Seit Jahrzehnten engagiert sich Ruth Frenk gegen Judenhass. Ihre Verdienste werden am heutigen Sonntag, 10. Juli, bei einem Festakt im Wolkenstein-Saal des Kulturzentrums am Münster gewürdigt. Im SÜDKURIER-Interview blickt sie zurück – und in die nahe Zukunft.
Frau Frenk, seit 30 Jahren sind Sie die Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Bodensee-Region. Wie kam es dazu?
Wenn wir ehrlich sind, drängt sich niemand vor, wenn es um die Besetzung eines solchen Postens geht. Ich war schon seit 1984 Mitglied im Verein und als mich mein Vorgänger Roy Erhard Wiehn fragte, ob ich mir den Vorsitz vorstellen könnte, habe ich sofort ja gesagt. Naja, nicht ganz sofort. Ich habe kurz überlegt und auch thematisiert, ob ich als holländische Jüdin die passende Besetzung dafür bin. Dass ich den Vorsitz tatsächlich 30 Jahre innehaben würde, dass hätte ich damals aber nicht gedacht.
Hatten Sie konkrete Ziele im Kopf, die sie umsetzen wollten?
Ich habe damals gesagt, dass ich das Ziel habe, die Mitgliederzahl von 60 auf 100 zu steigern, und das habe ich geschafft. Die Zeit unter meinem Vorgänger war naturgemäß sehr geprägt vom Thema Holocaust und den Zeitzeugen. Ich habe schon früh begonnen, den Verein thematisch ein wenig breiter aufzustellen. Das heißt, dass ich kulturelle, politische und religiöse Themen aufgegriffen und dazu Veranstaltungen ins Leben gerufen habe. Übrigens in ganz hervorragender Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Konstanz und der Volkshochschule.
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft hat ihren Sitz in Konstanz und ist die einzige rund um den Bodensee. Wie erreichen Sie die anderen Städte am See?
Da ist tatsächlich noch Luft nach oben. Hier in Konstanz habe ich ein engmaschiges Netz von sozialen Kontakten, das ich mir seitdem ich hier lebe, also seit 1974, aufgebaut habe, und die sehr hilfreich sind. Auch innerhalb des Vorstands der Gesellschaft funktioniert es wunderbar. Somit ist es für mich ein Leichtes, hier vor Ort Veranstaltungen zu organisieren. Auch in Überlingen kann ich auf helfende Hände vertrauen. In den restlichen Orten rund um den See fehlt es leider noch an passenden Kontakten. Wissen Sie, alles funktioniert immer nur dann gut, wenn es eine menschliche Basis gibt, auf der man miteinander arbeiten kann.
Wie wichtig ist der Verein aus heutiger Sicht?
In den 70er Jahren war es für mich unerlässlich, mich als Jüdin politisch zu engagieren und zu positionieren. Heute ist es aus meiner Sicht noch immer wichtig, gegen aufkeimenden Antisemitismus anzugehen. Hier in Konstanz ist uns das bislang gut gelungen, aber schauen Sie nur mal in andere Städte im Norden Deutschlands. Es sollte auf der Welt keine einzige Stadt geben, in der Antisemitismus ein Thema ist. Insofern lautet meine Antwort eindeutig: Ja, derartige Vereine und Gesellschaften sind unerlässlich, auch heute noch.
Woher nehmen Sie all Ihre Energie? Sie unterrichten ja auch noch als Gesangslehrerin.
Der Gesangsunterricht ist mein Lebenselixier. Ich liebe meine Arbeit mit den Schülern, die übrigens Anfänger wie auch Profis sind. Schauen Sie, wir SIND unsere Stimme, sie kommt aus unserem Innersten heraus. Ich verfolge bei meinem Unterricht einen ganzheitlichen Ansatz, das Singen ist extrem wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung. Eigentlich sollte jeder singen. Obwohl, wenn man wirklich keinen Ton trifft, dann sollte man vielleicht lieber ein Instrument lernen. (schmunzelt) Übrigens verbindet Musik nicht nur Menschen, sondern führt auch zu Synapsen in unserem Gehirn.
Sie haben sie außerdem Ihre Memoiren aufgeschrieben...
Ja. Mein Buch mit dem Titel „Bei uns war alles ganz normal“ wird im Herbst erscheinen. Jürgen Klöckler vom Stadtarchiv Konstanz hat mir diesen Floh ins Ohr gesetzt und ich war sofort Feuer und Flamme. Die Beschäftigung mit meiner Vergangenheit war ein echter Reinigungsprozess. So viel sei verraten: Es beginnt mit meiner Zeugung, die allein schon spektakulär war. Tatsächlich liebten sich meine Eltern auf dem Weg vom Lager Bergen Belsen nach Holland. Apropos zu Hause: Hier in Konstanz fühle ich mich wirklich zu Hause. Ich liebe die Größe der Stadt, die Lage in der Mitte von Europa, den See und auch, dass ich hier viel gestalten konnte und immer noch kann.