Für Martin Schön wurde in diesem Sommer ein lang ersehnter Traum wahr, denn er fand überraschend einen tierischen Begleiter für seine Tour durch Island. Der 56-Jährige wandert regelmäßig in verschiedensten Ländern. Am liebsten abseits der vorgegebenen Wege und fernab der Zivilisation. Was er sich schon immer gewünscht hat, war ein Hund an seiner Seite. Doch wegen strenger Einreisebestimmungen hatte er sich bereits damit abgefunden, dass dieser Wunsch unerfüllt bleiben würde. Bis er Anfang August an der Südküste Islands auf Kátur traf. Ein Hund, der kurze Zeit darauf in der ganzen Region gesucht wurde.

Spezieller Weggefährte auf Trekkingtour
Der 56-jährige Hesse, der mittlerweile in Radolfzell wohnt, veranstaltet jedes Jahr eine Wildnistour mit der Hochschulsportgruppe Konstanz. In diesem Sommer habe er eine zehntägige Tour durch Island geführt. Mit dabei: ein 13 Jahre alter isländischer Schäferhund. Die erste Begegnung zwischen ihm und Martin Schön sei unerwartet gewesen. Kurz bevor die Gruppe den vorletzten Hof in Zivilisation passiert habe, sei der Hund aus dem Nichts aufgetaucht. "Wir dachten, dass er nach fünf Minuten umkehren wird, aber nein." Das herrenlose und zurückhaltende Tier sei der Gruppe nicht mehr von der Seite gewichen. Auf einem Schild auf seinem Halsband habe der Name Kátur gestanden. Sonst nichts. "Er reagierte erst, als wir seinen Namen auf Isländisch aussprachen", erzählt Schön. Der Beginn einer tierischen Freundschaft.

Gletscherhund wurde vermisst
Was keiner der Tour-Teilnehmer wissen konnte: die Abwesenheit ihres speziellen Weggefährten löste eine Suchmeldung in dessen Heimatort aus. Das hat sich Schön zufolge erst herausgestellt, als die Gruppe am Ende der Tour wieder die Küste Islands erreichte. Der Plan sei gewesen, in den nächsten Ort zu trampen. "Wir wollten eigentlich Bus fahren, aber mit dem Hund war das schwierig. Also teilten wir uns auf und Anwohner fuhren uns in kleinen Gruppen in die Zivilisation", erzählt Schön. Zwei der Teilnehmer seien mit Kátur in ein Auto gestiegen und der Fahrer habe das Tier sofort erkannt. Es hieß, dass Kátur bereits überall gesucht werde. Der Einheimische habe daraufhin direkt die Tante der Besitzerin angerufen.

Erster Hund, der Gletscher überquert
Während ihrer Reise hätten der Hund und die Elfergruppe viel erlebt. Täglich seien sie etwa fünf bis sechs Stunden durch wegloses Gelände, über Gletscher und durch Flüsse gelaufen. Mit der Zeit sei das Tier immer zutraulicher geworden. "Jeden Morgen hat er die Schnauze ins Zelt gesteckt und wir haben uns zur Begrüßung einen Nasenstupser gegeben. So fing der Tag direkt gut an." Doch auf der Tour habe sich Kátur auch einigen Hürden stellen müssen. Eine besondere Herausforderung sei die Gletscherzunge des Vatnajökull, Europas größtem Gletscher, gewesen. "Die erste Hälfte lief gut, doch dann wurde Kátur immer langsamer." Seine Pfoten seien wund gewesen und er habe keine Kraft mehr gehabt weiterzulaufen. "Ich hätte eher die Tour abgebrochen, als ihn zurückzulassen. Also bauten wir aus vier Stöcken und einem Pullover eine Trage", erzählt Martin Schön. Immer vier Leute im Wechsel hätten Kátur über die Gletscherpassage getragen. "Er ist vielleicht der erste Hund, der diesen Gletscher je passiert hat", sagt Martin Schön und lacht. Daher auch der liebevolle Namenszusatz – Gletscherhund.

