Frau Dreßen, wie fühlt es sich an, die mit Abstand größte städtische Schule in Konstanz zu leiten?

Ob es die größte ist oder die kleinste, spielt keine Rolle, aber es fühlt sich gut an. Man hat zwar viel Arbeit und viel Verantwortung, aber ich gehe hier täglich mit dem Gefühl raus, was Sinnvolles beigetragen zu haben. Das ist sehr befriedigend.

Was machen Sie anders als Ihre Vorgängerin Elke Großkreutz?

In den Grundzügen habe ich eine wahnsinnig gut aufgestellte Schule übernommen, aber im Kleinen gibt es Dinge, wo wir weitergehen. Das betrifft zum Beispiel unsere Oberstufe und die konzeptionelle Weiterentwicklung von Campus 2 am Zähringerplatz wie auch die Zusammenarbeit mit der neuen Gemeinschaftsschule. Außerdem müssen wir nach außen auch noch klarer machen, wo sich die beiden Gemeinschaftsschulen – bei allen Gemeinsamkeiten – doch unterscheiden. Von außen zu durchschauen, welche Schule wofür steht, ist noch sehr kompliziert.

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Dann erklären Sie es gern nochmal.

Der deutlichste Unterschied ist, dass die Gebhardschule alle drei Abschlüsse inklusive Abitur anbietet und die Lotte-Eckener-Schule nach dem Realschulabschluss endet. Die neue Gemeinschaftsschule versucht klar, die Kompetenzen, die für ihre beiden Abschlüsse gebraucht werden, noch stärker zu fördern. Das hat mit mehr Praxisbezug zu tun, mit Teambuilding. Bei uns ist viel darauf ausgerichtet, dass wir einige Schüler auf die Oberstufe vorbereiten.

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Daraus könnte man ableiten, dass das Niveau an der Gebhardschule insgesamt höher ist.

Nein. An beiden Schulen haben wir sowohl in den Teams als auch in der Schülerschaft alle Niveaus vertreten. Ganz klar bereitet auch die neue Gemeinschaftsschule auf das Abitur vor, nur ablegen können die Schüler es dort nicht. Aber wir sind eng im Kontakt und führen übergeordnete Diskussionen gemeinsam – zum Beispiel dazu, wie wir mit Schülern umgehen, die sich mit regelmäßigem Schulbesuch schwertun. Oder um herauszufinden, welchem Schüler welche Schule guttut.

Dies ist Campus 1 der Gebhardschule: Links das zuerst errichtete Schulgebäude, rechts daneben der Anbau für die Oberstufe.
Dies ist Campus 1 der Gebhardschule: Links das zuerst errichtete Schulgebäude, rechts daneben der Anbau für die Oberstufe. | Bild: Kirsten Astor

Man meldet sich also zum Beispiel an der Gebhardschule an und wenn Sie der Meinung sind, das Kind wäre an der Lotte-Eckener-Schule besser aufgehoben, geht es dorthin?

Solche Gespräche kann es geben, ja. Wobei auch manche Eltern sehr klar fragen, welche Gemeinschaftsschule für ihr Kind bei jenen Stärken und Schwächen die beste sei. Die neue Schule musste ohne Namen und ohne Internetauftritt starten, und es war für Eltern sehr mühsam, an Informationen zu kommen. Trotzdem wird die Lotte-Eckener-Schule auch im zweiten Jahr ihres Bestehens wieder zweizügig, und wir werden im kommenden Schuljahr erneut sechs fünfte Klassen haben. Das zeigt, dass unser Schultyp in der Elternschaft fest verankert ist.

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Wie fällt Ihre Bilanz nach zehn Jahren Gemeinschaftsschule aus? Was lief gut und wo stößt das System an Grenzen?

Der Beweis ist erbracht, dass Schüler auch in einem integrierten Schulsystem zu dem Abschluss geführt werden können, der ihrem Leistungsniveau entspricht. Und wir zeigen, dass die Leistungsstarken nicht auf ihre Leistung verzichten, wenn sie mit Schülern zusammenlernen, die nicht so stark sind.

Es war ja immer die große Sorge, dass das Niveau auf diejenigen ausgerichtet wird, die sich schwertun, und dass die anderen es sich bequem einrichten. Wir sind sehr erleichtert, dass es nicht so ist. Zweitens hat die Gemeinschaftsschule als gesellschaftlicher Begegnungsort immer mehr an Bedeutung gewonnen. Es ist wichtig für Schüler zu erleben, dass es ganz vielfältige Lebenswelten mit unterschiedlichen Zielen, Werten und Verhaltensweisen gibt. Hier ist Gemeinschaftsschule sehr nah am Puls.

