Spielplatz oder Flüchtlinge? Diese Rechnung wollte im Radolfzeller Gemeinderat niemand machen. In der Sitzung am Dienstag wurde lange und intensiv über den Vorschlag der Verwaltung diskutiert, auf dem Spielplatz in der Strandbadstraße mobile Wohnmodule für Flüchtlinge zu bauen. Schon zu Beginn der Diskussion schlug Bürgermeisterin Monika Laule den Kompromiss vor, weniger Wohnungen zu bauen, dafür aber den Spielplatz zu erhalten. Darauf konnten sich dann die meisten Räte einigen, auch wenn die CDU- und FDP-Fraktion gerne den Spielplatz komplett von der Liste der möglichen Standorte gestrichen hätte. "Es gibt genügend andere Plätze, wir dürfen uns den Platz nicht verbauen", sagte Christof Stadler (CDU).
Aber genau an diesen anderen Plätzen scheint es in Radolfzell massiv zu mangeln, wie OB Martin Staab ausführte. Man habe 30 städtische Gelände geprüft. Und für eine schnelle und kurzfristige Möglichkeit, Wohnraum zu bekommen, sei die Strandbadstraße am besten geeignet. Die übrigen Gelände, die in der Sitzungsvorlage aufgeführt wurden, in der Stadterweiterung Nord, Hübschäcker in Böhringen, Im Tal in Markelfingen und Stürzkreut-Süd sowie das Grundstück Mettnaustadion-Ost an der Hermann-Sernatinger- und Hausherrenstraße dienten eher für mittelfristige Planungen. Die Stadträte selbst brachten einige neue Plätze ins Spiel, die die Verwaltung nun auch prüfen will.
Martina Gleich (CDU) schlug vor, die Postpakethalle oder das Mayer-Areal zu überprüfen. Diese Plätze lägen zentral in der Stadt, was für die Integration wichtig wäre. Thomas Nöken, Leiter des Dezernats Umwelt, Planen, Bauen, gab dem jedoch erst einmal eine Absage: Familien mit Kindern könne man keine Wohnung auf einem asphaltierten Gelände zumuten. Für Jürgen Keck (FDP) eine unberechtigte Sorge: "Dieses Horrorszenario, dass Kinder auf den Gleisen spielen müssen, stimmt nicht. Nicht jeder kann im Grünen wohnen." Und Walter Hiller (Freie Wähler) wünschte sich von der Verwaltung, dass die Grundstücke mit "mehr gutem Willen" geprüft werden. Er machte auch klar: "Wenn ich nichts anderes habe, muss ich nehmen, was ich eben bekomme". Dagegen wehrte sich OB Martin Staab. Die Verwaltung habe diese 30 Grundstücke geprüft und viele seien aus Immissions- oder baurechtlichen Gründen gleich ausgeschlossen worden. "Wir werden keinen unsinnigen Vorschlag weiter verfolgen", so Staab. Die Dauer und Qualität der mobilen Wohnmodule wurde ebenfalls kritisch diskutiert. Helmut Villinger (CDU) erinnerte daran, dass ein Provisorium gerne zur Dauerlösung werde. Man solle doch gleich langfristig planen und die Wohnungen vernünftig bauen lassen.
Dietmar Baumgartner (Freie Wähler) versuchte die Lage positiv zu sehen. Ein Wohnhaus für Flüchtlinge neben einem Spielplatz in der Strandbadstraße könnte ein Vorzeigeprojekt für Integration werden, wenn darauf geachtet würde, dass vor allem Familien einziehen. Auch Norbert Lumbe (SPD) betonte, der Gemeinderat sei für alle in der Stadt verantwortlich, auch für Geflüchtete. Er wolle sich auch nicht vor den Karren der Rechtspopulisten spannen lassen und Spielplätze für Flüchtlinge opfern. Aber dem Grundgedanken, für Geflüchtete zu bauen, könne er nicht widersprechen. Bernhard Diehl (CDU) brachte für den Ortsteil Böhringen eine weitere Adresse ins Spiel. Seiner Meinung nach sei die Fritz-Kleiner-Straße weitaus besser für Wohnbebauung für Geflüchtete geeignet als das Hübschäcker-Areal.
Kritik gab es für die Aufbereitung des Vorschlages der Stadtverwaltung. Richard Atkinson hätte sich konkrete Zahlen und Erfahrungsberichte anderer Gemeinden gewünscht. "Wir wissen doch gar nicht genau, worüber wir gerade reden", sagte er. Die Zahlen der Flüchtlinge, die untergebracht werden müssen, änderten sich ständig.
Weitere Vorschläge
Während der Diskussion sind viele weitere potenzielle Grundstücke für den Bau von Anschlussunterbringungen genannt worden. Ein paar möchte die Stadtverwaltung nun prüfen. Dazu gehören die Postpakethallen, das Mayer-Areal, bei der Stadtgärtnerei, am Gleisdreieck, auf dem alten Campingplatz, die Aurelis-Linse und der ehemalige Mountain-Bike-Platz. Auch wäre es möglich, den Spielplatz in der Strandbadstraße zu verlegen. Laut OB Martin Staab gehe es nicht ohne einen Spielplatz im Quartier. Wo genau dafür auf der Mettnau Platz wäre, war nicht Thema der Diskussion. Die Verwaltung möchte nun konkret planen, was auf dem Spielplatz auf der Mettnau möglich ist. Erst dann wird der Gemeinde erneut darüber beraten und abstimmen. (ans)