Da war gleich beim ersten Tauchgang auf Hawaii dieser ganze Müll unter Wasser. „Wir haben einen alten Koffer rausgezogen!“ Salvatore Decker, 33 Jahre, reist schon immer gerne. „Da fährst zu den entlegensten Inseln und schönsten Stränden – und überall findest du angeschwemmten Plastikmüll.“ Das hat ihn zum Nachdenken gebracht und 2016 dazu geführt, dass er mit den Brüdern Sebastian und Christian Breyer „pandoo“ gegründet hat. Erste Priorität: Plastik vermeiden!
Sie endeckten für sich den Rohstoff Bambus. Nach drei bis fünf Jahren sei der erntereif, so schnell wachse kein Baum, auf den Plantagen lasse sich jährlich 20 Prozent des Bestandes rausnehmen, da bräuchte es nicht immer mehr Fläche. In China, Vietnam und Taiwan fanden sie Anbauflächen, ein Siegel bescheinigt ihnen „Bambus aus vorbildlich bewirtschafteten Wäldern“.
Der TÜV Rheinland prüft die Herstellungsbedingungen und auf jeder Verpackung befindet sich ein QR-Code, auf dem man nachsehen kann, wie viele Tonnen CO2 „pandoo“ schon ausgeglichen hat. Vor Ort in China wird der Bambus gleich weiterverarbeitet, zum Beispiel zu Toilettenpapier, dem Renner in ihrem Sortiment. Ohne je einen Investor benötigt zu haben, begann ihre Erfolgsgeschichte 2017 mit einem Umsatz von rund 70.000 Euro. 2019 waren es vier Millionen Euro.
Decker: „Und wir haben immer noch eine Menge Ideen“
Inzwischen finden sich ihre Produkte gelistet bei großen Drogerie-und Lebensmittelketten, mit über 4000 Händlern arbeiten sie zusammen. „Wir sind unheimlich schnell gewachsen und hatten das Glück, früh auf dem Markt zu sein.“ Heute ist die Konkurrenz riesengroß. Sucht man derzeit im Internet nach plastikfreien Wattestäbchen, findet man über hundert Anbieter.
Jene von „pandoo“ gehörten aber zu den ersten, die Kundenbindung wuchs und band Stammkunden an die Marke, bevor der weltweite Markt die Nachhaltigkeit erst so richtig entdeckte. Vom waschbaren Abschminkpad über einen Rasierhobel mit Bambusstab bis zu Zahnbürsten aus diesem Material, die Produktpalette ist über die Jahre gewachsen. „Und wir haben immer noch eine Menge Ideen.“
Gerade ist eine Reihe mit Seifen und Duschbutter herausgekommen. Über hundert Muster seien der Produktmanagerin und einigen Mitarbeiterinnen vorgelegt worden. Diese hätten sich dann „durchgeschnüffelt“ und für die Düfte entschieden, die ins Sortiment kommen. „Da 80 Prozent der Kunden Frauen sind, haben wir von der Geschäftsführung die Entscheidung komplett ihnen überlassen.“ Decker betont das gute Arbeitsverhältnis untereinander, ebenfalls über die Jahre gewachsen. Und für das Weihnachtsgeschäft liegt schon eine Geschenkedition im Lager, in der man einige gut gehende Produkte vereint sieht.
Salvatore Decker, der ursprünglich als Ingenieur in Ludwigsburg an Hochvoltbatterien für Autos geforscht hat, arbeitet sicher 80 Stunden die Woche und kennt sich inzwischen in allen Bereichen seines Unternehmens bestens aus. Er betreut den Online-Shop, während Sebastian Breyer den Vertrieb organisiert. Vom Start-up hat sich „pandoo“ zum mittelständischen Unternehmen mit 25 Mitarbeitern entwickelt.

Im Industriegebiet von Konstanz in der August-Borsig-Straße haben sie seit einiger Zeit ein großes Lager, 1000 Quadratmeter Fläche, elf Meter hoch und vollgestellt mit Ware, die von hier aus versandt wird. „Wir sind so schnell gewachsen, das hat auch einiges an Chaos verursacht“, sagt Breyer. Nun wollen sie sich auf die nächsten Schritte vorzubereiten: Neue Produkte für Haushalt, Bad und Lifestyle entwickeln, eventuell eigene Produktionsstätten aufbauen. Auch über ein Abonnentensystem wird nachgedacht.
Nachhaltiger Erfolg führt zu schwierigem Spagat
Ein Zwiespalt bleibt dabei immer bestehen: Stellt man viel Wiederverwertbares her, verkauft man weniger. Produziert man Einmal- oder Wegwerfprodukte, sind die Umsätze höher, aber es entsteht auch wieder Müll. Diesen Spagat gilt es auch als grünes Unternehmen immer hinzubekommen. Hinzugekommen sind in den letzten Jahren die Probleme mit den weltweiten Lieferketten.
Corona-Fälle legten über einen Monat lang den drittgrößten chinesischen Hafen Ningbo lahm, der havarierte Tanker im Suez-Kanal brachte vieles ins Stocken. Ein Container, der ihr Bambustoilettenpapier nach Europa bringt, kostete einmal 2000 Euro, heute sind es 15.000 Euro. Sie mussten das Produkt verteuern, als einziges bisher im Sortiment.
So gibt es weiterhin genügend Herausforderungen, Salvatore Decker merkt man an, dass er immer noch große Lust darauf hat. Und dabei wirkt er so gelassen, als drücke ihn die Verantwortung für „pandoo“ überhaupt nicht. Es war eh so, bemerkt er lächelnd, dass man in den ersten Jahren keine Nacht richtig gut geschlafen habe.
Aber man nimmt ihm sein ungebrochenes Engagement für die Sache immer noch ab. Die Firma hoffe auf „die Macht der großen Zahlen“. Wenn unzählige Menschen alle ein klein wenig ihr Kauf- und Konsumverhalten ändern, „dann geht was“. Der Glaube daran ist ungebrochen, ebenso wie der Optimismus, dass es mit „pandoo“ in eine erfolgreiche Zukunft geht.