Michael Buchmüller

Folgende Situation stelle man sich vor: Ein Landwirt hat Viehwirtschaft, ihm sind fünf Kälber mehr als letztes Jahr geboren. Jetzt braucht er ein neues Kalb-Iglu als Unterstand, ein paar neue Trinkeimer und einen weiteren Wasserspender. Also fährt er zum nächsten Genossenschaftsladen. Dort ist die Auswahl nicht groß, er muss nehmen, was da ist und den angegebenen Preis bezahlen. Und Zeit hat ihn die Aktion auch gekostet. „Und wenn ein Landwirt etwas nicht hat, dann ist es Zeit…“: Justus Timm vom Konstanzer Start-up FarmTiger versteht die Nöte und Sorgen der Landwirte.

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„Deshalb haben wir eine Onlineplattform gegründet“, ergänzt Christian Zirz, der zweite Gründer, „auf der der Kunde Auswahl hat, das Produkt verfügbar ist und er es bequem zu sich nach Hause bestellen kann.“ Und meist ist es auch noch günsTIGER, das Wortspiel mit dem Tiger ist gewollt. Ein Tiger, der dafür steht, dass die beiden den Markt umkrempeln wollen. „Ziel ist es, dass wir der beste Ort werden, bei dem Landwirte alles für ihren Hof kaufen können.“ Alles außer große Gerätschaften und Düngemittel. Bis jetzt umfasst die Produktpalette schon 12.000 Einzelposten.

FarmTiger gibt es erst seit Juli 2020, gegründet in Konstanz, im Oktober des selben Jahres ging die Plattform online. Der Grund zu gründen sei eine Diskrepanz gewesen, wie die beiden es sehen: Einerseits gebe es in der Landwirtschaft modernste Technik, mit Drohnen und selbst fahrenden Traktoren. Aber zum Einkaufen würden die Landwirte dann in Läden fahren, die den Charme der 1950er Jahre versprühten, meinen die Firmengründer. Und Zirz setzt noch eins oben drauf: Bei ihm zu Hause, Nähe Köln, habe er so ein Geschäft besucht, da habe man zuschauen können, wie die Staubschicht auf manchen Produkten stetig wachse.

Anfragen aus dem Ausland kommen schon rein

Also haben sie angefangen, das zu ändern. Zu dritt, in einem kleinen Büro mit einem noch kleineren Fenster, kontaktierten sie zunächst Zulieferer, suchten Produkte aus und nahmen diese in ihr Sortiment auf. Dann entwarfen sie ihre Online-Plattform und stellten die Produkte ein. „Als die ersten Kunden sich meldeten, haben wir uns das als Klingelton durchgestellt. Ein Klingeln pro Tag und die Freude war riesig. Wir tanzten durchs Büro“, erinnert sich Timm mit fast sentimentalem Beiklang, obwohl das erst ein Jahr her ist.

Heute beschäftigen sie dreißig Mitarbeitende über ganz Deutschland verteilt, betreiben zwei große Lagerhallen, haben im fünfstelligen Bereich Kunden auf ihrem Portal, und die Umsätze gehen schon jetzt in die Millionen. Also durch die Decke. Anfragen aus Frankreich erreichen sie: Könnt ihr eure Plattform auch für das Ausland öffnen? Man komme kaum hinterher. Europa wartet.

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Ein 38-jähriger Agraringenieur (Zirz) und ein 31-jähriger Betriebswirt (Timm) rollen gerade den Agrarprodukte-Markt auf. Von hinten oder von vorne, ganz wie man‘s nimmt. „Und dieser Markt ist riesig!“, betont Timm. 30 Milliarden Euro Umsatz allein in Deutschland, in ganz Europa gar 300 Milliarden, auch wenn bei diesen Zahlen auch die großen Geräte dabei seien, und die werden sie sicher nicht verkaufen. „Im Moment haben wir den Fokus auf Tierhaltung.“ Und die Produkte dafür.

Aber dass es weitergeht, immer weiter, ist für die beiden keine Frage. „Die Landwirte stehen sehr unter Druck, billig zu produzieren“, sagt Timm „Deshalb wollen wir sie entlasten, wo es nur geht.“ Damit Bauern Zeit und Geld sparen können, ist auch denkbar, dass FarmTiger – in nicht allzu ferner Zukunft – Software bereitstellen könnte, die zum Beispiel automatisch meldet und nachbestellt, wenn etwas auszugehen droht. Futtermittel, Saatgut, eben alles für den täglichen Bedarf.

FarmTiger baut seinen Platz auf dem Markt aus

Ideen für Weiterentwicklungen gehen nicht aus, das Entwicklungspotenzial ist riesig, aber man müsse sich jetzt beeilen, betont der Betriebswirt. Irgendwann würden die großen Genossenschaften sicher auch noch mehr auf den Online-Handel setzen. Und bis dahin müsse man sich so auf dem Markt platziert haben, dass man aus diesem nicht mehr wegzudenken sei.

Für das Branding – die Gestaltung ihrer Marke – haben sie den Design Award 20/21 bekommen, und bei der „Bits and Bretzel“- Konferenz in München, einem wichtigen Forum für Startups, auf dem 2021 Barack Obama sprach, wurden sie in der Sparte „plattform and services“ als Beste ausgezeichnet.

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In einer breiteren Öffentlichkeit bekommt man von dem Unternehmen bisher kaum etwas mit. „Da fliegen wir etwas unter dem Radar, weil wir uns darum bisher auch noch gar nicht so gekümmert haben.“ Viel wichtiger sei es doch, dass ihre Kunden sie kennten und schätzten. Und dafür wird eine Menge getan. Und ausgegeben. FarmTiger könnte also durchaus ohne Weiteres noch mächTIGER auf dem Agrarmarkt werden.

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