Samstagnachmittag. Während andere frei haben, arbeitet Bürgermeister Andreas Osner in seinem Büro. Bereits am 28. Februar wurde der Krisenstab Ukraine, in dem die relevanten Fach- und Führungskräfte aller Dezernate vertreten sind und von Osner geleitet wird, eingerichtet. „Es macht fassungslos, aber nicht tatenlos“, stellt Andreas Osner bezüglich des Krieges fest.
„Wir werden unseren Teil dazu beitragen, damit jenen, die zu uns kommen, geholfen wird. Wichtig ist es, Strukturen aufzubauen“, fügt er hinzu. Sonst gäbe es unnötiges Chaos. Um diesem vorzubeugen, hat der Krisenstab bereits ein Netzwerk geschaffen, Ansprechpartner benannt und die wichtigsten Anlaufstellen für hilfsbereite Bürger und Kriegsflüchtlinge auf der Homepage konstanz.de/ukraine, die laufend aktualisiert wird, kurz und prägnant zusammengestellt.
Gut gemeint ist nicht unbedingt zielführend
Viele Privatleute sammeln aktuell Hilfsgüter, um diese in die Ukraine zu bringen. Gut gemeint, aber nicht zielführend. Das DRK beispielsweise warnt in einer Pressemitteilung eindringlich vor derlei Privataktionen: „Durch die Vielzahl unkoordinierter Hilfstransporte droht derzeit allerdings ein Infarkt der lebenswichtigen Versorgungslinien.“ Bürgermeister Andreas Osner appelliert ebenfalls an die Bürger, sie mögen sich an die professionellen Hilfsorganisationen wenden, die krisenerfahren seien.
„Sie sind bundesweit organisiert, haben den direkten Kontakt zu den Partnerorganisationen in der Ukraine und den Nachbarländern und wissen genau, was benötigt wird“, so Osner. „Am besten ist es, Geld an die zertifizierten Hilfsorganisationen zu spenden.“ Sachspenden werden hierzulande noch benötigt, wenn die Flüchtlinge angekommen sind, sagt Andreas Osner gegenüber dem SÜDKURIER. Er schätzt, das dürfte in zwei bis drei Wochen real werden. „Wir rufen, wenn wir etwas konkret brauchen“, kündigt er an.
Viele Ukrainer würden nach Deutschland und wahrscheinlich auch nach Konstanz kommen. „Es ist im Moment alles unberechenbar, aber es wird eine Bewegung mit bislang noch nicht gekanntem Ausmaß“, ist Andreas Osner überzeugt. Er hat etwas Sorge, dass die Kapazitäten nicht ausreichen könnten. Deswegen ist der Krisenstab schon seit einer Woche aktiv in Sachen Wohnraumbeschaffung. „Ein Teilprojekt des Krisenstabs ist die Unterbringung. Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn kümmert sich persönlich darum, mit Sozial- und Jugend- und dem Bürgeramt“, berichtet Andreas Osner.
Auch wenn die Stadt schon auf Erfahrungen in Sachen Flüchtlingsunterbringung zurückgreifen kann, sei die aktuelle Situation nicht mit Syrien anno 2015 vergleichbar, so Osner. „In nächster Zukunft werden sehr viele Ukrainer direkt nach Konstanz kommen, weil sie direkte Kontakte zu Ukrainern und Russen haben, die hier leben“, schildert der Bürgermeister. „Menschen kommen in unterschiedlichsten Konstellationen zu uns, und das muss koordiniert werden.“ Schließlich könnte nicht jeder bei seinen Bekannten unterkommen.
Ansprechpartner für private Wohnraum-Anbieter
Deshalb ist die Stadt Konstanz bereits aktiv in der Wohnraumakquise. Konstanzer, die privat ihren eigenen Wohnraum bereitstellen möchten, können sich an das städtische Projekt „Raumteiler“ wenden. Auch einige Ferienwohnungen seien bereits von Privatvermietern zur Verfügung gestellt worden.
Druck will Andreas Osner aber keinesfalls aufbauen, denn „nicht alle Ferienwohnungsbesitzer sind superreich. Manche sind auf die Einnahmen angewiesen und durch Corona gebeutelt.“ Er fügt jedoch an: „Aber wer sich das leisten kann, möge sich freiwillig bei Raumteiler melden. Wir wären sehr dankbar und es wäre viel geholfen.“ Positiv überrascht ist er von einigen Hoteliers, die einzelne Zimmer für Ukraine-Flüchtlinge zur Verfügung stellen.
Zielführender aber sei, wenn Ukrainer nicht sofort in die Stadt, in der sie bereits Kontakte haben, kämen, sondern erst in eine Landeserstaufnahmestelle (LEA). In Baden-Württemberg gibt es fünf davon: in Heidelberg, Karlsruhe, Sigmaringen, Freiburg und Ellwangen. Dort würden die Personen versorgt, registriert, erhalten Erstversorgung, Verpflegung, Unterkunft, finanzielle Erstversorgung und Gesundheitsangebote, skizziert Osner. Danach würden sie nach ihren Präferenzen über die Landkreise den entsprechenden Städten zugewiesen.
„Das soll keine Schikane sein“, betont Andreas Osner. Vielmehr „wissen sie dort, was zu tun ist, und gleichzeitig haben die Kommunen Zeit, ihre Strukturen weiter auszubauen“. Er hofft darauf, dass Ukrainer erst in die LEA gehen, wohlwissend, dass viele den direkten Weg in eine bestimmte Stadt nehmen werden. Auch darauf bereitet sich der Krisenstab vor und hat bereits schon erste Strukturen geschaffen. „Wer privat hierher kommt und in einer Aufnahmefamilie unterkommt, muss sich bei der Ausländerbehörde der Stadt anmelden“, so Osner, als Grundlage für Asylantrag, Aufenthaltserlaubnis, Krankenversicherung und Bezug von Geldleistungen.
Wer hilft abends und an Wochenenden?
Für die Wochenenden hat der Krisenstab auch einen Bereitschaftsdienst, der alles in die Wege leitet, wenn plötzlich entkräftete Menschen ankämen. Was sollen Bürger tun, wenn sie abends oder am Wochenende Geflüchtete fänden, die nicht wüssten, wohin sie sich wenden sollten? „Sie sollten sich am besten an die Bundespolizei wenden“, sagt Andreas Osner und fügt erläuternd an: „Die Bundespolizei hat die Not-Handy-Nummer unserer Stadtverwaltung, wo immer jemand erreichbar ist, um für die Ersthilfe zu sorgen.“ Die Bundespolizei in Konstanz ist übrigens unter der Telefonnummer (07531) 12880 erreichbar.