Wenn die Mahlzeit auf dem Teller zu grün aussieht, lehnen viele Kinder dankend ab. Auch püriertes Gemüse in Saucen oder lustige Gemüsegesichter werden oft nur schräg angeguckt. Wenn Eltern trotzdem immer wieder versuchen, Gesundes in die Kindermägen zu bringen und dabei gnadenlos am Widerstand der Kleinen scheitern, ist Unheil programmiert.
„In vielen Familien führt Essen zum Stress“, bestätigt Tanja Tritschler-Haupenthal, Leiterin des Startpunkts in Dettingen, einer Anlaufstelle für Familien. Sie ist außerdem zertifizierte Elternberaterin und Mutter von drei Kindern. „Dabei sollten die gemeinsamen Mahlzeiten ein schöner Treffpunkt für die Familie sein, gesellig und gemütlich“, sagt sie.

Damit aus der schönen Theorie auch Wirklichkeit werden kann, hat sie einen grundsätzlichen Rat: „Eltern sollten den Druck rausnehmen und den Fokus nicht zu sehr aufs Essen legen.“ Das heißt: Nicht meckern, wenn das Kind schon wieder ein mit viel Liebe zubereitetes Gericht nicht kosten will. „Wird es zum Probieren gezwungen, reagiert es erst recht mit Abwehrhaltung“, sagt Tanja Tritschler-Haupenthal.
Kinder lieben Süßes und Salziges
Genauso sieht es Elina Batzel, Ernährungsberaterin aus Konstanz: „Bei Zwang kann die Abneigung gegen ein Lebensmittel lebenslang bleiben“, sagt sie. Batzel erläutert, warum Kinder grundsätzlich nicht gern Gemüse essen: „Kinder haben genetisch bedingt eine Vorliebe für Süßes und Salziges, so schmeckt auch die Muttermilch. Bei fester Nahrung suchen sie dann nach Geschmackserlebnissen, doch Gemüse ist oft bitter.“

Auch die Farben sind oft ein Problem: „Grün und Rot erkennen Kinder anfangs als Warnfarben.“ Unsere Vor-Vor-Vorfahren wussten: Diese Lebensmittel können giftig sein. Deshalb rät Elina Batzel: „Auch mal andere Farben anbieten!“ Die Ablehnung der Kinder gegenüber Gesundem habe daher „nichts mit bewusstem Widerstand gegenüber den Wünschen der Eltern zu tun“, so Batzel.
Der richtige Weg sei es, beim Thema Ernährung entspannt zu bleiben, selbst wenn es nicht nach Plan läuft. Darin sind sich beide Expertinnen einig. „Eine mir bekannte Kinderkrankenschwester sagt immer: Die Kinder haben eine Lebenserwartung von rund 90 Jahren. Da ist es nicht schlimm, wenn sie mal ein Jahr lang nur Nudeln essen“, sagt Tanja Tritschler-Haupenthal. „Bei gesunden Kindern holt sich der Körper, was er braucht.“
Wichtig ist wie bei allen Erziehungsthemen vor allem die Vorbildfunktion von Mama und Papa: „Wir sollten schauen, wie wir als Eltern zu uns nehmen“, sagt die Elternberaterin. „Wann sehen uns die Kinder essen? In Ruhe am Tisch oder hektisch zwischendurch? Sehen sie uns genüsslich in Brokkoli und Blumenkohl beißen?“
Tanja Trischtler-Haupenthal und Elina Batzel sind sich sicher: „Wenn regelmäßig nicht nur Nudeln, sondern dazu auch Sauce und gesunde Beilagen auf dem Tisch stehen, erledigt sich das Thema mit der Zeit von selbst. Den Kindern werden die trockenen Beilagen allein irgendwann langweilig.“

Die wichtigsten Tipps für Eltern bei Gemüseverweigerern
- Stress und Druck rausnehmen beim Thema Essen. Es soll Spaß machen und nicht zum Dauerkonflikt werden.
- Wenn Kinder sehen, dass Eltern gern und oft Obst und Gemüse essen, werden sie es irgendwann auch probieren. Das erfordert Geduld.
- Kinder müssen Zutaten 30 bis 60 Mal kosten, bevor sie wissen, ob sie ihnen schmecken. Also einfach immer wieder abwechslungsreiche Gerichte anbieten.
- Keine Extramenüs für wählerische Kinder kochen! Zur Not essen sie von den gesunden Gerichten tagelang nur die Beilage oder ein Stück Brot. Satt werden sie davon auch.
- Jeden Probierversuch loben, auch wenn nur eine Erbse gekostet wurde. Nicht versuchen, noch mehr davon ins Kind hineinzubringen, wenn es ihm nicht schmeckt.
- In Gesellschaft (zum Beispiel in der Kita) essen Kinder oft besser, weil sie sehen, dass andere auch probieren. Daher gern öfter mit einer befreundeten Familie treffen und abwechselnd kochen. Das spart auch noch Arbeit.
- Gemeinsam mit den Kindern einkaufen, pflanzen oder pflücken und zubereiten. Manchmal hilft dies bei der Akzeptanz gesunder Zutaten.
- Unterschiedliche Konsistenzen von Gemüse ausprobieren (gegart, gegrillt, püriert).
- Kinder brauchen nicht ständig eine Brezel oder Maiswaffel in der Hand! Zwischenmahlzeiten sind legitim, sollten aber nicht überhandnehmen, sonst fehlt der Hunger fürs Mittagessen.
- Wenn Zwischenmahlzeiten angeboten werden, am besten vitaminreich (Rohkost oder Obst).
- (Kleinere) Kinder sollten Essen mit allen Sinnen entdecken dürfen, auch mit der Hand. Um Karottenflecken auf T-Shirt und Tischdecke zu vermeiden, am besten vorher alles aus dem Weg räumen, was nicht dreckig werden soll. Dann entsteht kein Frust über noch mehr Wäsche.