Hannes Hänßler findet klare Worte: „Dieses Jahr streike ich, weil das Angebot der Arbeitgeberseite absolut inakzeptabel ist.“ Der Mann ist Betriebsrat und Intensivpfleger am Klinikum Konstanz, in der Arbeitszeitverteilung von 70 zu 30 Prozent. Außerdem ist er Verdi-Mitglied und deshalb ohnehin ein Mann, der schon manchen Streik miterlebt hat.

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Wirklich wütend ist er aber über das, was die Vereinigung kommunaler Arbeitgeber anbietet: Im Detail wollen sie den Lohn der Arbeitnehmer in zwei Schritten um drei (2023) und nochmals um zwei Prozent (Juni 2024) anheben, ergänzt durch zwei Einmalzahlungen im Mai 2023 und Januar 2024.

„Bei einer sich fortsetzenden Inflation und einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwei Jahren müssten wir in zwei Jahren 20 Prozent fordern, um unsere Verluste auszugleichen“, sagt er, schüttelt den Kopf und zeigt unmissverständliches Unverständnis. Deshalb also nun der Warnstreik am Mittwoch, 22. März. In Konstanz ist um 12.30 Uhr eine Kundgebung auf der Marktstätte geplant.

„Dienstpläne sind auf Kante genäht“

Auch darüber hinaus gibt es viele Gründe zu zeigen, dass den Pflegekräften die Geduld ausgeht. „Die Arbeitsbelastung ist seit der Pandemie stark gestiegen“, berichtet Hänßler. Etliche Kollegen hätten den Beruf an den Nagel gehängt oder zumindest den Arbeitsplatz gewechselt.

Durch die Pandemie gebe es jetzt einen Stau an Operationen und Behandlungen, die nachgeholt werden müssen. Es seien also mehr OP-Patienten im Krankenhaus, aber auch andere Patienten, die zu Pandemiezeiten einen Krankenhausaufenthalt vermieden hätten und nun schwerer erkrankt seien.

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Die Vielzahl an Patienten habe zur Folge, dass die Pflegekräfte regelmäßig an ihre Grenzen stießen. „Überstunden fallen ständig an, die Dienstpläne sind auf Kante genäht“, sagt Hänßler. Wenn Pflegekräfte krank seien, würden andere, die gerade frei hätten, angerufen und gefragt, ob sie einspringen.

Viele sind aus kollegialen Gründen dazu bereit. Letztlich führe genau dies aber dazu, dass die Pflegekräfte ihre Energie verschleißen, da ihre Freizeit nicht mehr planbar sei und immer wieder unterbrochen werde. „Ich persönlich habe irgendwann gesagt, dass ich nicht mehr einspringe“, sagt Hänßler. Das gelte aber für viele Kollegen nicht.

Hannes Hänßler, Intensivpfleger am Klinikum Konstanz, sagt: „Die Arbeitsbelastung ist seit der Pandemie stark gestiegen.“
Hannes Hänßler, Intensivpfleger am Klinikum Konstanz, sagt: „Die Arbeitsbelastung ist seit der Pandemie stark gestiegen.“ | Bild: Wagner, Claudia

Jenseits der Arbeitsbedingungen lassen Hänßler so manche Ideen des Arbeitgeberverbands schaudern. In der zweiten Verhandlungsrunde forderte die Arbeitgeberseite, den Tarifvertrag zur Zukunftssicherung der Krankenhäuser wieder in Kraft zu setzen. Dieser sehe vor, dass Kliniken in finanziellen Notlagen das Gehalt ihrer Mitarbeiter sogar um bis zu sechs Prozent kürzen dürften. Kliniken in Notlagen – das sind bis zu 60 Prozent der Krankenhäuser momentan. „Das kann nicht sein“, sagt Hänßler, „dieses Vorhaben ist schlicht unverschämt.“

Zehn Patienten auf eine Pflegekraft

Was sich im Alltag der Pflegekräfte ändern müsste: Die Anzahl der zu betreuenden Patienten, in der Regel zehn auf eine Pflegekraft, sei zu hoch. Sie berücksichtige nicht, wie krank die Patienten seien und wie hoch der Betreuungsaufwand. Eine neue Pflegepersonalregelung könnte Abhilfe schaffen, aber sie sei erst ab 2024 zu erwarten.

Angesichts der Lage können sich die Gewerkschaften auf eine breite Rückendeckung der Angestellten im öffentlichen Dienst einstellen. Im Gesundheitswesen jedenfalls sei die Streikbereitschaft extrem hoch, berichtet Hänßler. Am Klinikum nehmen die Streikenden traditionell Rücksicht auf die Notlage der Kranken: Bestreikt wird also lediglich eine Station mit 32 Betten. „Ginge es um die Mitarbeiter, hätten wir aber zehn von zwölf Stationen zum Streik bewegen können.“

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Bei welchem Prozentsatz sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer schließlich einigen, bleibt abzuwarten. Sicher ist: Die zu erwartenden Tarifabschlüsse werden die kommunalen Kassen – ob auf städtischer oder Kreisebene – belasten. Ein möglicher Tarifabschluss in Höhe von 10,5 Prozent würde die Stadt etwa 6,56 Millionen Euro pro Jahr kosten, berichtet Walter Rügert, Sprecher der Stadt Konstanz, auf Nachfrage. Dabei wäre eine Besoldungserhöhung der Beamten, die ab 1. Oktober ansteht, nicht eingerechnet.

OB und Landrat nehmen Stellung

Oberbürgermeister Uli Burchardt und Landrat Zeno Danner sind die Szenarien bewusst. Der Konstanzer OB nimmt maximal diplomatisch Stellung: „Wir brauchen einen guten Kompromiss, der den Beschäftigten in diesen schwierigen Zeiten hilft und dabei die angespannte finanzielle Lage der Kommunen und die Sicherstellung ihrer Zukunftsaufgaben berücksichtigt.“

OB Uli Burchardt erklärt: „Wir brauchen einen guten Kompromiss, der den Beschäftigten in diesen schwierigen Zeiten hilft.“
OB Uli Burchardt erklärt: „Wir brauchen einen guten Kompromiss, der den Beschäftigten in diesen schwierigen Zeiten hilft.“ | Bild: Landratsamt Konstanz | SK-Archiv

Auch Landrat Danner weiß um die prekäre Finanzlage des Gesundheitsverbunds Konstanz, der derzeit jährliche Finanzspritzen aus dem Kreisetat erhält. „Verzwickte Situation“, schreibt er in seiner Stellungnahme auf Anfrage des SÜDKURIER. „Ich hoffe auf eine Einigung zwischen den Tarifpartnern, die sowohl die große Leistung der Gesundheitsberufe würdigt, als auch die finanziell defizitäre Lage des Gesundheitswesens berücksichtigt.“

Land­rat Zeno Danner erklärt auf SÜDKURIER-Anfrage: „Ich hoffe auf eine Einigung zwischen den Tarifpartnern.“
Land­rat Zeno Danner erklärt auf SÜDKURIER-Anfrage: „Ich hoffe auf eine Einigung zwischen den Tarifpartnern.“ | Bild: Landratsamt Konstanz
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