Vor Kurzem hat die Bundesregierung den Impfstoff Astrazeneca für alle freigegeben. Er wird in den Hausarztpraxen verimpft. Wie hoch ist die Nachfrage und was bedeutet das für die Ärzte? „Den Boom gibt es definitiv“, sagt Petra Zantl, niedergelassene Ärztin in Konstanz. Seit Astrazeneca für alle, die wollen freigegeben ist, bekomme die Praxis etliche Mails täglich sowie sehr viele zusätzliche Telefonanrufe.
Astrazeneca für die Arztpraxen
Die Arztpraxen bekämen im Moment den Impfstoff Astrazeneca, während die Impfzentren Biontech erhalten. „Das führt dazu, dass einige Patienten ihre Astrazeneca-Termine bei uns absagen, sobald sie einen Biontech-Termin im Impfzentrum bekommen“, sagt Zantl. Dieses Verhalten führe zu einem großen logistischen Aufwand. „Ich habe eine Arzthelferin, die ausschließlich Terminlisten führt.“
Biontech ist eher Mangelware
An Astrazeneca fehle es nicht, Arztpraxen dürften so viel wie gewünscht davon bestellen. Bei Biontech sei die Lage unterschiedlich, in dieser Woche sei wenig verfügbar, es dürfe daher nur für die Zweitimpfung eingesetzt werden. Petra Zantl und ihre Kollegin schaffen in ihrer Gemeinschaftspraxis etwa 80 Impfungen pro Woche. Die Nachfrage sei hoch, in erster Linie meldeten sich Personen der Altersgruppe zwischen 20 und 40 Jahren, mehr Männer als Frauen.
Neben dem Aufwand, den die Terminabsprachen verursachen, sorgt sich Zantl noch um ein anderes Thema. Viele Patienten wollten nun die Zweitimpfung für Astrazeneca früher bekommen, nicht erst nach zwölf Wochen. „Das halte ich medizinisch nicht für vertretbar“, sagt Zantl. Sie verstehe, dass es politisch sinnvoll sei, früher zu impfen – für den Impfschutz sei es nicht förderlich. Für sie komme eine frühere Zweitimpfung daher nicht infrage (siehe Infoelement).
„Erreichbarkeit der Praxis leidet“
Auch Max Ottinger, der eine Praxis in Konstanz-Dingelsdorf betreibt, berichtet, dass die Freigabe von Astrazeneca in der Handhabung Probleme bereitet. „Die Erreichbarkeit unserer Praxis leidet darunter“, sagt er. Dass die Priorisierung in Arztpraxen aufgehoben worden sei, mache die Sache nicht besser. Grundsätzlich sei er allerdings mit dem Impffortschritt sehr zufrieden. „Wir kommen gut voran. Die Menge an Biontech-Impfstoff, die wir hatten, hat meine Kapazität ausgelastet.“
Keine Debatte zur Verkürzung der Frist
Auch Ottinger schafft es, 70 bis 80 Dosen pro Woche zu verimpfen. „Astrazeneca zusätzlich dazu zu nehmen, schaffe ich zeitlich gar nicht“, sagt Ottinger. Zudem halte er ebenfalls nichts davon, die Zeit bis zur Zweitimpfung zu verkürzen. Er habe nur eine Impfrunde mit Astrazeneca für zehn Patienten angeboten. „Ich habe ihnen erläutert, dass sie in meiner Praxis die Zweitimpfung erst nach zwölf Wochen bekommen“, sagt Ottinger. Weiter will er nicht in die Diskussion um die Verkürzung der Frist bis zur Zweitimpfung einsteigen.
Auch bei Edgar Thimm, Hausarzt in Radolfzell, ist die Nachfrage nach Impfterminen hoch. „Wir haben bisher 840 Anfragen erhalten“, schreibt er. Astrazeneca werde teilweise sehr schlecht angenommen – auch in der Altersgruppe über 60 Jahre, für die eine Empfehlung vorliege. „Jetzt fragen vereinzelt jüngere Patienten an, die alle Impfstoffe nehmen würden. Wir bestellen aber kein Astra neu für die Jüngeren.“ Die Freigabe bereite im Moment eher Probleme, so der Eindruck Thimms. Sie steigere die Erwartungshaltung der Menschen, schnell eine Impfung zu bekommen. „Wir behalten weiter die Priorisierung bei und entscheiden selbst nach Dringlichkeit“, schreibt er.
Birgit Kloos, Hausärztin in Singen und Pandemiebeauftragte des Landkreises, bestätigt den Trend. Seit die Priorisierung in Arztpraxen wegfalle, sei die Nachfrage gestiegen – in erster Linie nach dem Impfstoff von Biontech. Zwei Faktoren ärgerten die Kollegen: Zum einen der Abstand zwischen den Impfungen, der aus ärztlicher Sicht zwölf Wochen betragen muss. „Unser Auftrag ist, die Patienten durch einen wissenschaftlich gesicherten Impfabstand vor Ansteckung, Erkrankung oder Tod zu schützen, nicht Urlaube oder Einkäufe zu ermöglichen“, schreibt Kloos.
„Biontech wird in den Praxen gebraucht“
Zweitens sei es nicht optimal, dass in den Kreisimpfzentren (KIZ) Biontech verimpft werde – das aber für die jüngeren Impfwilligen in den Praxen gebraucht werde. In Impfzentren besteht die Priorisierung weiterhin, während sie in den Praxen aufgehoben ist. Die zusätzliche Aufklärung bei Astrazeneca, wenn man den Impfstoff an junge Menschen gebe, sei zeitaufwendig und senke die Bereitschaft der Hausärzte, Astrazeneca zu bestellen.