Eine einzelne Entscheidung konnte ein Leben prägen. Wer als Verfassungsfeind galt – und dazu brauchte es nicht sehr viel – hatte die Chance auf eine Stelle im Öffentlichen Dienst verwirkt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz überprüfte hunderttausende Menschen in Deutschland, die Lehrerin, Arzt oder Forscher werden wollten.
Zu viel tatsächliche oder vermutete Nähe nach links führte zur Ablehnung, schnell war auch von Berufsverboten die Rede. Passend dazu warb die CDU mit dem Werbespruch: „Wir werden nicht zulassen, dass Kommunisten unsere Kinder zu Kommunisten erziehen.“ Betroffene wurden nicht selten um eine Karriere gebracht, in ihrem weiteren Leben entging ihnen teils viel Geld.
Verfassungsschutz schnüffelte auch in Konstanz
Und nicht nur in Marburg oder im Umfeld der FU Berlin wurde geschnüffelt, sondern auch in Konstanz. In kaum einer anderen Stadt standen zeitweise so viele junge Menschen unter Generalverdacht. Ein Viertel aller Studierenden, erinnert Stadtrat Holger Reile, „wurden überprüft und schikaniert“.
Die Angst vor einem linken Umsturz, so sein Fazit, war „versehen mit einem dicken Konstanzer Stempel“. Deshalb soll der Gemeinderat der Stadt doch eine eher symbolische Erklärung verabschieden, die den Umgang mit dem Radikalenerlass von 1972 verurteilt und den Geschädigten etwas Genugtuung bringt.

Kein Thema für die Konstanzer Politik, befand dagegen CDU-Fraktionschef Roger Tscheulin, der sogar das Regierungspräsidium in Freiburg einschalten wollte, um sich das bestätigten zu lassen: „Das Land ist zuständig und nicht der Gemeinderat hier in Konstanz“, so Tscheulin.
Das sei doch alles nur eine Kampagne gegen Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der dem Radikalenerlass knapp und dank einiger Fürsprache entging und heute eine förmliche Wiedergutmachung des Landes ablehnt.
Till Seiler von der Freien Grünen Liste und Jürgen Ruff von der SPD sahen dagegen ebenfalls genügend Parallelen nach Konstanz, doch am Ende war es ein Bürgerlicher, der den entscheidenden Impuls gab. Ewald Weisschedel von den Freien Wählern sprach von Schikanen gegen junge Leute, die mit ihm Medizin studierten.
„Menschen wurden in einer maßlos übertriebenen Weise diskriminiert“, erinnerte er sich an die frühen 1970er-Jahre. Am Ende beschloss der Gemeinderat mit 22 Ja-Stimmen, sieben Neinstimmen und neun Enthaltungen eine Entschließung, zwar keine Entscheidung heilen, aber doch erlebte Ungerechtigkeit ein wenig lindern kann.