Steilwand an Steilwand. Wer im Kletterwerk in Radolfzell ohne Seil und Sicherung klettern will, die Szene spricht von bouldern, stößt auf eine gewisse Eintönigkeit. Dies soll sich voraussichtlich ab September ändern. Die Konstanzer Sektion des Deutschen Alpenvereins mit ihren 10.398 Mitgliedern in Konstanz, Radolfzell und Singen nimmt rund 430.000 Euro in die Hand, um unter anderem im Boulder-Bereich neue Wände mit verschiedenen Neigungswinkeln zu errichten. Nach dem Umbau sollen sich hier Anfänger und Fortgeschrittene wohl fühlen, die geschmeidigen Kletterer ebenso wie die, die den Kraftakt lieben.
Der Alpenverein packt damit die Modernisierung eines wichtigen Zugpferds an. Denn das Kletterwerk zieht viele junge Menschen an. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Mitglieder von 6600 auf über 10.000 gestiegen. Dies legte der Vorsitzende Nils Weidmann in der Hauptversammlung der Sektion in Konstanz dar. Ums Kletterwerk herum sind 16 Jugendgruppen gewachsen, die meisten führen inzwischen lange Wartelisten.
Bouldern gilt als der einfache Einstieg ins Klettern
Die Wände und Routen sind beim Bouldern so gestaltet, dass der Absprung auf weiche Matten in der Regel gefahrlos möglich ist. Kletterschuhe kann man sich in der Halle leihen. Das klassische Klettern mit Seilsicherung erfordere dagegen einiges an Vorwissen, sagt Georg Fleischmann, Betriebsleiter des Kletterwerks, auf Nachfragen.
Mit den Neuerungen in mehreren Bauschritten soll auch neben der heutigen Spielecke eine neue Grotte zum spielerischen Bouldern für Kinder entstehen. Außerdem ist geplant, die Empfangstheke und das Bistro neu zu gestalten, ebenso den Bereich für die Ausbildung. Es soll mehr Platz für Treffen und individuelle Schulungen entstehen.
Sektion nutzt Zwangspause für Verlegung einer Treppe
Ein erster baulicher Eingriff wurde in den zwei Monaten vorgenommen, als die Halle wegen der Corona-Pandemie geschlossen war. Der Vorstand hatte dafür 50.000 Euro freigegeben. Der Verein reagierte auf eine neue Rechtsprechung und schaffte durch die Verlegung einer Treppe neue Sicherheitsabstände zum Kletterbereich.
Trotz der Einnahmeausfälle und Unsicherheiten bei der künftigen Finanzplanung wegen der Corona-Pademie haben sich mehr als 70 Mitglieder bei der Hauptversammlung einstimmig für die Großinvestition entschieden. Sie folgten der Einschätzung des Vorstands und des Betriebsleiters des Kletterwerks, dass der Verein jetzt Geld in die Halle stecken müsse, um den modernen Anforderungen an eine Boulder-Anlage gerecht zu werden. Die Sektion muss dazu nach Berechnungen des Schatzmeisters Alexander Schäkel bis zu 366.000 Euro an Krediten neu aufnehmen. Der größte Verein im Landkreis geht davon aus, dass sich die Investition lohnen wird.
Mit der Neuausrichtung des Kletterwerks verabschiedete sich Hans Wölcken aus der Sektion für die Kletterhalle. „Das war Dein Baby“, sagte rückblickend der zweite Vorsitzende Bernd Teufel. Wölcken habe das Kletterwerk vor 15 Jahren gegen viele Widerstände im damaligen Vorstand durchgesetzt. Damals habe der Verein 3000 Mitglieder gehabt, die Buchhaltung passte in ein Heft, wie sich Wölcken erinnerte. Heute verwaltet die Konstanzer Sektion des Alpenvereins einen Millionen-Etat und drei Immobilien.
All dies sei auf ehrenamtlicher Basis nicht mehr zu leisten gewesen, stellte Nils Weidmann fest. Der Verein hat seit Jahresbeginn einen angestellten Geschäftsführer, den gebürtigen Schwarzwälder Helmut Norwat. Der frühere Personalchef eines Tettnanger Outdoor-Unternehmens sagte, er sei noch dabei, sich in alle Abläufe einzuarbeiten.
„Der Verein steht in allen Bereichen gut da“, stellte der Schatzmeister Alexander Schäkel fest. Selbst im Jahr 2019, als Investitionen in die beiden Berghütten des Vereins anstanden, sei der Abschluss besser ausgefallen als geplant. Statt auf ein Minus von 45.000 Euro kam der Verein auf ein Plus von rund 80.000 Euro. Das Kletterwerk hatte trotz höherer Ausgaben deutlich mehr erwirtschaftet als erwartet, auch die Einnahmen aus Buchungen der Hütten und von Kursen waren gestiegen. Unter anderem verfügt die Sektion über die Rücklagen zum Kauf des Geländes des Kletterwerks von der Stadt Radolfzell. Der entsprechende Notartermin ist nach Angaben des Vorstands in Sicht.
Jugendreferent Arne Aerts erhält Riesenapplaus
Wie gut die Stimmung unter den jungen Mitgliedern des Alpenvereins ist, zeigte sich bei der Verabschiedung des Jugendreferenten Arne Aerts. Nach fünf Jahren ehrenamtlicher Arbeit verabschiedeten ihn Jugendliche mit Riesenapplaus und persönlichen Geschenken und Reden.