Zahide Sarikas und Ali Kayali aus Konstanz bangen um ihre Verwandten. Die eine um Angehörige in der Türkei, der andere um Angehörige in Syrien. Beide kennen Menschen, die unter den Trümmern gestorben sind.

Sarikas fordert die Möglichkeit, unbürokratisch vorübergehend Menschen in Familien aufzunehmen, die durch das Erdbeben obdachlos wurden. Kayali macht das, was seine Nothilfe Bodensee schon seit elf Jahren stemmt: Er sammelt für die nächste Hilfslieferung in Containern nach Aleppo und Idlib in Syrien. Die Region ist durch den Krieg betroffen, und jetzt auch noch durchs Erbeben.

Diese Organisationen aus Konstanz helfen

Geschockt von den Bildern aus der Türkei

Zahide Sarikas kommen die Tränen, wenn sie auf ihrem Handy die Bilder ansieht, die ihr Verwandte schicken. In Elbistan, das durch das zweite Beben besonders schlimm getroffen wurde, hatte die heute 58-jährige Konstanzer Stadträtin bis zum zehnten Lebensjahr gelebt. Es handelt sich um eine Provinz an der syrisch-türkischen Grenze.

Jeden Moment könnte eine neue Schreckensnachricht kommen. Zahide Sarikas stammt aus dem türkischen Elbistan, das durch das zweite ...
Jeden Moment könnte eine neue Schreckensnachricht kommen. Zahide Sarikas stammt aus dem türkischen Elbistan, das durch das zweite Erdbeben besonders getroffen wurde. | Bild: Rindt Claudia

Sie weiß, dass Verwandte und Nachbarn ums Leben kamen, mit großer Wahrscheinlichkeit auch ein Bekannter, der nur zu Besuch in der Region war. Über Mobilfunk versuchen sie und Verwandte aus Städten, die nicht vom Erdbeben betroffen sind, Informationen zu bekommen. In den vom Erdbeben erschütterten Regionen seien nur Menschen in Städten zu erreichen. Immer wieder seien Leitungen tot.

Ein Bild hat sie doch erreicht: Es zeigt Verwandte und Nachbarn, die sich in eine Art Garage in Elbistan gerettet haben. Auf den Bildern ist zu sehen, dass gerade Schnee liegt. Viele der vom Erdbeben Betroffenen seien im Pyjama auf die Straße gerannt, in die Eiseskälte. Zahide Sarikas berichtet, die Religionsgemeinschaft der Aleviten hätten ihre Glaubenseinrichtungen für Menschen in Not geöffnet.

In diese Hütte, aufgenommen vor dem Erdbeben, sind nach Angaben von Zahide Sarikas Bekannte und Verwandte aus Elbistan geflohen. Sie ...
In diese Hütte, aufgenommen vor dem Erdbeben, sind nach Angaben von Zahide Sarikas Bekannte und Verwandte aus Elbistan geflohen. Sie zeigt das Bild auf ihrem Handy. | Bild: Rindt Claudia

Sarikas fordert unbürokratische Unterstützung

Bei manchen, so fürchtet sie, kommt jede Hilfe zu spät. Die Berichte jedenfalls seien niederschmetternd. Menschen, die in Untergeschosse liefen, und dort verschüttet wurden, hätten zwei Tage lang geschrien. Jetzt sei nichts mehr zu hören. Und es häuften sich Berichte, in denen obdachlose Kinder von dubiosen Menschen verschleppt wurden.

Die Kurdin Sarikas fordert: Die Erdogan-Regierung dürfe jetzt keine Politik machen, auch wenn im Mai Neuwahlen sind. Es gehe jetzt um humanitäre Hilfe für alle Menschen. Sie hofft, dass in dieser Notlage kein Unterschied zwischen Kurden und Nichtkurden gemacht werde.

