Lisa Jahns

Gegen Gewalt und Rassismus. So lautet der Antrag, den die Fraktionen des Gemeinderates gemeinsam auf den Weg gebracht und am Dienstag einstimmig beschlossen haben: "Der Gemeinderat positioniert sich gegen jede Form von Gewalt, Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus, politischen Extremismus, Faschismus und Antiziganismus", so heißt es in dem Antrag.

Dabei hätte es für den Beschluss keinen passenderen Moment geben können: In der Nacht zum Dienstag hatten bisher nicht bekannte Täter Friedensfahnen gestohlen, die im Rahmen der Kulturnacht beim Kriegerdenkmal am Luisenplatz aufgestellt worden waren. Bei dem von der Stadt geförderten und begleiteten Projekt hatten Schüler die Fahnen gestaltet. Dort, wo die Fahnen standen, seien Flugblätter der rechtsextremen Kleinpartei "Der dritte Weg" gefunden worden. Das berichten Polizei und Stadtverwaltung übereinstimmend. Die Gruppierung war in der Vergangenheit bereits öfter in Radolfzell in Erscheinung getreten. Immer wieder finden sich Flugblätter in Briefkästen, auf Laternenmasten kleben Aufkleber. Im Juni hatte eine Demonstration von Mitgliedern der Kleinpartei durch die Innenstadt für Aufsehen und Unmut im Gemeinderat gesorgt. Als Reaktion darauf brachten die Fraktionen den beschrieben Antrag auf den Weg.

Nur zwei Tage später ist der Platz leer, die Fahnen gestohlen. Die Verwaltung möchte allerdings so bald wie möglich neue Fahnen ...
Nur zwei Tage später ist der Platz leer, die Fahnen gestohlen. Die Verwaltung möchte allerdings so bald wie möglich neue Fahnen aufstellen. Bild: Lisa Jahns

In der Grundsache waren sich die Stadträte und die Verwaltung erwartungsgemäß einig: Jegliche Form von politischem Extremismus ist klar abzulehnen. Schwieriger wurde es bei der Frage, wie konkret eine solche Haltung in die Tat umzusetzen sei. Im aktuellen Fall des Luisenplatzes habe die Stadtverwaltung Anzeige gegen "Den dritten Weg" erstattet, sagte Bürgermeisterin Monika Laule. Außerdem seien bereits 50 neue Fahnen bestellt worden, die so bald wie möglich beim Kriegerdenkmal aufgestellt werden sollen. Darüber hinaus richtete sie allerdings die Frage an die Stadträte, was genau der Auftrag an die Verwaltung bedeute, künftig Veranstaltungen mit extremistischem Hintergrund nach Möglichkeit zu verhindern.

Schließlich könne die Verwaltung nur in dem Rahmen handeln, den das Gesetz ihr zur Verfügung stelle. Es sei nicht möglich, Veranstaltungen oder Demonstrationen einfach zu verbieten, nur weil Verwaltung oder Gemeinderat dagegen seien. "Der dritte Weg" beispielsweise sei nicht verboten. Solange es bei deren Veranstaltungen keine Gewalt oder eindeutig verfassungsfeindliche Handlungen gebe, sei es schwierig dagegen vorzugehen. Dabei vertrat Monika Laule in ihrer Position als Bürgermeisterin die rechtliche Position, während manche Stadträte eher nach gesellschaftlichen Lösungen suchten. Die Stadt Radolfzell habe eine historische Verantwortung, derlei Bewegungen entgegenzutreten. Das sagte Siegfried Lehmann von der Freien Grünen Liste (FGL): "Verlässt man denn den Boden des Rechtsstaates, wenn man nicht alles zulässt? Das sind Nazis.

" Ihnen gelte es, entgegenzutreten und sich notfalls auch rechtlichen Auseinanderstzungen zu stellen. Holger Vetter, Leiter des Fachbereichs Bürgerdienste, gab in diesem Zusammenhang zu Bedenken, dass eine rechtliche Auseinandersetzung allerdings auch meist eine Gelegenheit für Rechtsextremisten biete, sich zu profilieren. Die Verwaltungsgerichte urteilten bei Klagen dieser Art meist für die Demonstranten. Es wäre also ein Sieg für solche Gruppierungen, so Vetter.

Waltraut Fuchs von der FGL fehle die Kreativität bei den Lösungsansätzen, wie sie sagte: "Natürlich rufe ich nicht zu Illegalität auf. Aber es geht darum, den legalen Rahmen mit jeglichen Mitteln auszuschöpfen." So sei es beispielsweise sehr wohl möglich, an einem betreffenden Termin eine Gegenveranstaltung in der Innenstadt zu organisieren, um Extremisten nicht einfach das Feld zu überlassen. Ähnlich äußerte sich auch ihre Fraktionskollegin Nina Löbe-Breimaier. Es gehe nicht darum, Gesetze zu brechen, sondern um kreative Lösungen. "Der dritte Weg" beispielsweise sei in Singen bereits seit längerer Zeit ziemlich aktiv. Dort gebe es als Gegenbewegung mittlerweile allerdings das "Bündnis unterm Hohentwiel", das sich für Menschenrechte, Zivilcourage und Respekt einsetzt.

Auch in Radolfzell müsse daher alles getan werden, um Extremismus entgegenzutreten. "Nicht, dass Radolfzell zu einer Ausweichzone wird", so Nina Löbe-Breimaier. Der Meinung ist auch Christof Stadler von der CDU. Es sei wichtig, Zivilcourage zu beweisen und solchen Gruppierungen aktiv entgegenzutreten. Dazu gehöre beispielsweise auch, dass Aufkleber an Laternenpfählen umgehend entfernt würden. "Wie armselig sind Menschen, die von Grundschulkindern bemalte Flaggen stehlen", fragte er und fasst die Diskussion anschließend zusammen: "Legal, präventiv und kreativ – so müssen wir gegen Extremismus vorgehen."
 

Klare Position

In dem gemeinsamen Antrag der Fraktionen, den die Stadträte am Dienstag einstimmig beschlossen haben, heißt es unter anderem konkret: Der Gemeinderat fordere die Verwaltung auf, zukünftig alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Demonstrationen und Veranstaltungen mit extremistischem Hintergrund auf städtischem Gelände zu verhindern. Falls dies nicht vermeidbar sein sollte, erwarte der Gemeinderat eine direkte und schnelle Rückmeldung, damit die unterschiedlichsten Gruppen mit rechtsstaatlichen Mitteln aktiv werden könnten. Eine Rückmeldung sagte Monika Laule den Räten am Dienstag wiederholt zu. Die Verwaltung werde über alle angemeldeten Versammlungen informieren. (lmj)