Arne Engeli war elf Jahre alt, als er erstmals mit den Folgen des Kriegs konfrontiert wurde. Der heute 83-jährige Romanshorner erinnert sich, wie er im Jahr 1947 durchs kriegszerstörte Deutschland in die Heimat seiner Mutter nach Dänemark fuhr. Auf dem Weg dorthin sei er hungernden Kindern und Schaffnern begegnet, die um Essen bettelten, und er habe die vielen zerstörten Häuser gesehen. Bei seiner früheren Arbeit für das evangelische Hilfswerk Heks im ehemaligen Jugoslawien traf er wieder auf Leid und Zerstörung durch Krieg. Er lernte aber auch Menschen kennen, in denen der Krieg Kräfte zum Widerstand geweckt hatte, die sich für Friedensgebete und Friedenstreffen engagierten. Arne Engeli gehört selbst zu einem der Dauerläufer in der Friedensarbeit. Seit 35 Jahren ist er dort aktiv, auch am Ostermontag, 22. April, beim Internationalen Bodensee-Friedensweg in Konstanz und Kreuzlingen.
Bodenseeraum soll "Friedensregion" werden
Die Organisatoren erwarten rund 1000 Teilnehmer aus dem Bodenseeraum. Sie fordern den Umbau der "Rüstungsregion Bodensee" zur "Friedensregion". Die Initianten verweisen auf die Ballung von 18 Rüstungsbetrieben am Bodensee. Allein auf deutscher Seite seien 22 000 Menschen direkt in der Rüstung beschäftigt, sagt die frühere IG Metall-Bevollmächtigte für den Bezirk Friedrichshafen/Oberschwaben, Lilo Rademacher, die heute in der Organisationsgruppe für den Friedensweg mitarbeitet. Die Aktivisten fordern die Umwandlung in zivile Produktion. Die Ressourcen, die die Rüstung heute verschlinge, fehlten für andere Entwicklungen, kritisiert Arne Engeli.
Konstanzer Oberbürgermeister ist der Schirmherr
Rund 100 Gruppierungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz unterstützen die Veranstaltung des Internationalen Friedenswegs, der diesmal in Konstanz und Kreuzlingen stattfindet und für den der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt die Schirmherrschaft übernommen hat.
Als Redner in Konstanz und Kreuzlingen treten Vertreter der Friedensbewegung auf, darunter Jürgen Grässlin, der den Oberndorfer Waffenhersteller Heckler & Koch sowie Führungspersonal von Sig Sauer aus Eckernförde wegen illegaler Lieferung von Rüstungsgütern angezeigt hat. Heckler & Koch wurde inzwischen zu einer Strafe von 3,7 Millionen Euro verurteilt. Grässlin geht in seinem Beitrag auf die Rüstungsindustrie am See ein.
"Spray-Grosi" hält eine Rede
Als Rednerin tritt auch die 86 Jahre alte Berner Friedensaktivistin Louise Schneider auf, die in der Schweiz den Spitznamen "Spray-Grosi" trägt. Sie sprühte im Jahr 2017 auf eine weiße Wand der Schweizerischen Nationalbank in Bern in Knallrot die Worte: "Geld für Waffen tötet." Die Seniorin wurde daraufhin von der Polizei abgeführt.
Eine Rede hält auch Annette Willi, die den Schweizer Zweig der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) vertritt. Sie setzt sich dafür ein, dass die Schweiz dem Vertrag der Vereinten Nationen zum Verbot von Atomwaffen möglichst schnell beitritt. Deutschland und andere Nato-Mitglieder hatten dem Vertrag nicht zugestimmt, weil sie auf die nukleare Abschreckung setzen. Die vierte Rednerin ist Tamara Funiciello von den Schweizer Jungsozialisten, die sich für den Stopp der Finanzierung von Waffen durch Schweizer Banken einsetzt.
Arne Engeli ist überzeugt: "Eine andere Welt ist möglich." Die zunehmende Zahl der Teilnehmer beim Friedensweg und die vielen Gruppen, die sich hinter ihn stellen, ermutigten ihn. "Wer Frieden will, muss Frieden verbreiten." Für ihn gibt es keinen Grund, Krieg zu führen. Sein Leben hat er nach dem Dreiklang Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung ausgerichtet. "Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden." Dass die Menschen langsam aufwachen, macht Lilo Rademacher an den steigenden Teilnehmerzahlen beim Friedensweg von 300 bis 400, vor einigen Jahren auf zuletzt 1000, fest. In der Schweiz wurde im Jahr 2018 eine Initiative mit 130 000 Unterschriften zum Verbot von Investment in Kriegswaffen eingereicht. Weder die Schweizerische Nationalbank, noch Institutionen der staatlichen und beruflichen Vorsorge sollen auf diesem Feld tätig werden.
Kundgebungen in Konstanz und Kreuzlingen
- Auftakt und Weg: Der Bodensee-Friedensweg wird eröffnet am Ostermontag, 22. April, um 10.15 Uhr auf der Marktstätte in Konstanz. Die Teilnehmer starten dann um 10.45 Uhr. Die Strecke führt durch die Konstanzer Altstadt bis nach Kreuzlingen in der Schweiz. Zu den in der Rüstung tätigen Betrieben vor Ort, ATM Computersysteme in Konstanz und Mowag in Tägerwilen, ziehen die Demonstranten wegen der weiten Wege nicht.
- Die Aktions-Stationen: 12 Uhr, Stadtgarten: Jürgen Grässlin spricht über die Rüstungsindustrie am Bodensee. 12.30 Uhr: Zug nach Kreuzlingen, an der Lago-Brücke formen die Teilnehmer ein Friedenszeichen; 13 Uhr, Hafenplatz Kreuzlingen: Picknick und Informationsstände, 13.45 Uhr: Louise Schneider und Tamara Funiciello sprechen zur Initiative Stopp der Finanzierung von Waffen durch Schweizer Banken und Annette Willi zum UNO-Vertrag für ein Verbot von Atomwaffen, 14.30 Uhr: Friedenslieder.
- Die Regenroute: Bei Regen und Kälte wird die Route verkürzt. Redestationen sind dann um 11 Uhr die Lutherkirche und um 13.30 Uhr das evangelische Kirchengemeinderhaus in Kreuzlingen.
- Die Geschichte: Seit 1988 gehen Menschen am Bodensee gemeinsam am Ostermontag für den Frieden auf die Straße. Das erste Treffen war in Bregenz. Bis 2004 nannte sich die Demonstration Bodensee-Ostermarsch, im Jahr 2009 wurde die Veranstaltung unter dem Namen Internationaler Bodensee-Friedensweg wiederbelebt. Zuletzt schlossen sich rund 1000 Teilnehmer an. Der Friedensweg findet jedes Jahr in einem anderen Bodensee-Anrainerland statt.
- Die Veranstalter: Getragen wird der Friedensweg von rund 100 Initiativen und Organisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz: Dazu zählen Attac Lindau ebenso wie der Schweizerische Friedensrat, das Evangelische Dekanat Konstanz und einige Konstanzer Stadtratsfraktionen.
Informationen im Internet:
http://www.bodensee-friedensweg.org