Das Gros der Veranstalter der beliebten bunten Abende haben sich jetzt entschieden und sagt ihre Veranstaltungen ab. Das Risiko, dass sich ein Zuschauer oder ein Akteur infizieren könnte, ist ihnen zu groß. „Die Vereine in Übersee haben vergangene Woche bereits diesen Schritt vollzogen“, sagt Fürstenbergler-Präsident Marco Rinderspacher und fügt an: „Wir ziehen am gleichen Strang.“

Lange haben die Schneckenbürgler mitsamt Präsident Jürgen Stöß im Kaffeesatz gelesen. „Die Vernunft hat über das Herz ...
Lange haben die Schneckenbürgler mitsamt Präsident Jürgen Stöß im Kaffeesatz gelesen. „Die Vernunft hat über das Herz gesiegt“, stellt Jürgen Stöß fest. | Bild: Scherrer, Aurelia

„Mit blutendem Herzen und Tränen in den Augen haben wir beschlossen, alle Saalfasnachtsveranstaltungen abzusagen“, so Jürgen Stöß, Präsident der Narrengesellschaft Schneckenburg. Den Schneckenbürglern ist die Entscheidung am schwersten gefallen, denn sie wollten nicht nur im November ihre bunten Abende feiern, sondern auch mit einem dreitägigen Fest im Januar 2021 das 100-jährige Bestehen des Vereins feiern.

„Die Vernunft hat über das Herz gesiegt“, seufzt Stöß. Er glaubt nicht daran, dass die Pandemie bis zum Beginn der fünften Jahreszeit der Vergangenheit angehören werde, ebenso wenig wie Fürstenbergler-Präsident Marco Rinderspacher und Hofpeter-Präsident Rudi Regenscheit.

Die Gesundheit der Narren und Mäschgerle geht vor

„Wir wollen kein Superspreader-Event werden und keinesfalls einen weiteren Shutdown riskieren, auch wenn jeder von uns das ganze Jahr dem 11.11. entgegenfiebert“, stellt Jürgen Stöß fest. Das sehen Rudi Regenscheit und Marco Rinderspacher ganz genauso.

Auch Fürstenbergler-Präsident Marco Rinderspacher (links) und Hofpeter-Präsident Rudi Regenscheit verkünden die Absage ihrer ...
Auch Fürstenbergler-Präsident Marco Rinderspacher (links) und Hofpeter-Präsident Rudi Regenscheit verkünden die Absage ihrer Saalfasnacht, schmieden aber gleichwohl schon Pläne, wie sie auf anderem Weg ihre Fans närrisch beglücken können. | Bild: Scherrer, Aurelia

„Mal in den 20-Uhr-Nachrichten erwähnt zu werden, wäre ja schon schön, aber wenn, dann nur aus einem positiven, erfreulichen Grund“, meint Rinderspacher mit einer kleinen Portion Galgenhumor, um ernsthaft anzufügen: „Wir hatten in diesem Jahr so ein großes Glück. Wir konnten noch Fasnacht feiern und sind mit einem blauen Auge davongekommen. Wie der Hot-Spot Ischgl hätte auch Konstanz in den Schlagzeilen stehen können.“ Alle sind erleichtert, dass Konstanz so etwas erspart geblieben ist.

Die Erzfasnachter nehmen ihre Verantwortung für die Zuschauer und Akteure ernst und sagen deshalb lieber frühzeitig die Veranstaltungen ab. „Ich will nicht mit meinem Namen im Zusammenhang mit einer Infektionswelle in der Presse stehen“, sagt Rinderspacher. Rudi Regenscheit fügt an: „Ich will nicht, dass jemand bei einer unserer Veranstaltung krank wird und stirbt.“ Damit möchte er nicht leben müssen.

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Warum sie sich entschieden haben, frühzeitig abzusagen, statt bis zur letzten Minute darauf zu warten, dass sich die Umstände zum Bessern wenden, hat vielerlei Gründe. „Jetzt wäre die Zeit, wo wir eigentlich die Einladungen verschicken würden“, so Rudi Regenscheit. Texte würden geschrieben, Sketche geprobt. „Aber wie sollten wir jetzt überhaupt proben? Wie soll ein Sketch bei 1,5 Metern Abstand funktionieren“, stellt Marco Rinderspacher rhetorische Fragen. „Und Gesangsnummern wären ja auch tabu.“

Kein Schunkeln, kein Singen, keine Unbeschwertheit

Jürgen Stöß denkt sofort an die Clowngruppe mit den mehr als 60 Aktiven. Eine solch große Musikgruppe, vorwiegend bestehend aus Blechbläsern, auf einer Bühne? Nach aktuellen Corona-Bestimmungen ein absolutes No-Go.

Für alle drei Vereine gilt gleichermaßen: In ihren Veranstaltungsräumen – Radsporthalle und Gemeindesaal St. Suso – können sie die aktuellen Hygienevorschriften weder umsetzen, noch einhalten. Außerdem fragen sich die Fasnachter: „Wie soll Stimmung aufkommen, wenn alles, was Spaß macht, verboten ist?“, meint Marco Rinderspacher.

