Herr Jung, Sie sind gerade zum zweiten Mal Vater eines Sohnes geworden, herzlichen Glückwunsch, wie heißt er denn?
Herzlichen Dank, er heißt Pascal.
War es Ihnen wichtig, Ihre Frau vor der Geburt Ihres ersten Kindes zu heiraten?
Ich habe meine Frau geheiratet, weil ich sie liebe.
Sie entsprechen damit dem christlichen Idealbild, die Familie als Keimzelle der Gesellschaft. Sind das Ihre Werte, für die Sie als Politiker einstehen?
Der Wertebezug ist mir als Christ sehr wichtig, auch deshalb bin ich eben Christdemokrat. So geht es mir beim Klimaschutz etwa um die Bewahrung der Schöpfung. Doch auch mit denselben Werten kommt man nicht automatisch zum gleichen Ergebnis. Die Frage, ob gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt sein soll, heiraten zu dürfen, beantworten etwa die katholische Kirche und die evangelische Kirche unterschiedlich. Beide gründen aber unzweifelhaft auf christlichen Werten. Und auch innerhalb der beiden Kirchen werden wiederum verschiedene Positionen vertreten. Das zeigt: Wenn es nicht um Glaubensinhalte geht, sondern wie hier bei der Zivilehe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch um eine politische Frage, dann muss das jeder mit sich und mit seinem Gewissen ausmachen.
Sie haben für die Ehe für alle gestimmt. Warum?
Ich habe lange mit mir gerungen, dann aber aus Überzeugung zugestimmt. Homosexualität ist keine Entscheidung, sondern eine Veranlagung. Wir sind alle Kinder Gottes – oder auf badisch: Keiner hat sich selbst gemacht. Wenn gleichgeschlechtliche Paare dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen, dann werden auch hier Werte gelebt. Schon bisher konnte dann etwa ein Partner unterhaltspflichtig werden. Die eingetragene Partnerschaft ist in den Folgen der Ehe gleichgestellt – bei den Steuern zum Beispiel oder im Erbrecht. Trotzdem empfinden viele gleichgeschlechtliche Paare es als Zurücksetzung, dass sie sich nur „verpartnern“ dürfen – aber nicht heiraten. Sollte man diese Unterscheidung also aufgeben? Ich habe für mich letztlich kein überzeugendes Argument mehr dagegen gefunden. Diese Partnerschaften verdienen genauso Respekt und Anerkennung, die Möglichkeit der Ehe ist der Schritt zur vollständigen gesellschaftlichen Gleichstellung.
Haben Sie sich vor der Entscheidung mit Ihrem Umfeld beraten?
Ich habe vor der Entscheidung mit den Menschen aus meinem persönlichen Umfeld gesprochen, auch mit Hans-Peter Repnik, meinem Vorgänger. Alle haben mich ermuntert mit Ja zu stimmen. Auch den CDU-Kreisvorstand hatte ich um ein Meinungsbild gebeten – er unterstützt meine Position mehrheitlich. Freunde und Bekannte haben sich gemeldet, mir zu- oder abgeraten – aber immer in gegenseitigem Respekt
Können Sie verstehen, dass CDU-Wähler Probleme mit der Ehe für alle haben?
Ich bekomme zahlreiche Reaktionen zu der Abstimmung – Zustimmung und Kritik. Ich kann das verstehen und habe Respekt vor der anderen Auffassung, wenn jemand sagt: Für mich bleibt die Ehe die Verbindung von Mann und Frau. Auch in meiner Fraktion hat eine deutliche Mehrheit so entschieden. Ich kann zudem nachvollziehen, wenn das Verfahren kritisiert wird. Der Gesetzentwurf lag zwar schon Jahre im Bundestag vor, seit Winfried Kretschmann ihn mit anderen Ministerpräsidenten eingebracht hat. Aber in der letzten Woche ging alles sehr schnell. Ich hätte mir mehr Zeit gewünscht, um zum Beispiel noch vor der Abstimmung zu einem Gespräch im Wahlkreis einzuladen.
Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der Katholiken, sagt: Es gebe keine Notwendigkeit, verschiedene Dinge wie Ehe und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft als gleich zu bezeichnen. Was entgegnen Sie ihm?
Es geht nicht um Gleichheit, sondern um Gleichbehandlung. Was könnte man dieser entgegenhalten? Nur Mann und Frau können gemeinsam Kinder bekommen. Das ist so und das bleibt so. Andererseits dürfen selbstverständlich auch solche Paare heiraten, bei denen klar ist, dass sie keine Kinder bekommen können – und wir alle sind der Überzeugung, dass das unbedingt richtig ist. Warum? Weil es unabhängig von möglichem Nachwuchs gut ist, wenn zwei Menschen zueinander Ja sagen, füreinander da sind und Verantwortung übernehmen.
Welche Rolle hat die Frage der Adoption durch gleichgeschlechtliche Eltern für Sie gespielt?
Schon heute ist die Adoption eines Kindes durch ein gleichgeschlechtliches Paar möglich: Indem erst der eine Partner das Kind adoptiert und in der Folge dann der andere. Künftig soll ein gemeinsamer Antrag möglich sein. Rechtliche Gleichstellung heißt aber nicht Recht auf Adoption. Entscheidend ist nicht der Wunsch der Antragsteller, sondern das Wohl des Kindes. Es muss wie bisher auch in jedem einzelnen Verfahren sorgfältig geprüft werden.
Noch eine These: Gute und stabile Familienverhältnisse hängen nicht von der rechtlichen Form der Ehe ab. Richtig oder falsch?
Mir persönlich ist es wichtig, dass wir verheiratet sind und unserer Familie diesen Rahmen geben. Andere sehen das anders, leben ohne Trauschein – und erziehen trotzdem mit Liebe und Verantwortung ihre Kinder. Das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Was kann der Staat zu stabilen Familienverhältnissen beitragen?
Der Staat muss Familien mit Kindern besser unterstützen. Durch Wertschätzung, durch finanzielle Förderung, durch Betreuungsangebote, durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das halte ich für eine ganz wichtige Aufgabe – eine solche Politik für die Familie macht für mich das „C“ aus.
Fragen: Georg BeckerZu Person und Thema
- Andreas Jung (42) lebt mit seiner Frau Barbara und den Söhnen Felix und Pascal auf der Reichenau. Jung ist in Stockach aufgewachsen, hat in Konstanz Jura studiert und nach dem zweiten Staatsexamen als Anwalt in einer Wirtschaftskanzlei in Mannheim gearbeitet. Im September 2005 ist er zum ersten Mal für den Kreis Konstanz in den Bundestag gewählt worden. Der Fall der Mauer war für ihn der Auslöser, sich politisch zu betätigen. In der Jungen Union war er Kreisvorsitzender, heute ist er in der CDU Südbaden Bezirksvorsitzender.
- Die Ehe für alle hat der Bundestag am Freitag, 30. Juni 2017, mit 393 Ja-Stimmen, 226 Nein-Stimmen und 4 Enthaltungen beschlossen. Das Abstimmungsverhältnis in der CDU lautete: 75 Ja, 225 Nein, 4 Enthaltungen, 5 Stimmen wurden nicht abgegeben. Weil die Ehe für alle nach wie vor kontrovers diskutiert wird, will Andreas Jung in einer öffentlichen Runde am Samstag, 8. Juli, um 10 Uhr im Radolfzeller Innovationszentrum RIZ, Fritz-Reichle-Ring 6, seine Haltung darlegen und auf Fragen eingehen.