Endlich ist er weg, sagen die einen. Etwas unsicher sind dagegen die anderen: Der Grenzzaun, der Konstanz und Kreuzlingen neun Wochen lang getrennt hatte, spaltet die Gemüter. Das hat die Universität Konstanz in Zusammenarbeit mit der Initiative DenkRaumBodensee in einer wissenschaftlichen Umfrage zur coronabedingten Grenzschließung in der Bodenseeregion herausgefunden.
Das Ergebnis ist sehr differenziert
Während zu Beginn der Corona-Krise 65 Prozent der Umfrageteilnehmer die Grenzschließung zur Schweiz befürworteten, änderte sich die Meinung kurz vor Öffnung der Grenze. Zwar sahen Anfang Juni rückblickend zwei Drittel der Befragten – und damit immer noch die deutliche Mehrheit – die Grenzschließung als sinnvoll an, der Anteil der Skeptiker stieg jedoch auf etwa 20 Prozent an. Gleichzeitig halten auch nach Aufhebung der strikten Grenzschließung immerhin 40 Prozent der Befragten Grenzkontrollen weiterhin für sinnvoll.
Kontrollen werden skeptisch betrachtet
Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Eher gut gebildete Umfrageteilnehmer stehen weiteren Kontrolle skeptisch gegenüber. Allerdings: Je nachdem, wie bedroht sich die Teilnehmer durch das Coronavirus fühlten, überlagerte sich ihre Wahrnehmung. „Diejenigen Personen, die die Lockerungspolitik als zu früh und zu weitreichend empfinden, befürworten erwartungsgemäß sehr deutlich ein strikteres Grenzregime. Umgekehrt befürworten Personen, die durch die Corona-Maßnahmen die Demokratie in Deutschland geschwächt sehen, eher ein schwächeres Grenzregime“, fassen es die Forscher zusamen.

„Diese beiden Ergebnisse spiegeln das Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch nach Wiederherstellung der Freizügigkeit und dem Wunsch nach einer effektiven Eindämmung der Pandemie durch Reise- und Kontaktbeschränkungen wider. Gerade in Grenzregionen ist beides gleichzeitig schwer zu erreichen“, erklären die Forscher. Die Grenzschließung habe gezeigt, dass es heutzutage nicht mehr so einfach möglich ist, sich national abzuschotten, sagt Franziska Spanner, die die Online-Umfrage ausgewertet hat.
„Offene Grenzen bedeuten viel mehr als einmal im Jahr Italien-Urlaub.“
Die einfache Überwindbarkeit von Grenzen – zumindest in Europa – sei zu etwas Selbstverständlichem geworden. „Unsere Befragung zeigt auch, dass nicht nur die Wirtschaft unter der Schließung von Grenzen leidet, sondern auch die Menschen“, schlussfolgert Spanner. Plötzlich habe man nicht mehr unbekümmert zur Arbeit oder zur Familie gehen können. „Offene Grenzen bedeuten viel mehr als einmal im Jahr Italien-Urlaub. Vielleicht lernen wir nun auch, offene Grenzen wieder mehr zu schätzen und zu bewahren“, sagt sie.
Je 1400 Menschen haben an vier Online-Umfragen teilgenommen. Die Mehrheit der Befragten kommt aus Konstanz. Nur sieben Prozent stammen aus der Schweiz oder Österreich.