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Er steht vollkommen hinter den gesetzlichen Regelungen, die er als sinnvoll erachtet, aber ohne Schunkeln und Singen könne nicht richtig Fasnacht gefeiert werden, zumal die Unbeschwertheit ohnehin verständlicherweise fehle. Einige treue Zuschauer, insbesondere die älteren Semester, hätten sich bereits für die kommende Saison entschuldigt und ihr Kommen erst für die Nach-Corona-Zeit avisiert.

Vor wenigen Zuschauern unter strengen Auflagen ein abendfüllendes Programm zu präsentieren, mache keinen Sinn, zumal „allen Vereinen auch die Kosten weglaufen“, erläutert Rudi Regenscheit. Angefangen von Saalmiete bis hin zur Musik – der finanzielle Aufwand für derartige Veranstaltung sei alles andere als gering.

Die Kosten waren ebenfalls ein wesentlicher Grund für die Verschiebung des Schneckenburg-Jubiläums. „Allein die Samstagabendparty hätte 20.000 Euro gekostet“, bemerkt Jürgen Stöß, da der Auftritt einer namhaften Band geplant war. Aufgrund der frühzeitigen Absage für Januar 2021 und Verschiebung auf Januar 2022 musste der Verein nichts zahlen.

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„Wir wollen die Niederburg nicht unter Druck setzen“, meint Marco Rinderspacher bezüglich des beinahe einhelligen rechtsrheinischen Beschlusses zur Veranstaltungsabsage. Aktuell steht noch die Entscheidung der Wollmatinger Giraffen AG aus. Deren entscheidende Sitzung habe noch nicht stattgefunden, berichtet Rinderspacher.

Die Niederburg habe die besseren Voraussetzungen, sind sich Stöß, Regenscheit und Rinderspacher einig. Das Veranstaltungshaus Konzil mitsamt Gastronomie habe die Hygienevorschriften schon längst umgesetzt. Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten, dem Fachwissen und der Routine der Konzilmannschaft sei es einfacher, in dieses vorhandene Konstrukt einen bunten Abend zu implementieren.

Wird es eine Fernsehfasnacht 2021 geben?

„Wir sagen erst einmal nicht ab“, sagt Niederburg-Präsident Mario Böhler und fügt an: „Wir haben eine Konzeption gefunden, wie unser Fasnachtsauftakt stattfinden kann. Es wird ein kleineres, kabaretthaftes Format geben.“ Vorgesehen ist aktuell, dass drei kleine Bühnen aufgebaut werden, so dass auch die Akteure untereinander die Abstandsregelungen einhalten können.

Böhler geht derzeit von 150 bis maximal 200 Zuschauern aus. Allerdings: „Wir bieten es erst einmal nur für unsere Mitglieder an“, erklärt er. „Wir versuchen, es auf die Beine zu stellen“, so Böhler, wohlwissend um das Risiko einer kurzfristigen Absage, falls die Infektionszahlen drastisch steigen sollten. „Die Gesundheit der Zuschauer und der Mitwirkenden steht an oberster Stelle“, konstatiert er.

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Mit dem SWR habe sich die Narrengesellschaft darauf verständig, dass es wieder eine Sendung aus dem Konzil geben solle. „Es ist der Wunsch des Senders, in Zeiten, in denen so viele Veranstaltungen ausfallen, ein bisschen Ersatz zu schaffen“, berichtet Mario Böhler. Bezüglich des gemeinsamen Narrenspiels mit der Kamelia-Paradies Anfang 2021 stellt der Niederburg-Präsident in Aussicht: „Nach unserem Solo-Auftakt werden wir gemeinsam mit den Kamelern entscheiden, ob das Konzept auch für das Narrenspiel funktioniert.“

Und was ist mit der Straßenfasnacht?

Ob eine Straßenfasnacht im kommenden Jahr möglich sein wird, das vermögen die Narren-Präsidenten nicht einzuschätzen. Jürgen Stöß hofft innig darauf, dass wenigstens dieses bisschen Fasnachtsfreude an der frischen Luft gegönnt sein möge. Marco Rinderspacher hingegen hat große Zweifel. „Wie soll man da den Abstand einhalten oder kontrollieren?“, fragt er sich.

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Und wenn er an die Besenwirtschaften und weiteren Lokale denkt, überlegt er, wie die aktuell geltenden Vorschriften – von Abstandsregelung bis Meldung von Namen und Telefonnummern der Gastronomiebesucher – umgesetzt werden sollten.

„Wenn man mich dann fragt: Herr Rinderspacher, mit wem waren Sie in der Kneipe? Soll ich dann sagen: Mit Biene Maja und dem Eisbären?“, bringt er die Problematik humoresk auf den Punkt. Wegweisend, was die kommende Straßenfasnacht anbelangt, dürfte die Entscheidung der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee werden. „Davon hängt es wohl ab“, mutmaßt Rinderspacher. „Da wartet wohl jeder drauf.“

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