Radolfzell – Es darf aufgeatmet werden. Das Montessori-Kinderhaus steht. Zwölf Jahre trennen die Idee von der Realisierung. Zur Einweihung schickte die Herbstsonne ihre milden Strahlen durch die großen Fensterfronten über das Eichenstäbchenparkett in die schlichte Eingangshalle, in der sich zahlreiche Gäste eingefunden hatten.
Betritt man das Haus durch den Haupteingang an seiner westlichen Seite, dann fällt der Blick auf Regalabteile, in denen Kinder-Hausschuhe ordentlich eingereiht sind. Seit Anfang September werden die ersten Kinder betreut. Doch abgesehen von diesem Indiz weist zunächst nichts auf ein Kinderhaus hin. Hinter der hohen, lichtdurchfluteten Eingangshalle, die sich über zwei Stockwerke erstreckt, könnte man auch eine andere Bestimmung des Hauses vermuten.

Eleganter Charme für die Kinder
Der Architekt Thomas Kauter erklärte, gemeinsam mit den Bauherren sei die Entscheidung für eine reduzierte Formensprache und Farbgebung getroffen worden, um den Kindern Freiraum für Kreativität und Bewegung zu geben. Der geölte Holzbodenbelag zieht sich durch das gesamte Gebäude. Auf Natürlichkeit sei auch beim Verputz des Ziegelbaus Wert gelegt worden, fuhr Kauter fort. Der verwendete Kalkputz sorge für einen guten Feuchtigkeitsausgleich. Insgesamt ist der Innenbereich in drei Erdtönen gehalten, was dem Gebäude einen zurückhaltend eleganten Charakter verleiht.
Gruppenräume, Frischeküche, Elterncafe
"Die Farben bringen die Kinder selbst mit", meint der Architekt. Mineralholzwollplatten an den Decken sollen Kinderlärm schlucken. Kauter bedankte sich bei dem Grundstückseigner und Bauherren, der Messmer Stiftung sowie dem zukünftigen Mieter, der Stadt Radolfzell, die bei Bemusterungsterminen Entscheidungen für hochwertige Materialien getroffen hätten. Den Bauplan veranschaulichte der Architekt an einem langen Holzgestell, das er nach und nach zusammensteckte und schließlich als symbolischen Schlüssel übergab. Von der nord-süd-orientierten Halle aus erstreckt sich ein langer im rechten Winkel angeschlossener Flur, von dem die Gruppenräume abzweigen. An das Foyer angeschlossen sind eine Frischeküche und ein Elterncafé.

Dank an die Architekten
Karl Steidle, Vorstand der Messmer Stiftung, versuchte, das Haus mit Kinderaugen zu sehen. In ihrem Namen bedankte sich dafür, dass innerhalb dieser Mauern laut gelebt, gespielt und gesungen werden könne. Ein Dank ging auch an die Architekten dafür, dass Zeit und Kosten eingehalten worden seien. Gunter Langbein vom Stiftungsrat der Messmer Stiftung wünschte, in diesem Haus möge sich der Grundsatz der Pädagogin Maria Montessori verwirklichen: "Die Aufgabe der Umgebung ist nicht, das Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben, sich zu offenbaren."
Katharina Schreiber hat beharrlich gekämpft
Diesen Leitsatz griff auch Katharina Schreiber, Vorsitzende des Montessori Vereins, in ihrer Dankesrede auf. Als treibender Motor hatte sie sich zwölf Jahre für den Bau des Kinderhauses eingesetzt. Die Idee, einen harmonischen Übergang von der Krippe in den Kindergarten und weiter in die Grundschule nach den Grundsätzen der Montessori Pädagogik zu schaffen, sei von ihren Kolleginnen gekommen. Zwischenzeitlich habe sie den Mut verloren und nur durch die Unterstützung von Judith Keller, die jetzt das Kinderhaus leitet, weitergemacht. Nach manchen Rückschlägen sei sie dankbar für den jetzigen, ursprünglich ins Auge gefassten Standort gegenüber der Sonnenrainschule, der für die Verwirklichung der Ziele des Montessori Vereins ideal sei. Oberbürgermeister Martin Staab bedankte sich für die Beharrlichkeit Schreibers. Zum Spatenstich im Mai 2017 habe er von einer Odyssee gesprochen. Nun sei sie endgültig beendet.
Pfarrer Christian Link und Jörg Waldvogel erbitten den Segen
In einer ökumenischen Weihe erbaten der evangelische Pfarrer Christian Link und sein katholischer Kollege Jörg Waldvogel den Segen für das Haus. An den Reigen der guten Wünsche für das Haus schließt sich zu guter Letzt noch einer an: Arnulf Heidegger, Vorstand der Messmer Stiftung, wünscht, möglichst viele Eltern mögen ihre Kinder hier anmelden.
Zum Kinderhaus
- Bau und Kosten: Das Montessori-Kinderhaus liegt der Sonnenrainschule nördlich gegenüber. Finanziert wurde der Bau von der Messmer-Stiftung. Die Sparkassenstiftung hat mit einer Spende zum Bau beigetragen. Arnulf Heidegger, Vorstand der Messmer-Stiftung sprach von 2,5 Millionen Baukosten.
- Betreuung: Im Kinderhaus am Sonnenrain können 45 Kinder im Alter von vier Monaten bis zum Schuleintritt betreut werden. Es gibt drei altersgemischte Gruppen, eine Krippen- und zwei Kindergartengruppen. Die Einrichtung verfügt über eine Frischeküche, in der vornehmlich regionale und saisonale Lebensmittel verarbeitet werden und die die Kinder mittags versorgt. Die Betreuungszeiten dauern von 7 bis 17 Uhr. (rei)