Jedes Krankenhaus, das ein onkologisches Zentrum unterhält, muss auch über eine Palliativstation verfügen. So sieht es der Gemeinsame Bundesausschuss, das höchste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen, vor.
Das Singener Krankenhaus unterhält schon lang ein onkologisches Zentrum, hatte aber bisher keine Palliativstation. Jetzt ist diese mit zehn Betten am Freitag, 27. Januar, eröffnet worden.

Was genau versteht man unter Palliativmedizin? „Es geht um Patienten mit weit fortgeschrittenen chronischen Erkrankungen. Um Menschen, bei denen auch die fortschrittliche Medizin keine Heilung mehr bringen wird“, sagt Frank Hinder, ärztlicher Direktor des Hegau-Bodensee-Klinikums, bei der Eröffnung der Station 18 in Singen.
Die palliativ zu behandelnden Patienten hätten oft schwere Symptome wie Übelkeit, Luftnot oder starke Schmerzen. „All das macht Angst“, sagt Hinder. Auch ein Satz wie „Sie sind austherapiert“ sei nur schwer zu ertragen. An dieser Stelle setzt die Palliativmedizin an.

Es geht darum, Symptome medikamentös zu lindern, aber auch um Zuwendung, Zeit und Gespräche. Auch die Therapieformen sind breiter. Neben der klassischen Schulmedizin kommen Mittel der komplementären Pflege zum Einsatz, erläutert Jan Harder, Chefarzt der Gastroenterologie, Onkologie und Palliativmedizin, wie etwa Wickel, Auflagen, der Einsatz von Aroma-Öl, Massagen und Lymphdrainagen.
Der Unterschied zu einem Hospiz sei dabei, dass auf der Palliativstation noch intensiv therapiert werde. Im Hospiz wiederum sei keine differenzierte Behandlung mehr vorgesehen. Es ist auch nicht selbstverständlich, dass Patienten ausschließlich in den letzten Wochen ihres Lebens palliativ behandelt werden.
„In etwas selteneren Fällen kommen auch Patienten auf diese Station, die am Beginn einer schweren Diagnose stehen und in diesem Moment mit weiteren sozialen und psychischen Problemen konfrontiert sind“, erläutert Harder.
Hier ist es langsamer, stiller und auch wohnlicher
Auch Claudia Keller, Pflegedirektorin am Hegau-Bodensee-Klinikum, betont, dass eine Palliativstation etwas Besonderes sei. Die Pfleger haben wesentlich weniger Patienten zu betreuen und deshalb mehr Zeit für die Kranken und ihre Angehörigen.
Die Station 18 selbst unterscheidet sich auf den ersten Blick wenig von anderen Abteilungen. Dann aber wird deutlich: Es geht hier langsamer, stiller und wohnlicher zu als auf betriebsamen Stationen an anderen Stellen des Krankenhausbetriebs.
Das noch frisch eingerichtete Zimmer ist nur für einen Patienten gedacht, am Bett steht ein bequemer Besuchersessel. An der Wand hängen in jedem Zimmer Bilder des Fotografen Werner Krämer mit Naturmotiven aus Singen und dem Bodenseeraum.
Es gibt eine Angehörigen-Küche, in der sich die Besucher einen Tee oder sogar ein kleines Essen zubereiten können – oder sich zum Gespräch zusammenfinden. Oft übernachten Angehörige mehrere Nächte lang auf dieser Station, weil sie ihre schwerkranken Verwandten bis zum Tod begleiten wollen.

Warum aber hat die Einrichtung dieser Station nun so viel Zeit in Anspruch genommen? Bernd Sieber, Geschäftsführer des Gesundheitsverbunds Kreis Konstanz (GLKN), sagt, er habe den Plan, die Station einzurichten, nie aus den Augen verloren. „Ich kann jedoch nur für die drei Jahre sprechen, seit ich Geschäftsführer bin.“
Hier arbeiten speziell ausgebildete Pflegekräfte
Zuvor habe es bereits Palliativzimmer gegeben, allerdings in dezentraler Form, auf verschiedene Stationen verteilt. Verzögert habe sich die Einrichtung auch durch die Pandemie, in der die Prioritäten anders gesetzt wurden.
Im Gegensatz zu anderen Abteilungen, die sich schlecht finanzieren, weil ökonomisch lukrative Eingriffe fehlen, arbeiten Palliativstationen in der Regel kostendeckend, erklärt Jan Harder. Dort werde nicht nach Fallpauschalen abgerechnet wie sonst im Gesundheitswesen.
Die Arbeit auf der Palliativstation bleibt eine Aufgabe, die den Pflegekräften und den beiden dort tätigen Ärzten Ernsthaftigkeit und Reife abverlangt. Die Pflegekräfte sind speziell ausgebildet und erhalten Supervision, also professionelle Beratung und Begleitung.
Das Team arbeitet viel intensiver zusammen, die Mitarbeiter sind auch für seelsorgerische und spirituelle Belange offen. Hektik – sie findet anderswo im Klinikbetrieb statt. Nur etwa 50 Prozent der Patienten werden von der Station entlassen, die Hälfte der Patienten stirbt dort.