In Ihrem Begrüßungsvideo haben Sie gesagt, dass die Leitung der HTWG eine wundervolle Aufgabe mit vielen Gestaltungsmöglichkeiten ist. Wie war‘s denn vorher in Ihrem Berufsleben?
Ich bin Berlinerin und habe meine Karriere in der Berliner Landesverwaltung begonnen.
Echt? Im Beamtenverhältnis, mit Pensionsanspruch und so?
Genau. Und es war eine spannende Aufgabe. Ich war zum Beispiel für die Verwaltungsreform des Senats zuständig.
Was wäre schlecht daran gewesen, wenn Sie in Berlin geblieben wären?
Nichts. Aber ich hätte die breiten Erfahrungen nicht sammeln können. Ich wollte vor allem international arbeiten. Bei einer globalen Beratungsgesellschaft bekam ich die Chance dazu, weil das Unternehmen Projekte bei DAX-Unternehmen betreut hat. Ich war zwar viel in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig, durch meine Kunden bin ich aber zum Beispiel auch nach Südamerika, China und in die USA gekommen. Für mich war das ein Traum.
Und warum haben Sie sich aus diesem Traum verabschiedet?
Habe ich nicht! Mein Herz schlägt weiterhin für internationale Fragestellungen und für andere Kulturen. Durch meine Tätigkeit im firmeneigenen Weiterbildungszentrum in Chicago ist mir aber auch klar geworden, dass mir die Lehre viel Spaß macht. Die Hochschulperspektive ergab sich dabei aus meiner berufsbegleitenden Promotion.
Was heißt berufsbegleitend?
Berufsbegleitend heißt, die Promotion zum Hobby zu machen und jede freie Minute in dieses Vorhaben zu stecken.
Womit sich eine Frage stellt, die aus einen anderen Jahrhundert stammt: Beruf, Promotion, Familie – wie haben Sie das unter einen Hut gebracht?
Wieso ist das eine Frage aus einem anderen Jahrhundert?
Nun ja, weil einem Mann diese Frage so gut wie nie gestellt wird.
(schmunzelt) Da ist was dran. Aber um die eigentliche Frage zu beantworten: Ich konnte das vereinbaren, weil wir uns als Familie gegenseitig unterstützen. Die Tatsache, dass mein Mann als Unternehmensberater selbstständig ist, spielt mit Sicherheit auch eine Rolle. Nicht zuletzt liegt es aber immer auch an einem selber. Mir macht es Spaß, mich einzubringen, Dinge zu entwickeln und voranzutreiben. Das ist, glaube ich, entscheidend. Wenn ich auch nachts oder an den Wochenenden für die Promotion gearbeitet habe, dann war das Leidenschaft. Ich habe es einfach gern gemacht.
Es folgte eine Professur in Stuttgart, jetzt der Wechsel nach Konstanz. Auch das war abgesprochen mit der Familie?
Natürlich, sonst geht es nicht...
... zumal Corona eine besondere Herausforderung darstellt. Mit rund 5000 Studenten, zirka 160 Professoren und vielen anderen Mitarbeitern ist die HTWG normalerweise ein volles Haus. Jetzt hört man hier sein eigenes Echo – kam Ihre Entscheidung zur falschen Zeit?
Nein, ganz im Gegenteil! Die Pandemie und ihre Begleiterscheinungen sind dramatisch, aber ich sehe viel eher, wie ausgezeichnet wir die Krise meistern. Beispielsweise wird uns durch die Studierenden ein sehr gutes Corona-Management bescheinigt. Dazu tragen hier alle bei: in der Verwaltung, in der Lehre, bei der Forschung und auch die Studierenden. Alle machen einen hervorragenden Job. Diese Haltung, dieser Geist – also das beeindruckt mich.
Bleiben wir beim Wechsel: Was wird sich unter der neuen Präsidentin ändern?
Da stehen drei Dinge im Fokus. Die HTWG als Hochschule für angewandte Wissenschaften mit ihrem interdisziplinären und stark technischen Profil ist wie geschaffen für die inhaltliche Begleitung und Beschleunigung des digitalen Transformationsprozesses. Dabei geht es aber zugleich darum, wie wir mit der Umgestaltung umgehen. Zweitens müssen und wollen wir uns bei der Nachhaltigkeit einbringen – Stichwort Klimaschutz...
... was in Konstanz besonders interessiert. Können Sie ein Beispiel nennen?
Also wenn es zum Beispiel um die Klimaneutralität des eigenen Campus geht, um ein neues Quartier am Hörnle oder um die Mobilitätswende – da geht es im Kern immer darum, wie man gute Lösungen auch umsetzt. Natürlich braucht es dazu einiges an Technik und Wissen zum Beispiel zu Materialien oder Verfahren, aber es sind zugleich Kooperationen mit Unternehmen, der Stadt und der Zivilgesellschaft nötig. Die HTWG verfügt über viele Kompetenzen, und die sind in vielerlei Hinsicht nutzbar – etwa beim Wirtschaftsrecht. Bei einer genossenschaftlichen Betriebsform beispielsweise kommt man ohne das entsprechende juristische Wissen nicht aus.
Und der dritte Bereich?
Da geht es um die Umgestaltung der Prozesse und Strukturen der Hochschule. Wir müssen uns breiter aufstellen. Forschung und Lehre bleiben die Säulen unserer Hochschule, aber es gibt Modernitätsanforderungen, die sich in der Hochschulstruktur niederschlagen werden – die wissenschaftliche Weiterbildung, also Angebote für Berufstätige zum Beispiel, wird immer wichtiger. Formal drückt sich das unter anderem dadurch aus, dass es vier statt zwei Vizepräsidenten geben wird.
Letzte Frage: Wie sieht es bei Ihnen mit der Freizeit aus – gibt es die überhaupt?
Doch, natürlich! Ich mache Sport, dann ist da die Familie, und zurzeit geht es vor allem um die Einrichtung der neuen Wohnung in Konstanz.
Besten Dank für das Gespräch.