Es ist eines der bedeutendsten Monumente der Schweiz, das in die steile Felswand „hineingeschlagen“ wurde. Die zehn mal sechs Meter große Gestalt eines liegenden Löwen, Natur- und Kunstdenkmal zugleich, wurde von einem berühmten Dänen entworfen. Geschaffen wurde sie jedoch von einem Konstanzer.
Es könnte ein Ort der Besinnung sein, drängten sich nicht dicht davor Hunderte Besucher. Wie viele von ihnen wissen, was sich hinter dieser allegorischen Darstellung eines sterbenden Löwen, von einem todbringenden Speer im Rücken getroffen, verbirgt? Es ist ein Gefallenendenkmal, doch eines der besonderen Art – wie es vermutlich kein zweites geben wird.
Hintergrund ist die Französische Revolution, genauer gesagt die Erstürmung der Tuilerien in Paris mit dem Massaker an der Schweizer Leibgarde, der König Ludwig XVI. verbliebenen Elitetruppe, dem die Septembermorde folgten. In Treue zu ihrem Königseid fielen am 10. August 1792 etwa 700 bis 800 Schweizergardisten, von den entfesselten revolutionären Milizen in grausamster Art und Weise misshandelt. Bei den Septembermorden fanden 250 Gardisten und Offiziere den Tod nach ihrer Verurteilung, nicht wenige auf dem Schafott.
Ein Weg von fast 30 Jahren
Einige Angehörige der Truppe waren während dieser Ereignisse im Heimaturlaub, sodass sie in der Schweiz von den Gräueltaten erfuhren. Unter ihnen befand sich Carl Pfyffer von Altishofen, aus dessen Familie schon seit über 200 Jahren Offiziere im Dienst der französischen Könige standen. Die Nachricht vom Ende einiger befreundeter Offiziere hatte ihn so erschüttert, dass er sehr bald daran dachte, ein ehrendes Mahnmal für sie zu errichten.
Doch es war ein langer Weg von fast 30 Jahren, bis dieses Denkmal realisiert werden konnte; die wichtigsten Akteure waren der Luzerner Politiker Vinzenz Rüttimann, der Künstler Heinrich Keller, der damals schon europaweit berühmte dänische Bildhauer Berthel Thorvaldsen und der Konstanzer Lukas Ahorn, Steinmetz und Bildhauer.
Erst nach dem Sturz Napoleons 1815 eröffneten sich gute Perspektiven, um das aufwändige Projekt zu verwirklichen, worauf die 1819 gegründete Luzerner Kunstgesellschaft explizit hinarbeiten sollte. Man kam auf die Idee, den in Rom lebenden Thorvaldsen anzufragen, ob er bereit wäre, einen Entwurf für das Löwendenkmal zu schaffen, wohl wissend, dass die Ausführung desselben durch ihn persönlich nicht finanzierbar wäre.
Nur durch das Insistieren Heinrich Kellers und des wegen einer politischen Mission in Rom weilenden Rüttimann lieferte Thorvaldsen ein Gipsmodell, das für den ausführenden Bildhauer als Vorlage diente. Ursprünglich sollte der riesige Löwe in Bronze oder in Eisen hergestellt werden, doch diese Erwägung musste wegen des komplizierten Gussverfahrens verworfen werden. So kam Kellers Idee zum Zuge, man solle „den Löwen kolossal in den Berg selbst einhauen lassen“, was Thorvaldsen nach einem Besuch in Luzern ebenfalls favorisierte.
Der Solothurner Skulpteur Urs Pankraz Eggenschwiler hatte mit den Arbeiten an der Felswand begonnen, verletzte sich kurze Zeit später bei einem Sturz vom Gerüst jedoch so sehr, dass er sie nicht fortsetzen konnte und zwei Monate nach der Einweihung des Denkmals verstarb. Auf der Suche nach einem weiteren fähigen Bildhauer kam man auf den Konstanzer Lukas Ahorn, der sich durch einige Arbeiten in der Schweiz ausgezeichnet hatte.
