Das katholische Pfarrheim in Allensbach hat als Veranstaltungsort für die Grünen gelegentlich schon eine denkwürdige Rolle gespielt – direkt wie indirekt. Am Abend des 27. März 2011 musste hier auf der Landtagswahl-Party der Christdemokraten der damalige CDU-Abgeordnete Andreas Hoffmann zur Kenntnis nehmen, dass er sein Mandat an den Grünen Siegfried Lehmann verloren hatte. Am 1. Juli 2015 traf an gleicher Stelle die Überraschung Lehmann selbst. Nach zwei Legislaturperioden nominierte die grüne Parteibasis den Landtagsabgeordneten nicht mehr als Mandatsbewerber, sondern gab der Parteifreundin Nese Erikli den Vorzug. Die schaffte dann auch den Sprung ins Landesparlament. Am Mittwochabend war das Pfarrheim in Allensbach erneut Schauplatz einer Nominierungsversammlung der Partei. Diesmal kürte der Kreisverband der Grünen den Wahlkreis-Kandidaten für die Bundestagswahl im nächsten Jahr. Eine Überraschung war das Ergebnis indes nicht: Die Grünen im Landkreis Konstanz (der identisch ist mit dem Bundestagswahlkreis) schicken im nächsten Jahr den Singener Martin Schmeding ins Rennen um ein Bundestagsmandat. Damit kürte die Versammlung den Bewerber, der bei der Präsentation unter vier Kandidaten den professionellsten und sachkundigsten Eindruck hinterließ.

Der studierte Wirtschaftspädagoge Martin Schmeding hat in Niedersachsen reichlich Erfahrungen gesammelt in der politischen Arbeit für die Grünen, wie er ausführte. Als er 2004 nach Singen kam, setzte er das Engagement lange Zeit nicht fort. Doch inzwischen ist der Diplom-Handelslehrer auch unterm Hohentwiel wieder politisch für die Partei aktiv geworden. Er arbeitet im Ortsverein der Grünen mit und hat sich nach eigenen Angaben auch in der Singener Bürgerinitiative gegen das Einkaufszentrum ECE eingebracht. Sachliche Schwerpunkte will er bei Finanz-, Wirtschafts- und Bildungsthemen setzen. So kämpft er zum Beispiel für mehr Transparenz und Gerechtigkeit im Steuersystem.

Auch auf regionalen Themen zeigte sich der 45-Jährige in der Fragerunde vorbereitet. Und er will im Bundestagswahlkampf den favorisierten CDU-Bundestagsabgeordneten und -bewerber Andreas Jung herausfordern. „Ich werde ihn packen“, versprach Schmeding und ergänzte: „Die Region braucht einen grünen Bundestagsabgeordneten“. Trennschärfe will der Singener zum Beispiel in der Verkehrspolitik herausarbeiten. So seien unverzüglich weitere Investitionen in das Bahn-Angebot gefordert. „Wir leben in einem bahnpolitischen Nirwana“, stellte der Kandidat fest. Das Fracking-Gesetz, das umweltgefährdende Gasbohrungen am Bodensee verhindern soll, ist für ihn eine Mogelpackung, und das neue Flugroutenkonzept des Airport Zürich weckt Besorgnis. Ob er als Bundestagsabgeordneter bei der Freigabe der ausgebauten Bundestraße 33 das Band mit zerschneiden würde, wurde Schmeding gefragt. Seine Antwort lautete: Nein.

Weniger als 20 Fragen aus der Versammlung reichten den Stimmberechtigten am Nominierungsabend für die Feinjustierung der Bewerber-Positionen. Am Ende entfielen 35 von 45 Stimmen auf Martin Schmeding. Auf den Mitbewerber Herbert Bruttel (55), Informatiker und Entwicklungsingenieur aus Radolfzell, entfielen zwei Stimmen. Für Michael Lindner (54) aus Allensbach wurde eine Stimme gezählt. Wirtschaftstudent Jakob Mangos erhielt immerhin fünf Stimmen.

Die Bewerbungsrunde war absehbar eine reine Männerangelegenheit geblieben. Frauen zeigten kein Interesse an einer Kandidatur, obwohl sie zu Beginn der Veranstaltung noch einmal ermuntert wurden. Sicher ist, dass auf den nominierten Kandidaten nun anstrengende Zeiten zukommen. Der Zeitaufwand für den Bundestagswahlkampf ist hoch, und der Erfolg bei der Wahl gilt längst nicht als sicher.

Das machen die anderen Parteien

Wer tritt bei der Bundestagswahl 2017 im Wahlkreis Konstanz (dem Landkreis Konstanz) für welche Partei an? Hier der Sachstand für vier etablierte Parteien – und außerdem für die AfD. 

  • Die FDP: Die Liberalen waren bei der Nominierung des Bundestagskandidaten zeitlich anderen Parteien weit voraus. Bereits im Juli hat die FDP-Wahlkreiskonferenz sich einstimmig für Tassilo Richter als Bewerber ausgesprochen.
    Der 32-jährige Kaufmann wohnt in Singen und arbeitet als Vertriebsleiter bei einem medizinischen Abrechnungsdienst.
    FDP-Kreivorsitzende Elke Bass.
    FDP-Kreivorsitzende Elke Bass. | Bild: Günther Vasel
  • Die SPD: Der Kreisverband der Sozialdemokraten wählt seinen Bundestagskandidaten am 17. November im Milchwerk Radolfzell. Nach Lage der Dinge wird Kreisvorsitzender Tobias Volz (47) einziger Bewerber sein. Der Chef eines privaten Pflegedienstes hat seine Bereitschaft schon öffentlich gemacht. Weitere Bewerber gibt es derzeit nicht. Volz ist auf jeden Fall ein Mann mit Wahlkampferfahrung. Er kämpfte bereits 2013 für die SPD im Landkreis um einen Sitz im Parlament und sammelte immerhin knapp 28 000 Stimmen, was der SPD zwar nicht das Mandat brachte, aber der Partei den Rang als zweitstärkste Kraft hinter der CDU sicherte.
    Steht bereit: Tobias Volz (r.)
    Steht bereit: Tobias Volz (r.)
  • Die CDU: Der Kreisverband hat am vergangenen Wochenende den Konstanzer Bundestagsabgeordneten Andreas Jung als Kandidaten für die Bundestagswahl nominiert. Der Jurist ist seit 2005 bei drei Bundestagswahlen als direkt gewählter Kandidat in den Bundestag eingezogen. Jung ist im Kreisverband seiner Partei erste Wahl. Einen Gegenkandidaten hatte er nicht. Jung zeigte sich nach der Kandidatenkür kampfbereit. Es werde 2017 einen Wahlkampf geben, der diese Bezeichnung verdiene, ein Kampf um Stimmen und um Werte. Auch mit der AfD will sich Jung intensiv auseinandersetzen. Diesen Vorsatz hat am Mittwoch auch der Bundestagskandidat der Grünen, Martin Schmeding, herausgestellt.
    Nominiert: Andreas Jung (l.)
    Nominiert: Andreas Jung (l.)
  • Die AfD: Die Partei will im Landkreis Konstanz auch einen Bundestagskandidaten ins Rennen schicken. Laut Information auf der Internetseite der AfD soll die Nominierung am 10. November erfolgen.