Ein Blick ins große Treppenhaus der Gemeinschaftsschule. Im Gebäude ist viel Platz, auch für differenzierten Unterricht. Die Rektorin ...
Ein Blick ins große Treppenhaus der Gemeinschaftsschule. Im Gebäude ist viel Platz, auch für differenzierten Unterricht. Die Rektorin sagt: „Wir haben eine hervorragende Ausstattung.“ | Bild: Kirsten Astor

Und was ist schwierig für Sie?

Gemeinschaftsschule ist nicht gleich Gemeinschaftsschule. Qualität einer Schule bedeutet grundsätzlich, dass sie aus dem, was sie hat, das Beste macht. Dann ist es relativ egal, welches Label draufklebt. Aber in Baden-Württemberg sind die Gemeinschaftsschulen sehr unterschiedlich. Das macht es manchmal schwierig für uns.

Oft kommt oft Neid auf und es heißt, dass die Gemeinschaftsschule im Gegensatz zu anderen Schulen neue Gebäude und mehr Lehrer bekommt. Wie gehen Sie damit um?

In Konstanz haben wir eine vergleichsweise komfortable Situation. Die Zusammenarbeit mit den Gymnasien ist wirklich gut, auch der Gemeinderat unterstützt die Gemeinschaftsschule im Großen und Ganzen politisch. Und in der Stadtgesellschaft sind wir allein durch die hohen Anmeldezahlen breit verankert. Aber ich wünsche auch allen anderen Schulen, dass sie ausreichend Ressourcen bekommen.

Charlotte Dreßen findet das Miteinander der Konstanzer Schulen gut und sieht ihre Schulart weitgehend auch im Gemeinderat unterstützt.
Charlotte Dreßen findet das Miteinander der Konstanzer Schulen gut und sieht ihre Schulart weitgehend auch im Gemeinderat unterstützt. | Bild: Kirsten Astor

Wie viel Prozent Ihrer Absolventen machen Abitur, wie viele die anderen Abschlüsse?

Von den meist sechs Eingangsklassen kommt am Ende eine Klasse heraus, die die Hauptschulprüfung ablegt, zwei für den mittleren Bildungsabschluss und drei Klassen, die das Abitur machen. Auf dem Weg finden alle möglichen Verschiebungen statt, aber deutlich mehr in Richtung des höheren Niveaus als andersherum.

Es hieß immer, dass Gemeinschaftsschule nur dann funktioniert, wenn in den Klassen alle drei Niveaus etwa gleich stark vertreten sind. Es wird aber immer wieder berichtet, dass Sie sortieren: Die starken Schüler an den Campus 1 (Neubau), die etwas Schwächeren an Campus 2 am Zähringerplatz und die mit dem meisten Lernbedarf an die neue Gemeinschaftsschule. Ist das so?

Nein. Wir haben an allen Standorten alle Niveaus. Unser Ziel ist es, bei der Klassenzusammensetzung und der Standortzuteilung für die Kinder einen Rahmen zu schaffen, bei dem sie ihre Potenziale so gut wie möglich entfalten können. Das heißt nicht zwangsläufig, dass eine Klasse mit vielen leistungsstarken Kindern die besseren Rahmenbedingungen für alle Kinder bietet – oder der Campus 1 mit seiner Größe für jeden das passende Setting ist. Aber wir machen keine Bildungs- oder gesellschaftliche Selektion.

Direkt gegenüber der Gebhardschule liegt die Zeppelin-Gewerbeschule, die derzeit abgerissen wird. Hier entsteht demnächst ein Neubau.
Direkt gegenüber der Gebhardschule liegt die Zeppelin-Gewerbeschule, die derzeit abgerissen wird. Hier entsteht demnächst ein Neubau. | Bild: Kirsten Astor

Zum Schluss noch der Blick in die Zukunft: Können Sie sich vorstellen, wieder an ein Gymnasium zu wechseln?

Ich denke nicht an einen Wechsel, aber das Leben hat eigene Pläne. Vieles von dem, was wir hier tun, hat ohnehin nicht so sehr mit der Schulform zu tun, sondern mit der eigenen Haltung gegenüber Schülern und Schule, mit seinem Selbstverständnis als Lehrer. Das kann man auch in anderen Schularten leben. Aber ich verstehe mich schon sehr klar als Gemeinschaftsschullehrerin.

Fragen: Kirsten Astor