Die Temperaturen spiegeln während der Verhandlung im Rathaus Singen die Lage wider. Draußen Mittagssonne und erhitzte Gemüter, drinnen die kühle Sachlichkeit der Paragrafen und Prozessordnung. Nur der Anwalt der Klägerin gegen das Verbot einer Demonstration auf dem Radolfzeller Luisenplatz war als Prozessbeteiligter anwesend, um einen Gerichtsbeschluss zu erwirken. Bereits am Vortag hatte die Stadt Radolfzell per Fax ihren Fehler anerkannt und keinen eigenen Vertreter mehr zur Verhandlung nach Singen geschickt. Im November letzten Jahres hatte die Stadt Radolfzell eine Demonstration der Antifa zunächst genehmigt. Angemeldet hatte diese die Klägerin des Verfahrens in Singen.
Absage nach Plakatierung
Nach einer Sachbeschädigung des Kriegerdenkmals auf dem Luisenplatz war die Genehmigung am Tag vor der geplanten Demonstration am Volkstrauertag zurückgezogen worden. Unbekannte hatten Plakate mit einer Ankündigung der Demonstration auf den Sockel des Kriegerdenkmals geklebt. Für die Radolfzeller Bürgermeisterin Monika Laule erfüllte dies den Tatbestand der Sachbeschädigung. Die illegale Plakatierung wurde den Organisatoren der Demo zugesprochen. Ein Widerspruch gegen das Verbot der Kundgebung kam zu spät, womit sich die Verwaltungssache eigentlich erledigt hatte.
Da Ende April aber eine weitere Demonstration rechtswidrig eingeschränkt wurde, strebte Anwalt Thomas Neinhaus eine Fortsetzungsfeststellungsklage an, um die Rechtswidrigkeit des Demonstrationsverbots für die Zukunft feststellen zu lassen. Seiner Einschätzung, eine nicht aufgeklärte Sachbeschädigung rechtfertige keinen Einschnitt in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, folgte die Kammer. Der Vorsitzende Richter Wilhelm Treiber betonte, jede Beschränkung müsse abgestuft vorgenommen werden. "Auch der Stadt Radolfzell wird klar geworden sein, dass sie mit ihrer Verfügung über das Ziel hinausgeschossen ist", bewertete er deren Anerkenntnis.
Zufrieden zeigte sich Thomas Neinhaus nach der nur elfminütigen Verhandlung. "Das ist wie gewonnen, wenn sie das anerkennen", sagte er. Außerdem sei er optimistisch, dass das Urteil sich auf künftige Versammlungen positiv auswirke: "Ich könnte mir schon vorstellen, dass man in Zukunft sensibler damit umgeht. Meine Mandantin hat den Beschluss jetzt schriftlich." Der geschichtsträchtige Luisenplatz mit dem Kriegerdenkmal zieht regelmäßig linke wie rechte Aktivisten nach Radolfzell. Das Denkmal mit den zwei Wehrmachtssoldaten steht in der Kritik Gedenkstätte für Rechtsradikale zu sein. Eine Umgestaltung des Platzes ist seit Langem in der Diskussion. Auch ob die Statue komplett abgebaut werden soll. Immer wieder werden die Steinsoldaten mit Farbe beschmiert.