Walter Koch und sein Theater, das ist eins. Was er auf der Bühne schafft und seine Lebensüberzeugung lassen sich nicht voneinander trennen. Die ersten Erfahrungen im Schulbetrieb seien für ihn enttäuschend gewesen, erzählt der 66-jährige Sonderpädagoge, Schauspieler und Regisseur im Rückblick: "Der Apparat Bildung war mir zu steif." Deshalb kam schnell die Entscheidung, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Er bot an, mit Schulklassen, die ins Landschulheim gingen, innerhalb von einer Woche ein Theaterstück zu entwickeln. Am Ende der Woche war es bühnenreif. Die Idee hatte Erfolg und zog bald größere Kreise. Mitte der 80-er Jahre sollte in Bremen die Langzeitpsychiatrie aufgelöst werden. Ärzte und Therapeuten fragten Walter Koch, ob er einen Versuch mit den Patienten wagen würde. Koch sagte zu und hatte wiederum Erfolg.
Bei der Theaterarbeit bleibt die Krankenakte geschlossen. Für jeden Menschen, ob mit oder ohne Behinderung, in ärztlicher Behandlung oder ohne, gelten die gleichen Bedingungen: Mitmachen darf nur, wer will. Gesammelt werden alle Ideen, die guten und die schlechten. Die Kurse laufen permanent, über viele Jahre. Ein- und Ausstieg ist jederzeit möglich. Seine Schauspieler würden diesen Ansatz als große Erleichterung empfinden, erzählt Koch. Viele Patienten aus der Langzeitpsychiatrie hätten auf diesem Weg in die Normalität zurückgefunden. Sie erlebten sich wieder als wertvolle Menschen.
Koch veranschaulicht das folgendermaßen: "Wenn in einem Diktat mit 100 Wörtern fünf davon falsch geschrieben sind, können wir uns dann nicht über die 95 richtig geschriebenen Worte freuen? Müssen wir über die fünf Fehler sprechen?" Koch zog zwischen 1984 und 1986 durch Deutschland und begeisterte Patienten aus elf psychiatrischen Kliniken für sein Theater. In Bremen wurde das Atelier Blaumeier gegründet. Hier hat diese Form der Theaterarbeit eine feste Bleibe gefunden.
Vor 15 Jahren kam Koch die Inspiration für eine neues Theaterformat. Während der Lavendelernte in Frankreich saß er morgens auf einem Marktplatz und beobachtete, wie dieser sich mit Leben füllte, mit all den Personen, die in die Stadt gehörten, den Straßenkehrern, den Marktfrauen, dem Pfarrer. Und daraus entstand DoxCity. Der Marktplatz mit den angrenzenden Häusern, der Kirche, dem Rathaus, der Eisdiele werden zur Bühne. Live-Musik und Licht tauchen die Stadt in eine neue Atmosphäre. Bürger spielen kleine für die Stadt typische Anekdoten, ohne zu sprechen. Zu erkennen sind sie nicht, sie tragen überdimensionale Masken während des Spiels. Für die Zuschauer, die auf einer Tribüne Platz nehmen, gibt es in vielen Ecken gleichzeitig etwas zu entdecken.
Die Veranstalterin Victoria Graf hat Kochs Theater vor zwei Jahren zum ersten Mal bei der Kulturnacht in Böhringen erlebt. Für das Stadtjubiläum wollte sie das Geschehen auf den Marktplatz holen. Eineinhalb Jahre Vorlauf brauchte das Mammutprojekt. Die Finanzierung musste auf die Beine gestellt werden. Nicht als leicht erwies sich auch die Suche nach den Räumen für die Proben und die Anfertigung der Masken. Doch es hat geklappt: Waltraud Rasch stellte spontan die Räume der Zeller Kultur zur Verfügung und Virginia Biller gab grünes Licht für ihr Tanzstudio. Etwa 60 Radolfzeller sind derzeit bei den Proben dabei.
Zum Ablauf
- Zur Vorstellung: Am 8., 9. und 10. Juli wird DoxCity auf dem Marktplatz gespielt. Um 20 Uhr können Zuschauer auf einer Tribüne Platz nehmen. Die Vorstellung beginnt um 20.30 Uhr. Etwa 216 Plätze stehen zur Verfügung.
- Reservierung: Resttickets für die drei Aufführungen gibt es ab 20 Uhr an der Abendkasse, so die Information von Victoria Graf. Wer schon im Vorfeld bei der Touristinformation Bändel erworben hat, kann sich das Pfandgeld rückerstatten lassen oder einen Betrag an DoxCity spenden. Ab 18 Uhr wird vor dem Eingang auf dem Marktplatz bewirtet. (rei)