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Sie sieht mit Argwohn Berichte von Menschenrechtsorganisationen, wie der Gesellschaft für bedrohte Völker, nach denen die türkische Armee auch nach dem Beben die vorwiegend von Kurden bewohnten Gebiete in Nordsyrien bombardiert haben soll. Dabei sei das Gegenteil notwendig. Damit auch in Syrien schnelle humanitäre Hilfe möglich sei, müssten die Grenzen zwischen Syrien und der Türkei geöffnet werden.

Sarikas wünscht sich auch unbürokratische Möglichkeiten für Familien in Deutschland und Resteuropa, die vom Erdbeben Betroffene für eine Weile aufnehmen wollen. Es gehe vor allem um die Unterbringung von verwaisten Kindern, Alten und Verletzten. Viele Menschen, die inzwischen nicht mehr in der Türkei leben, könnten dies machen. Auch sie selbst wäre zu einer Aufnahme bereit. Die aufnehmenden Familien müssten dabei selbst für die Kosten der Gäste aufkommen.

Syrische Verwandte schlafen derzeit im Freien

„Leider sind alle betroffen.“ Ali Kayali blickt mit Sorge nach Nordsyrien. In Aleppo würden auch Familienmitglieder von ihm derzeit im Freien schlafen, in Gärten oder in Autos, die mangels Benzin nicht fahren könnten. Er berichtet: Im Bürgerkriegsland Syrien sei es schon vor dem Erdbeben üblich gewesen, dass auf Karte nur 20 Liter Sprit im Monat zu bekommen waren.

Ali Kayali sagt: „Wir haben vertrauensvolle, persönliche Kontakte zu einem Krankenhaus in der Nähe der türkischen Grenze.“
Ali Kayali sagt: „Wir haben vertrauensvolle, persönliche Kontakte zu einem Krankenhaus in der Nähe der türkischen Grenze.“ | Bild: Rindt Claudia

Ein Video von seiner Schwester zeige Trümmerberge. Kayali erläutert: Ihr Haus stehe noch, aber die rechts und links seien gefallen. Dennoch wolle sich derzeit keiner in noch stehenden Gebäuden aufhalten, denn diese seien von Rissen durchzogen. Die Angst davor, dass sie später noch einstürzen oder bei einem der Nachbeben in die Knie gehen, ist groß.

Sowieso schon dramatisch sei die Lage für die Menschen, deren Haus schon durch den Krieg zerstört worden war, und die in Ruinen oder Zelten hausten. Das Erdbeben habe die Lage nun verschärft.

Welche Sachspenden werden gebraucht?

Kayali bringt es auf den Punkt, was an Sachspenden benötigt wird: „Alles, was man zum Camping braucht.“ Das heißt: stabile Zelte, warme Schlafsäcke, Campingtoiletten, Campingkocher, Notstromaggregate. Dazu kommen Konserven und andere haltbare Lebensmittel, Decken.

Kayali sammelt schon seit Jahren im Verein Nothilfe Bodensee Güter und Gelder für Bedürftige in Syrien. Er unterstützt auch mehrere Kliniken, deshalb hortet er auch medizinische Hilfsmittel wie Rollstühle, Katheter, Krankenhausbetten, medizinische Betten oder Desinfektionsmittel. „Wir haben vertrauensvolle, persönliche Kontakte zu einem Krankenhaus in der Nähe der türkischen Grenze.“ Dort befinde sich auch ein Flüchtlingslager mit Zelten.

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In einer Halle in der Max-Stromeyer-Straße liegen die gespendeten Sachen, viele von Firmen. Kayali und seine Frau Tami können leicht zwei Container füllen. Wegen dem Transport sind sie im ständigen Kontakt. Es geht dann los, wenn ein Anbieter frei sei, stellt Ali Kayali fest. Die Transporte würden immer weniger zeitlich kalkulierbar und teurer. Derzeit sei mit rund 7000 Euro zu rechnen.

Ali Kayali hält es so: Medizinische Geräte, Zelte und Notstromaggregate, die nicht oder nur sehr schwer in Syrien oder der Türkei zu bekommen sind, schafft er als Güter dorthin. Alles andere lässt er von gespendeten Geldern kaufen oder nimmt es als Spenden aus der Region entgegen, etwa tonnenweise Mehl.

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