Christine Göcke

Er spielt Klavier und Keyboard, Saxofon, Mundharmonika, Gitarre, und weitere Instrumente, singt, textet und komponiert und – er ist blind. Wer im Sommer im Eiscafé in der Poststraße ist, hört Michael Haaga dort oft singen und spielen. An lauen Sommerabenden sitzt er mit seinem elektrischen Miniklavier auf der Bank unter den Bäumen, musiziert für Passanten oder gibt Wunschkonzerte. Die Melodien dafür lernt er durch Hören und Nachspielen, bei den Texten ist es etwas komplizierter: „Über eine synthetische Sprachausgabe lasse ich mir die Texte am Computer vorlesen.“ Gerade die barrierefreie Computertechnik eröffnet blinden Menschen neue Welten und bietet Orientierung in der Umgebung. Aber der Musiker textet und komponiert auch selbst, übrigens erstmals als er 18 Jahre alt war: tief gehende emotionale, aber auch sozialkritische Lieder.

Mit fünf Jahren bekam er eine Kinderorgel mit elektrischem Blasebalg geschenkt und begann, nach Gehör Stücke aus dem Radio zu erlernen. Dann folgte ein Instrument nach dem anderen (siehe Kasten). Sein bevorzugtes Instrument ist das Klavier. Aber es gibt nur dann den Ton an, wenn Haaga in der Nähe seiner Wohnung auftritt.

Schon als Jugendlicher hatten ihn Straßenmusiker fasziniert. Dabei dauerte es fast 20 Jahre, bis sich Haaga mit seiner Musik auf die Straße traute. Bevor er 2006 nach Radolfzell zog, lebte Haaga in Villingen-Schwenningen. Dort war die Anonymität der Stadt ein Hindernis für seine Auftritte. Mit dem Umzug nach Radolfzell bekam er Rückenwind für seine Musik. Auch seine Ehefrau Anja unterstützte ihn bei der Straßenmusik. Er wagte sich mit seinen Instrumenten auf die Straße und wird seitdem immer wieder von fremden Menschen angesprochen. Sehende tun sich schwer, Blinde anzusprechen. „Aber die Musik ist wie Reden“, sagt Haaga. Sie verbindet die Welt der Sehenden mit der Welt der Blinden. Und mittlerweile wird Michael Haaga, der bei der Agentur für Arbeit angestellt ist, von den Leuten begrüßt, wenn er mit dem Blindenstock durch die Stadt läuft.

Öffentliche Auftritte hatte der Musiker bereits in der ehemaligen Seranibar im Hotel Adler, in der ehemaligen Lesebucht in Radolfzell und bei der Splitternacht im K9 in Konstanz. Sein größter Wunsch ist es, ein breiteres Publikum für seine Musik zu finden. Wenn die Eisdiele aus der Poststraße Anfang des Jahres in die Seestraße umzieht, will Michael Haaga seinen Standort ebenfalls dorthin verlegen.

Zur Person

Michael Haaga fing mit fünf Jahren an, Kinderorgel zu spielen. Der blinde Musiker und Komponist ist in Markelfingen aufgewachsen und macht seit 40 Jahren Musik. Auf dem Internat in Schramberg-Heiligenbronn lernte der ausgebildete Telefonist Blockflöte. Gitarre und Mundharmonika brachte er sich später selbst bei. In den 90er-Jahren nahm er in der Region an Gesangswettbewerben teil. (chg)

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