Die Doppeldeutigkeit ist bewusst gewählt. "Mehr Konstanz im Leben", so steht es in Zeitungsanzeigen, auf Plakaten und auf den großen roten Bussen. Konstanz, das ist einerseits die Stadt, um die es geht und in der das werbende Unternehmen tätig ist. Konstanz, das bedeutet aber auch Beständigkeit, Verlässlichkeit, Risikominimierung. Dazu kommen Bilder von Menschen wie du und ich: Bürger oder Geschäftsleute aus Konstanz (erste Silbe betont), die auf Konstanz setzen (wahlweise erste oder zweite Silbe betont).
Wenn man mit Jens Schröder und Achim Günter spricht, wird schnell klar: Auf diesen Spruch "Mehr Konstanz im Leben" sind die beiden ziemlich stolz. Die Geschäftsführer der Konstanzer Agentur Vergissmeinnicht sind am Dienstag, 7. Februar, um 19 Uhr die nächsten Gäste in der Gesprächsreihe "Überraschende Perspektiven" von IHK und SÜDKURIER im neuen Konstanzer Domizil der Industrie- und Handelskammer. Und sie sind überzeugt: Für die Stadtwerke Konstanz, einen ihrer wichtigen Kunden, haben sie den perfekten Slogan gefunden. Claim heißt das in der Werbesprache, und wörtlich übersetzt bedeutet das englische Wort so etwas wie Anspruch. Denn "Mehr Konstanz im Leben" ist, da sind sich Schröder und Günter ganz sicher, mehr als ein Werbespruch. Es ist die Zusage einer Leistung, die die Kunden einfordern können.
Wie kommt man auf so etwas? "Das hat ganz viel mit Marke zu tun", sagt Schröder. Sein Unternehmen ist darauf spezialisiert, Unternehmen, Produkte oder Dienstleistungen unverwechselbar zu machen und Wege zu finden, dieses Besondere an die Kunden zu transportieren. Denn in einer Welt, in der tausende Markennamen Tag für Tag auf die Konsumenten einstürzen, müssen Firmen immer schneller ihren Weg in die Wahrnehmung, in die Gehirne und in die Herzen derer finden, die auswählen können, wofür sie ihr Geld ausgeben.
Mit Bauchgefühl kommt man dabei nicht weit, sagt Achim Günter. Mehr noch als die Platzierung von Werbebotschaften ist der Aufbau einer Marke längst zu einem wissenschaftlich aufgeladenen Prozess geworden. Neuromarketing nennen die beiden Agentur-Chefs das. Wenn Entscheidungen unbewusst fallen, müssen Bilder oder Claims am Unbewussten ansetzen. Innerhalb von Sekundenbruchteilen und zugleich so, dass etwas hängen bleibt.
Dreh- und Angelpunkt sind dabei zwei Begriffe, sagen die beiden Agenturchefs in ihrem Büro am Konstanzer Münsterplatz: Marke und Zielgruppe. Oder anders gesagt: "Wer bin ich und wer ist mein Kunde?" Was sich nach zwei simplen Fragen anhört, ist in Wirklichkeit ziemlich komplex. Wer Beratung verkaufen will, wird wohl immer so argumentieren, räumt Schröder ein, aber: "Es ist gar nicht so einfach, das zu beantworten. Denn man muss sich auch im Klaren darüber werden, wer man nicht ist und wen man als Kunden nicht haben will oder muss."
Bei Werten ansetzen
Also, Marke, was ist das? "Nichts Künstliches", da ist sich Jens Schröder ganz sicher. Wer nur eine bunte Welt aus Begriffen und Bildern um sein Unternehmen herum erfindet, ist nicht glaubwürdig. Erfolgreiche Marken setzen dagegen an Werten an. Welche aus einem Repertoire von neun bis zwölf Kernwerten das sind, hänge vom Unternehmen ebenso ab wie von Kunden. Sicherheit, Leistung, Tradition können es sein, aber auch Spaß oder Neugier. Wer davon einige nachweisbar lebt und in Produkte umsetzt, wird Kunden finden, denen diese Werte wichtig sind. Agenturchef Günter nennt Autokäufer als Beispiel: "Wer auf Tradition steht, wird Mercedes wählen, wem Spaß wichtig ist, wählt BMW. Und VW?"
"Eine Marke ist ein kostbares Gut", fasst Schröder den Diesel-Skandal in einem Satz zusammen, "was über Jahrzehnte aufgebaut wurde, kann in kürzester Zeit zerstört werden, und zwar in aller Regel durch Fehlverhalten von Mitarbeitern." Damit das nicht passiert, müsse das ganze Team die Marke leben und so auch Verantwortung für das Unternehmen und die eigenen Arbeitsplätze übernehmen.
Und weil ohne den Prozess nach innen eine Kommunikation nach außen nach seiner Überzeugung sinnlos ist, rückt Jens Schröder schon auch mal mit zahllosen Sortierboxen voller Lego-Steine bei einem Kunden an: Intuitiv sollen die Mitarbeiter erst einmal mit den kleinen Plastiksteinen bauen, was ihnen im Kopf herumgeht. "Die Ergebnisse sind beeindruckend", sagt Schröder, "so schnell kommt man mit kaum einer anderen Methode auf den Punkt."
Auch bei den Konstanzer Stadtwerken wurde mit Lego gebaut, verrät Jens Schröder. Wer dabei an Kinderkram dachte, war schnell eines Besseren belehrt. Am Ende stand mehr als ein Claim. So wie das Armband der Uhr an Schröders Handgelenk mehr ist als ein Accessoire: Es ist blau. Vergissmeinnicht-Blau. Wie die Wand im Büro oder der konsequente Verzicht auf Krawatte. "Das", lacht Schröder, "ist Marke".
Austausch mit Werbeprofis
Überraschende Perspektiven: Diese neue Veranstaltungsreihe von SÜDKURIER und IHK geht am Dienstag, 7. Februar, in Konstanz in die nächste Runde.
- Die Idee: Gesellschaftlich wichtige Themen und ihre Bezüge zur Wirtschaft und zum Alltagsleben stehen im Vordergrund des neuen Angebots von SÜDKURIER und Industrie- und Handelskammer. Die Reihe mit dem Titel Überraschende Perspektiven steht unter einem Jahresmotto – bis Sommer 2017 lautet es Vertrauen. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung per E-Mail aber unbedingt erforderlich: teilnehmen@suedkurier.de
- Die Termine: Nach dem sehr gut besuchten Auftakt am 4. Oktober, geht es weiter am Dienstag, 7. Februar, um 19 Uhr; der Abend kreist um die Themen Vertrauen in Marken und Vertrauen beim Kunden. Am Dienstag, 2. Mai, geht es um Vertrauen am Arbeitsplatz.
- Die Gäste: Achim Günter und Jens Schröder, beide Werbeagentur-Profis mit mehreren Jahrzehnten Berufserfahrung, haben seit 2008 ihre eigene Agentur namens Vergissmeinnicht aufgebaut. Vor einem Jahr ist sie von Überlingen an den Konstanzer Münsterplatz umgezogen. Mit ihnen spricht am 7. Februar SÜDKURIER-Redakteur Jörg-Peter Rau. (sk)