Auch im idyllischen Radolfzell gibt es Rassismus: Der Bus, der vorbeifährt, als eine Frau mit Kopftuch an der Haltestelle steht, der Notarzt, der nicht kommt und an den Hausarzt verweist, weil er in gebrochenem Deutsch um Hilfe gebeten wird, der Lehrer, der für einen Aufsatz keine Eins gibt, weil er/sie nicht deutsch ist. Drei ausgewählte Persönlichkeiten stellten sich zum Thema „Vielfältiges Zusammenleben – was wir uns wünschen“ mit ihren Erfahrungen im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus in der Stadtbibliothek vor.
Der 1998 geborene Asem Butt, dessen Eltern vor 30 Jahren aus Pakistan nach Deutschland kamen, weiß von den Spannungen, wenn man interkulturell aufwächst. Er habe schon in der Schulzeit mit Vorurteilen zu kämpfen gehabt, weil er als Ahmadi-Muslim an seinem Glauben festhalte. Er zitierte Suren aus dem Koran, und erläuterte mit ruhiger Stimme den Fastenmonat Ramadan. Butt studiert in Freiburg Biologie und Englisch auf Lehramt und engagiert sich unter anderem bei der Tafel. Er wünscht sich mehr Offenheit und Dialoge gegen Vorurteile.
Pratyusha Potturi kommt aus Indien, studierte in den USA Informatik und kam mit Mann und Kindern 2010 nach Deutschland. Seit 2017 lebt sie in Radolfzell. Sie engagiert sich in sozialen und politischen Fragen und ist in vielen Organisationen tätig. „Ich finde, es läuft in Radolfzell gut, mein Vorteil ist, dass ich gut vernetzt bin,“ sagt die 38-Jährige. Sie kämpfe mit für mehr Kita-Plätze, hoffe, dass dem Fachkräftemangel auch mit ausländischen Kräften begegnet werde und befürwortet Integration.
Erva Taninmis ist 23 Jahre alt und studiert Psychologie. Sie habe sich, wenn sie sich ausgegrenzt fühlte, gefragt: Wurde ich nicht gegrüßt, weil ich ein Kopftuch trage? Wird mir deswegen eine Wohnung verwehrt? Sie habe den Rassismus als Selbstbild verinnerlicht. „Das Kopftuch forciert Beleidigungen, ich muss rechtfertigen, dass ich es freiwillig trage.“ Sie wünscht sich, nicht ständig auf der Hut sein zu müssen, ruft zu Empathie und zum Handeln auf.