Elisabeth Pflüger aus Villingen-Schwenningen winkt mit einem Ausstellungsplakat von Peter Lenk. Sie ist Fan des Künstlers, der in Konstanz die neun Meter hohe, und 18 Tonnen schwere, leicht bekleidete Edelhure als Hafenfigur geschaffen hat. „Eine dreidimensionale Karikatur“ schwärmt sie. Elisabeth Pflüger gehört zu den Hunderten, die Musik, Markt und Disko zum 30-jährigen Bestehen der Statue Imperia erleben. Den Künstler Peter Lenk sieht sie nicht. Er sei wegen einer Operation nicht anwesend, sagt Eric Thiel, Geschäftsführer von Marketing und Tourismus Konstanz.

Vor 30 Jahren sorgte die riesige Prostituierte Imperia im Konstanzer Hafen für Diskussionen. Heute hat die Figur, die in ihren mächtigen Händen zwei Greise hält, die sich mit den Insignien der kirchlichen und weltlichen Macht schmücken, viele Fans. Der Tourismus hat sie zu Gold gemacht. „Sie gehört zu den meist fotografierten Motiven in Konstanz“, sagt dann auch Eric Thiel. Beim Festakt für die Figur auf dem Imperia-Steg stellt er fest: „Man kann von ihr halten, was man will, sie wirkt.“
Auch die Besucherin Renate Madeja sagt: „Schön, dass Konstanz diese Ironie ins Touristische aufgenommen hat.“ Elly Hunger sagt ebenfalls: „Ich glaube, so eine Figur ist für den Tourismus förderlich“. Sie selbst hätte sich auch ein Denkmal für Personen vorstellen können, die in Konstanz tatsächlich eine Rolle spielten, wie etwa den gescheiterten Hitler-Attentäter Georg Elser.
Vermarktung statt historische Aufarbeitung
Doch wie konnte überhaupt die Edelprostituierte Imperia, die in Rom lebte, und niemals in Konstanz war, zum Wahrzeichen dieser Stadt werden? Genau mit dieser Frage hat sich der Historiker Christoph Luzi beschäftigt.

Er schreibt einem neuen Buch („Vermarktung von Vergangenheit“): „Sie ist in erster Linie das Produkt einer touristischen Geschichtsnutzung und nicht Bestandteil eines gesellschaftlich-politischen Aushandlungsprozesses“. Die Triebfeder zum Aufstellen der Figur kamen von touristischen Akteuren wie dem damaligen Fremdenverkehrsverein und den Bodensee-Schiffsbetrieben (BSB). Dank geschickter Vermarktung kristallisierten sich in der Frauenfigur alle Bilder vom touristischen Konstanz.
Historisch ist lediglich: In den Jahren der Papstwahl in Konstanz, also dem Konzil von 1414 bis 1418, sollen sich neben tausenden Besuchern rund 700 Dirnen in der Stadt aufgehalten haben. Auch der Stadler-Verlag hat ein neues Buch zu Geschichte der Statue herausgegeben. Der Titel lautet: „Imperia Konstanz“.
Zeitzeugen erinnern sich an geheimnisvolles Aufstellen
Beim Festakt kommen Zeitzeugen zu Wort: Ein leichtes Mädchen repräsentiert die Stadt, „diesen Mut muss man erst einmal haben“, stellt Michael Breuninger fest. In dessen früheren Café an der Marktstätte war einer der Initiatoren für das Aufstellen der Imperia ein Stammgast. Es handelt sich um verstorbenen Werner Häusler vom damaligen Fremdenverkehrsverein.
Der Aufbau der Imperia vor 30 Jahren war eine Geheimsache, das wird schnell klar. Der Techniker Michael Schenk sagt, es habe nichts vorzeitig nach außen dringen dürfen. Auf Wunsch des Künstlers drehe sich die Imperia gegen den Uhrzeigersinn. Technisch wäre es auch andersherum denkbar.
Ingo Obermann ist stolz, dass er beim Aufbau der Imperia dabei war. Er war damals Matrose auf einer BSB-Fähren, die ansonsten zwischen Friedrichshafen und Romanshorn verkehren. Auf diesem Schiff wurden die Imperia in Teilen nach Konstanz gebracht. „Bei 18 Tonnen darf nichts daneben gehen.“

Einer, der damals zufällig in den Hafen kam, war Thomas Keck. Er habe eine Fähre dort gesehen und gleich gewusst: „Das stimmt doch was nicht. Meine Neugierde hat mich nicht ruhen lassen.“ Wer in Konstanz lebt, wisse, dass sich Fähren üblicherweise nicht im Hafen an der Altstadt aufhalten. Anfangs habe er mit der Figur der Imperia wenig anfangen können. Inzwischen könne er sie als Wahrzeichen sehen. „Das ist ein Eyecatcher.“
Hauptsache, sie ist nicht nackt
Für den früheren Oberbürgermeister Horst Eickmeyer war nur wichtig, dass der Künstler keine nackte Frau in den Hafen stellt. Er habe sich dies bei einem Spaziergang am See versichern lassen. Schon vorher habe Peter Lenk in öffentlicher Gemeinderatssitzung gesagt, die Figur werde frivol, aber auf hohem Niveau. Eickmeyer sagt, er sei von Anfang an für die Figur gewesen. Er habe ein kritisches Schreiben vom erzbischöflichen Ordinariat ignoriert. Für das Projekt allerdings war die Zustimmung des Konstanzer Gemeinderats sowieso nicht nötig.
Zeitweise strahlt den Gästen des Hafenfests die Sonne, zeitweise fällt heftiger Regen, zeitweise ist es bedeckt. Von allen Teilen des Bodensees kommen am Samstag voll besetzte Schiffe in den Konstanzer Hafen. Bands machen Stimmung. In den Abendstunden umrahmen farbige Laserlichter die Skulptur. Keiner ahnt, welches Drama sich hinter den Kulissen um die Beleuchtung abspielt.