Die Stadt Ludwigsburg will erste Klima-Komfort-Zonen schaffen, der Kanton Thurgau überlegt, wie der Gemüsebau auch bei zunehmender Trockenheit weiter bestehen kann. Der Klimawandel hat Baden-Württemberg und die Bodenseeregion längst erreicht, darauf machten Experten vor mehr als 100 Vertretern von Kommunen und Wissenschaft beim dritten Nachhaltigkeits-Dialog auf der Insel Mainau aufmerksam. Sie sehen große Herausforderungen, Städte, Ökosysteme und Landwirtschaft dem zunehmenden Hitzestress anzupassen. Unter anderem drohten Gefahren durch Einwanderer-Pflanzen, die sich rasend schnell verbreiten, weil sie den neuen Klimabedingungen besser angepasst sind als die bisher heimische Vegetation. Davor warnte der Biologie-Professor Mark van Kleunen von der Universität Konstanz.

Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller sieht häufigere und längere Trockenperioden aufs Ländle zukommen. Innerhalb von mehr als hundert Jahren habe die durchschnittliche Temperatur um 1,3 Grad zugenommen, die Zahl der Sommer- und Hitzetage sei zudem markant gestiegen. Wie sich die Temperaturen verschieben, zeigten auch Langzeitbeobachtungen der Apfelblüte über 50 Jahre im Murgtal. In den vergangenen 25 Jahren habe diese im Schnitt 13 Tage früher eingesetzt, mit allen Risiken, also den möglichen Kälteeinbrüchen wie in diesem Jahr. Untersteller sieht durch den Klimawandel Gefahren für den Bestand der Fichte, dem Brotbaum im Schwarzwald, aber auch einen Wandel beim Anbau bestimmter Rebsorten.

"Wir sind die erste Generation, die die Folgen des Klimawandels erlebt, und wir sind die letzte, die dagegen etwas tun kann", sagte der Minister. Er beklagte ein Versagen des europäischen Emissionshandels, welcher noch immer den recht günstigen Betrieb der Kohlekraft ermögliche. Er bedauerte, dass das Gebäudeenergiegesetz, das für Energie-Effizienz sorgen sollte, auf Eis liegt. Baden-Württemberg lasse intensiv zum Klimwandel und Strategien zur Anpassung forschen. Nun wolle es Förderprogramme schaffen für Kommunen, die Maßnahmen zur Klima-Vorsorge ergreifen.

Jörn Birkmann, Professor für Raumplanung an der Universität Stuttgart, sieht die Notwendigkeit, die Verwundbarkeit durch Klimaprozesse stärker in den Blickpunkt der Planungen zu rücken. Es träfen mehrere Entwicklungen aufeinander: der zunehmende Hitzestress, die Alterung der Bevölkerung und der steigende Zug in die Städte. Es drohten Zielkonflikte, wenn Kommunen etwa Kälteschneisen und Gefahrenzonen von Wohnraum freihalten wollten und auf der anderen Seite der Druck steige, immer mehr Wohnraum zu schaffen.

Hans Schipper vom süddeutschen Klimabüro des Karlsruher Instituts für Technologie forderte Kenngrößen, die regionale Unterschiede bei den Klimaveränderungen abbilden und die Notwendigkeit eines Anpassungsbedarfs anzeigen. Außerdem müsste es einen Austausch mit den Kommunen geben. Dass es schon Praxiserfahrungen gibt, zeigen Beispiele aus dem Land. Esslingen etwa berücksichtigt bei Bauprojekten den Klimawandel, und versucht Frischluftschneisen sowie Freiflächen zu schaffen. In Ludwigsburg gibt es Experimente mit dem grünen Zimmer, also mit bepflanzten Wandmodulen, in die sich auch Bäume integrieren lassen.

So könnten diese selbst auf Dächern von Tiefgaragen wachsen, sagte Silvia Weidenbacher vom Verband Region Stuttgart. Die Wände spendeten Schatten, dienten als Staubfilter und Schutz vor Lärm. Ziel seien "Klima-Komfort-Zonen" in der Stadt.

Die Reihe

Grüne Themen haben Tradition auf der Mainau. Schon 1961 hatte eine Gruppe um den früheren Insel-Grafen Lennart-Bernadotte das Umweltdokument Grüne Charta erarbeitet. 1974 hatte dieser im Geiste der Grünen Charta zusammen mit seiner Frau Sonja Gräfin Bernadotte die gemeinnützige Lennart-Bernadotte-Stiftung gegründet, die seitdem alleiniger Gesellschafter der Mainau GmbH ist. Die Stiftung hatte nun zum dritten Mal zum Nachhaltigkeits-Dialog geladen. Björn Graf Bernadotte sagte zum Auftakt der Tagung, die Mainau versuche das Gleichgewicht zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozialem zu halten, zum Beispiel gebe es seit 1998 ein professionelles Umweltmanagement. (rin)