Arbeit. Sie arbeite gern mit Jugendlichen, denen die Proben nach demokratischem Prinzip sehr entgegenkämen. Inzwischen könne sie sogar auf einen festen Kern von elf bis 13 von ihnen bauen, so Regisseurin de Silva.