Über Stock, Stein und durch den Fluss
Eine Flussüberquerung habe sich ebenfalls schwierig gestaltet und sei sowohl für Mensch als auch Tier eine körperliche Grenzerfahrung gewesen. "Das Wasser kam von einem Gletscher und war sehr kalt. Außerdem war die Strömung stark", erzählt der 56-Jährige. Nach zwei Versuchen habe es so ausgesehen, als würde Kátur die Strömung nicht bewältigen können. "Ich habe überlegt, ihn zu tragen, aber wusste selbst nicht, ob ich es so schaffen würde." Schön habe auch die anderen Teilnehmern nicht diesem Risiko aussetzen wollen. Nach einiger Zeit habe der Hund dann aber einen dritten Versuch gewagt. "Er hat sich auf eine Geröllbank treiben lassen und dort pausiert. Danach ist er zu uns gekommen. Mit so einer harten Tour hat er bestimmt nicht gerechnet, als er uns am Anfang folgte."

Anfangs wollten die Wanderer den Hund nicht mitnehmen
"Am ersten Tag haben wir ihn nicht mal gefüttert, weil wir dachten, er kehrt zu seinem Zuhause zurück. Trotzdem ist er bei uns geblieben." Geeignete Nahrung sei außerdem ein Problem gewesen. "Wir hatten selbst nicht viel dabei. Also gab es Würstchen und einmal sogar Tomatensuppe", berichtet der Gruppenleiter. Bereits in der ersten Nacht habe Kátur neben den Zelten geschlafen. Martin Schön sei überrascht gewesen, als er am nächsten Morgen noch da war und mit der Gruppe weiterziehen wollte. Die Gruppe habe sich dann oft gefragt, wie es mit Kátur weitergehen solle. Würde er die anstrengende Tour überstehen? Wie sollten sie ihn ohne Informationen über seine Herkunft zurückbringen? "Uns kam kein Mensch entgegen und die Hoffnung, dass Kátur von allein umkehren würde, wurde von Tag zu Tag kleiner." In Schöns Brust hätten daher zwei Herzen geschlagen. "Ich wollte, dass Kátur dabei bleibt. Aber ich habe mir auch große Sorgen gemacht, dass er es nicht schafft oder dass ihn jemand vermisst."

Ein glückliches Wiedersehen in der Heimat
Wie sich am Ende herausstellte, sei Kátur tatsächlich vermisst worden – und das von einem kompletten Dorf. Nachdem der einhemische Fahrer die Tante der Besitzerin kontaktiert habe, sei es zu einem glücklichen Wiedersehen zwischen ihr und Kátur gekommen. "Sie war sehr erleichtert. Zwar fragte sie auch vorwurfsvoll, warum wir den Hund nirgends abgegeben haben, aber die Erleichterung überwog", erzählt Martin Schön. Für ihn sei die Tour dank Kátur zu einer ganz besonderen geworden. "Das war meine 50. größere Tour und die 21. mit der Hochschulsportgruppe. Von all diesen Wanderungen ragt diese aber heraus", sagt er. Aktuell lebt der Hund laut Schön bei der Tante, die die Suchaktion im August gestartet hatte. "Wir halten lockeren Kontakt und falls ich nächstes Jahr in der Nähe bin, würde ich Kátur gerne besuchen." Nach der zehntägigen Tour sei der Hund sehr erschöpft gewesen, doch mittlerweile ist er seiner neuen Besitzerin zufolge ganz der alte.

Suchmeldung
Nach seiner Tour erfuhr Martin Schön von der Tante der Besitzerin, warum Kátur überhaupt vermisst wurde: Nachdem Káturs betagte Besitzerin in ein Krankenhaus gebracht worden war, blieb der Hund alleine auf ihrem Hof zurück. Die Tante der Besitzerin brachte ihm täglich sein Futter. An dem Tag, als sich Kátur spontan Martin Schön und den Tour-Teilnehmern der Hochschulsportgruppe Konstanz anschloss, verstarb seine Besitzerin im Krankenhaus. Die Tante wollte daraufhin den isländischen Schäferhund zu sich holen und begann, ihn überall im Ort zu suchen. Nachbarn berichteten ihr, dass sie gesehen hatten, wie Kátur mit einer Wandergruppe mitgegangen war. So begann in der Region die Suche nach der Gruppe und dem Tier. Allerdings blieb diese erfolglos, da sich die Suchenden auf umliegende Wanderwege beschränkten.