Keine Veranstaltungen mehr, die Haare werden immer länger und Arbeiten im Homeoffice: alles hinzunehmen für die Menschen in Konstanz. Wenn nur Oma und Opa besucht, Freunde auch abseits von Skype getroffen werden könnten – und vielleicht eine Reise möglich wäre.
Dann empfänden die Bürger die durch die Corona-Krise geltenden Maßnahmen als weniger belastend. Dies ist eines von vielen Ergebnissen einer kurzfristigen Online-Befragung der Universität Konstanz zur aktuellen Ausnahmesituation, auf die mehr als 1400 Volljährige mit Erstwohnsitz in der Stadt geantwortet haben.
Der SÜDKURIER blickt auf die interessantesten Aspekte
„Dass sich viele Menschen zurückgemeldet haben, kam für uns wenig überraschend, aber es hat uns sehr gefreut“, erklärt der Soziologe Thomas Hinz, der die Studie leitet. Es herrsche ein großes Bedürfnis, persönliche Eindrücke zu teilen. „Deshalb ist es uns auch wichtig, den Befragten zurück zu spiegeln, wie andere Antworten lauteten.“

Konstanzer halten meiste Maßnahmen für gerechtfertigt
„Es war spannend zu sehen, wie differenziert die Befragten auf die jeweiligen Maßnahmen reagieren“, sagt Thomas Hinz. Dass große oder kulturelle Veranstaltungen wie Fußballspiele, Konzerte oder Theateraufführungen verboten sind, halten 95 Prozent der Befragten für eher oder vollkommen gerechtfertigt. Auch Beschränkungen der sozialen Kontakte halten mehr als 90 Prozent für sinnvoll.
„Selbst bei Themen wie der Geschäfts- und Grenzschließung hält ein überwiegender Teil der Bevölkerung die Maßnahmen für gerechtfertigt“, sagt Hinz. Geschlossene Läden bewerten sieben Prozent, hochgezogene Grenzen neun Prozent als überhaupt oder eher nicht gerechtfertigt.

Es dürfte spannend werden, ob sich diese Einschätzung der Situation auch in Konstanz verändern wird. Werden sich mehr Menschen für Lockerungen aussprechen, wie zuletzt in Österreich angekündigt, oder folgen sie dem vorsichtigeren Kurs hierzulande?
Zur Beobachtung der Entwicklung soll es mindestens zwei weitere Folge-Befragungen zur Corona-Lage geben. In der zweiten Welle gehe es laut Thomas Hinz unter anderem um die Frage, „wie in der schwierigen Situation auch neue Wege – etwa zur Unterstützung der lokalen Wirtschaft – gesucht werden“.
Größte Belastung sind Kontakteinschränkungen
Die Konstanzer Soziologen haben auch abgefragt, welche Maßnahmen den Alltag am stärksten belasten. Hier zeigt sich: Auch wenn das Zurückfahren der Sozialkontakte als gerechtfertigt angesehen wird, fällt dies den Menschen trotzdem besonders schwer. 57 Prozent sehen es als (sehr) starke Belastung, ähnliche Werte gibt es beim Verzicht auf Besuche der Eltern oder Großeltern.
„Deutlich spürbar sind die Belastungen im Bereich des städtischen sozialen Lebens im Hinblick auf die Geschäfte, Restaurants, Kultureinrichtungen und Sportvereine“, teilen die Autoren der Studie außerdem mit. Ein Spezialfall stellt die Schließung von Schulen und Kitas dar. Insgesamt erschwert dies bei nur einem Viertel der Befragten den Alltag, bei Familien liegt dieser Wert bei 40 Prozent.

Jeder Sechste kennt einen positiv Getesteten
Eine Dreiviertelmehrheit schätzt den eigenen derzeitigen Gesundheitszustand als gut bis sehr gut ein. Typische Covid-19-Symptome wie Husten, Fieber oder der Verlust des Geschmackssinns traten laut der Umfrage in nur wenigen Haushalten auf. Auch versuchten nur fünf Prozent der Befragten, sich auf das Corona-Virus testen zu lassen.
Andererseits kennt inzwischen – und diese Zahl dürfte sich unweigerlich erhöhen – bereits jetzt jeder sechste Befragte jemanden persönlich, der positiv getestet wurde. Interessanter Randaspekt: Auf Jüngere trifft dies deutlich häufiger zu als auf Ältere – und zwar unabhängig von der Größe des sozialen Umfelds.
Fast niemand wurde bisher arbeitslos
Wer vor der Corona-Krise gearbeitet hat, tut dies in 60 Prozent der abgefragten Fälle weiterhin. Zuvor waren 30 Prozent der Befragten nicht erwerbstätig, davon etliche Studierende oder Rentner. Weniger als ein Prozent ist nun arbeitslos.
Insgesamt 17 Prozent mussten in Kurzarbeit wechseln, haben Zwangsurlaub oder bauen Überstunden ab; jeweils sechs Prozent haben die Arbeitszeit reduziert oder arbeiten mehr. Für die Übrigen hat sich die Arbeit anderweitig geändert. Bei geringfügig Beschäftigten zeigt sich: Knapp zwei Drittel der Befragten arbeitet nicht mehr, immerhin ein kleiner Teil davon (13 Prozent) erhält trotzdem noch Geld.
Selbstständigen gehen Rücklagen aus
70 Prozent der Selbstständigen unter den Befragten geben an, dass ihr Gewerbe nur noch unter großen Einschränkungen läuft (50 %) oder derzeit ruht (20 %). Die Studien-Autoren machen „auch in Konstanz einen dringlichen Handlungsbedarf“ bei wirtschaftlichen Anschüben aus. Denn diese 70 Prozent gaben an, dass ihre Rücklagen nur noch maximal zwei Monate ausreichen.

Schwierigkeiten im Homeoffice
Den Arbeitsplatz nach Hause verlagert hat fast die Hälfte. Das Homeoffice wird laut der Studie mitunter „mit großen Herausforderungen verbunden“. Die Gründe für eine geringere Produktivität laut der Befragten: eher fehlende Räume als mangelhafte Technik, etwa eine schlechte Internetverbindung.
Kinderbetreuung ist für eine Mehrheit ein Familienprojekt
Homeoffice gilt aktuell auch für die Kinderbetreuung – zumindest für 20 Prozent der befragten Konstanzer. Wobei dies zu zwei Dritteln zwischen beiden Partnern aufgeteilt wird. Wenig überraschend sagen mehr Männer, um die Kinder kümmere sich allein die Partnerin (16 Prozent) als im umgekehrten Fall (drei Prozent). Etwa 70 Prozent kommen mit der Kita- und Schulschließung gut zurecht. Aber: Knapp die Hälfte sagt, Homeoffice sei damit schwer vereinbar, zudem nähmen Konflikte mit den Kindern (20 Prozent) oder dem Partner (16 Prozent) zu.