Hier soll von einer (noch) kleinen und süßen Gründung die Rede sein. „besterkuchen“ stellt Kuchen her, die witzige Namen tragen, welche Bezug nehmen auf Zutaten wie Mohn, Schokolade oder Käse. Sie heißen „mohndieu“, „schokoschanel“ oder „dreikäsehoch“. Neben der 47 Jahre alten Gründerin Angelika Eger gibt es noch eine Konditormeisterin, vier Seniorinnen und drei Freiberufler. Die Älteren, alle über siebzig Jahre, können sich auf 450-Euro-Basis etwas zu ihrer Rente hinzuverdienen, indem sie backen.
Die Idee kam der studierten Grafikdesignerin in Wien. Sie lernte das Mehrgenerationen-Café „Vollpension“ kennen, und dort erhielt sie den Tipp, dass es in München „kuchentratsch“ gebe, ein aus der Fernsehshow „Höhle der Löwen“ bekanntes Unternehmen, das mit Älteren und deren Rezepten schon groß auf dem Markt ist. Dort machte Eger im Jahr 2019 ein Praktikum und spürte deutlich, was sie immer schon gewusst hatte: „Ich will backen.“ Sie will zudem selbstständig sein und sich von Vorgesetzten nichts vorschreiben lassen.
Schon ihr Großvater war Konditor- und der Urgroßvater Bäckermeister. Die Sonntagnachmittage hatte Angelika Eger schon als Kind bei der Oma verbracht. Dort gab es einen Zitronenkuchen, den sie nie vergessen hat. Nun steht sie selbst in der Backstube, arbeitet 18 Stunden täglich, und das sieben Tage die Woche. „Ich hatte nicht gedacht, was alles an Arbeit auf einen wartet.“ Bürokratie, eine Webseite aufbauen, Kunden gewinnen, die Mitarbeitenden einweisen. Was alles so zu erledigen ist, wenn man sich selbstständig macht.
„Zu Beginn haben wir kleine Kuchen gebacken“
Ihr Geschäft ist in Gottmadingen in der Bahnhofstraße, mittwochs steht sie nun aber auch auf dem Petershauser Wochenmarkt in Konstanz. Mit dem Essens-Automatenbetreiber „Hofliebe“ stehe sie im Kontakt. Vielleicht nehme er ihr Süßes ins Sortiment auf, berichtet Angelika Eger. Auch Altersheime und Firmen mit Cafés seien angeschrieben, erste Aufträge eingegangen.
Sie sagt: „Zu Beginn haben wir kleine Kuchen gebacken“. Wöchentlich seien etwa 350 davon über den Tresen gegangen, jetzt probiere es das Team mit Kuchenstücken. Es gelte den Markt zu erkunden: Was wollen die Kunden? Was geht am besten? Und so wurstelt sich sie gebürtige Polin seit Februar 2021 durch viel Neuland.
Das Salzige kommt jetzt auch noch hinzu. Für das Bio-Stehcafé in Gottmadingen, direkt verbunden mit der Backstube, bäckt sie Croissants, Tartes und Quiches. Und zu Weihnachten gibt es natürlich Gebäck. „In meiner Karriere als Mutter habe ich schon völlig ungehemmt Plätzchenrezepte ausprobiert und verfeinert.“ 37 Sorten zu einem Fest, das kann sich sehen lassen.
„Kuchen ist Gottes Entschuldigung für Rosenkohl“
Umtriebigkeit ist Programm, die Webseite ist sprachlich auf der Höhe und mit Wortwitz versehen, etwa beim Slogan „Kuchen kaufen und Karmapunkte sammeln“ oder dem Zitat einer Konditorin: „Kuchen ist Gottes Entschuldigung für Rosenkohl.“
Als Fachfremde musste sie vor der Handwerkskammer Prüfungen ablegen. „Eine Aufgabe war es: In sechs Stunden elf Kuchen backen.“ Das dürfte, wenn man sie so hört, eine ihrer leichteren Übungen gewesen sein. Aber wegen des Lockdowns waren die Schulen geschlossen, die Prüfungen verzögerten sich, der Businessplan kam ins Rutschen. Eger machte unbeirrt weiter. Sie hat nun in Konstanz und bald auch in Singen Plätze auf dem Markt. Die Rechnungen und Gehälter könnten bezahlt werden. Die Firma laufe.
Sie selbst aber lebe noch vom Ersparten, wie sie sagt. Das solle sich bald ändern. Und was dann noch kommt? Flexible Arbeitsgelegenheiten für Alleinerziehende und sich selbst mal einen Tag frei geben? Angelika Eger lässt sich wahrscheinlich Neues einfallen, so wie sie das als gelernte Grafikdesignerin gewöhnt ist. Es ist davon auszugehen, dass bald keiner mehr von einer süßen, kleinen Gründung spricht.