Beim Neun-Euro-Ticket war alles klar: Es lohnte sich in jedem Fall, das Ticket zu erwerben, wenn man auch nur zwei Kurzstreckenfahrten mit dem Seehas in einem Sommermonat vorhatte. Der Nachfolger, das 49-Euro-Ticket, ist in seinem Nutzen für jeden Zuggast schwieriger einzuschätzen. Welche Bilanz ziehen Fahrgäste und Verkehrsbetriebe nach dem ersten Monat seiner Gültigkeit?
Dagmar Grau stammt aus Karlsruhe und ist als Touristin am See – mit dem Fahrrad, das sie ohnehin fast immer dabei hat, wie sie sagt. Gerade hat sie ihren Sohn zur Schwarzwaldbahn am Konstanzer Bahnhof gebracht, sie selbst bleibt noch ein paar Tage. „Wir hätten ganz gern das 49-Euro-Ticket genutzt, aber unsere Bahnfahrt war am 31. Mai.“ Es am letzten Tag des Monats zu erwerben, hätte sich nicht gelohnt, das Ticket gilt jeweils vom ersten bis zum letzten Tag jedes Monats.

Grundsätzlich sei sie aber an einem solchen Ticket interessiert, sagt Grau, sie fahre hauptsächlich Rad, manchmal in Kombination mit dem Zug. „Ein Auto habe ich nicht, auch aus ökologischen Gründen.“ 49 Euro scheinen Dagmar Grau allerdings ein wenig zu teuer, man müsse schon gute Reisegründe in einem Monat haben, um es zu erwerben.
Schüler, Pendler, Studenten – Viele sind begeistert
Mara Kerber nutzt das Deutschlandticket bereits und ist sehr zufrieden. Gerade ist sie mit ihrer Freundin am Konstanzer Bahnhof angekommen. Für ihre Ausbildung zur Konditorin fährt sie täglich morgens um 5.30 Uhr von Gottmadingen nach Engen.
„Als Schülerin habe ich 45 Euro für das VHB-Ticket bezahlt, jetzt zahle ich 49 Euro im Monat und kann mit dem Ticket außerdem noch Ausflüge machen. Das ist natürlich viel besser“, sagt sie. Sie besuche öfter ihre Freundin in Radolfzell und wolle auch mal nach Stuttgart fahren. „Deshalb ist das Ticket perfekt für mich“, sagt die 18-Jährige.
Die Verkehrsbetriebe Hegau-Bodensee (VHB) jedenfalls ziehen eine positive Bilanz des ersten Monats, in dem das 49-Euro-Ticket zu erwerben und nutzbar war. Bisher seien 4000 VHB-Abonnenten auf das Deutschlandticket umgestiegen und nutzten es seit Mai oder ab Juni, wie Anke Wichardt, Leiterin der VHB-Geschäftsstelle, auf Nachfrage berichtet.
Den Start des Tickets schätzt Wichardt als erfolgreich ein. Bis auf wenige Fälle sei es dem VHB gelungen, die von den Kunden bestellten Tickets rechtzeitig auszuliefern. „Es gab auch positive Rückmeldungen und Dankesbriefe“, schreibt Wichardt. Schaffner seien bei der Kontrolle in den Zügen in der ersten Zeit sehr kulant gewesen, da bekannt war, dass die Auslieferung nicht immer pünktlich geklappt hatte.

Auch die Bahn zeigt sich zufrieden mit dem Start des Tickets. „Vier Wochen nach dem Start haben bundesweit knapp zehn Millionen Menschen das Abo abgeschlossen“, schreibt eine Sprecherin der Bahn auf Anfrage. Etwa die Hälfte der Ticket-Abonnenten hätten zuvor noch kein Nahverkehrsabo gehabt. Das Interesse sei weiterhin hoch.
An den langen reisestarken Feiertagswochenenden im Mai gab es zu den klassischen Ausflugszielen ans Meer und in die Berge volle Züge, ergänzt die Sprecherin. „Das war auch in den vergangenen Jahren so. Einen Ansturm wie beim Neun-Euro Ticket haben wir aber bislang nicht beobachten können.“
Mit dem Zug einfach los ins Abenteuer
Elena Hestermann ist um kurz nach 9 Uhr am Bahnhof Petershausen angekommen. Auch sie hat ihr Jobticket auf das Deutschlandticket umgestellt. Sie wohnt in Allensbach und pendelt von dort nach Konstanz-Petershausen und gelegentlich nach Radolfzell zur Arbeit. „Für die Strecken habe ich im VHB-Abo bereits 60 Euro gezahlt“, sagt sie.

Aus ihrer Sicht standen die Kosten für das Pendeln nicht in einem sinnvollen Preis-Leistungs-Verhältnis, zumal sie im Sommer häufig Rad fahre. Jetzt hingegen schon: „Ich werde es sicher auch nutzen, um eine Freundin in Stuttgart zu besuchen oder die Familie in Tettnang und Ravensburg“, sagt sie. „Und um in die Berge zu fahren.“
Mika Reinauer ist Student an der Uni Konstanz und hat das Deutschlandticket noch nicht genutzt. Doch es ist in sein Uni-Ticket integriert, mit dem er zuvor nur im VHB-Bereich mit dem Zug fahren konnte. „Das erweiterte Uni-Ticket brauche ich, um zu meinem Nebenjob in Radolfzell zu kommen“, sagt er.

Über die viel größeren Möglichkeiten habe er sich bislang noch wenig Gedanken gemacht – doch er könne sich gut vorstellen, das 49-Euro-Ticket im Sommer für spontane Reisen durch Deutschland zu nutzen. „Mir haben schon mehrere Leute erzählt, dass sie einfach spontan loszogen und irgendwo ausstiegen. Ich hatte ohnehin eine Deutschlandtour vor, da kommt das Ticket gerade recht.