Honorar betrug 4074 Franken
Tatsächlich wurde er mit der Fortsetzung des gerade begonnenen Werkes beauftragt, und er vollendete es in der Zeit vom März 1820 bis zum 7. August 1821. Zunächst zeigte sich Pfyffer skeptisch, als Ahorn im Gegensatz zu dem eigentlich unantastbaren Entwurf Thorvaldsens die Mähne des Löwens deutlich erhöhte und auch andere Änderungen einbrachte. Dennoch ließ er ihn von Josef Reinhard porträtieren.
Das Künstlerhonorar betrug exakt 4074 Franken, das er nach der Vollendung des Kunstwerks erhielt. Bei der Einweihung vor fast genau 200 Jahren am 10. August 1821, dem Gedenktag des Opfertodes der Schweizergarde, stellte Oberst Pfyffer Lukas Ahorn dem Prinzen Christian Friedrich von Dänemark vor.
Der Thronfolger äußerte später in einem Brief an Thorvaldsen den Wunsch des Künstlers, bei ihm in Rom arbeiten zu dürfen, wozu es allerdings nicht kam. „Am 1. September darauf feierte die Kunstgesellschaft den Abschied von Ahorn, den sie am 25. December zu ihrem Ehrenmitglied ernannt hatte und beschloss, demselben eine Ehrenmedaille (...) zu dezidieren.“
Was über Lukas Ahorn in seiner Heimatstadt bekannt ist, verdanken wir den Ausführungen des ehemaligen Konstanzer Oberbürgermeisters Alfred Diesbach im Konstanzer Almanach von 1970. Demnach wurde Magnus Lukas Ahorn am 25. Oktober 1790 als drittes Kind des Steinmetzen Ahorn geboren und verbrachte seine Jugend in einem 1788 vom Vater erworbenen Anwesen in der Kreuzlinger Straße, später lebte die Familie in der Hüetlinstraße.
Nach Aufträgen in Zürich und dem bedeutendsten in Luzern kehrte er wieder nach Konstanz zurück, führte dort einige Restaurierungsarbeiten an der Mariensäule und im Münster aus. Eine frühe Biographie verzeichnet sein tragisches Schicksal: „In Konstanz mangelte ihm die Anregung, die Beschäftigung mit seiner würdigen Aufträgen. In unfreiwilliger Muße ward sein Künstlerstreben erstickt.“
Ein Ende in Verbitterung
Thorvaldsen kam am 8. August 1841 nach Konstanz; vermutlich nur, um Ahorn zu besuchen und ihm seine Anerkennung auszudrücken, doch dieser ließ sich nicht blicken, wollte ihn nach so vielen Jahren nicht sehen – aus Verbitterung durch ein Leben in Vereinsamung, Selbstanklage und Verelendung. Diesbach hat diese Existenzkrise deutlich umrissen: „Das Hineindämmern in das Stumpfe und Lichtlose wurde immer größer. Er existierte noch ein Dutzend Jahr, ohne zu leben“. Der Tod ereilte ihn am 18. April 1856.
Die große künstlerische Leistung Ahorns am Löwendenkmal ist bis heute unumstritten. Kritik hat das Denkmal wegen seiner politischen Bedeutung schon vor seiner Errichtung bis in die Gegenwart erfahren. Pfyffer hatte zur Finanzierung eine europaweite Subskription an die Aristokratie ausgeschrieben, in der in pathetischen Worten der Ruhmestat der Schweizergarde gedacht wurde.

Unter dem Löwen, der die Wappenschilde der Bourbonen und der Schweiz verteidigt, wurden die Namen der gefallenen und der überlebenden Offiziere eingraviert, ebenso gedachte man der Gardisten. Dann die Signatur Opera L. Ahorn. Es wurde so zu einem Denkmal der Erinnerung an das Ancien Régime; die Gegner sahen in ihm dessen Verherrlichung – es war ihnen ein verhasstes Symbol.
Mark Twain sah es ganz anders; er schrieb in einem Brief an einen Freund: „Der Löwe von Luzern ist das traurigste und bewegendste Stück Stein der Welt“. Diese Trauer kann man noch tiefer nachvollziehen, wenn man die damit verbundenen Schicksale kennt, auch das von Lukas Ahorn aus Konstanz.