Dieser Bildband ist etwas für immer. Pro Jahr wird es mindestens zwei Anlässe geben, um das Werk aus dem Regal zu holen. Das erste Mal zu Beginn der Fasnacht, dann wieder empfiehlt sich der Aschermittwoch.
Die Wirkungen in beiden Zeitzonen werden sich ähneln: Kurz vor dem Mummenschanz möchte der Betrachter selbst zum pausbäckigen Waldwichtel werden, zum volkstümlichen Besemaa oder etwa zum märchenhaft-grusligen Fenris; setzt schließlich das närrische Wehklagen ein, wird man noch einmal das Bedürfnis des Nachkostens verspüren – und so wird‘s Jahr ums Jahr längst nicht nur dem Konschtanzer ergehen.
Rund 80 Figuren der Fasnacht werden vorgestellt
Schon so viel jedenfalls lässt sich über den 175-seitigen Band mit dem Titel „Hinter der Maske“ sagen: Hier liegt in Konzeption und Aufmachung ein Klassiker vor. Jeweils auf einer Doppelseite werden rund 80 Figuren der Fasnacht vorgestellt – links im vollen Ornat, rechts mit einer Kurzpräsentation des Menschen, der hinter der Maske steckt und dem Bildband seinen Namen verleiht.

Beim Blättern aber stellt sich rasch ein sonderliches Verweilen ein. Die Aufnahmen sind von einer Schärfe und Ausleuchtung, die jedes Detail zu einer eigenen Erzählung machen. Da ist zum Beispiel der Saubachgeist auf Seite 57, bei dem das Auge fast zwanghaft die lässig in der Hand gehaltene Karbatsche in den Blick nimmt und der Betrachter in die Entscheidungsnot gerät, wer hier eigentlich von wem die Funktion ist.
Oder der Troll (Seite 91), der als Doppelmaske daherkommt: Zum einen als Larve, zugleich aber von der Brust als Miniatur-Schmuck. Und wer findet als Gestrählter beim Umzug je die Gelegenheit, das Experimentelle in Häs und Maske des SEElenfängers zu erfassen. Halb Pirat, halb Sensenmann erscheint der Tod hier als einer, dem der Abholdienst in die Ewigkeit gleichermaßen Leichtigkeit und Beschwernis zu sein scheint.

Egal aber, welche Figur und welche Maske: Dem Fotograf Lukas Ondreka gelingen die Aufnahmen mit einer Wertschätzung der Einzelheit, die die Knöpfe an der Kutte des Fürstenzwerglers, die Schelle des Polizeiblätz oder das Schattenspiel am Schuppenlatz des Laugelegumpers zu jeweils eigenen Erzählungen macht. So lässt sich die wirkliche Fasnacht niemals erfassen, aber gerade dadurch treibt‘s die Narren und die, die es werden wollen, hinaus ins bunte Leben der Originale.
Die Kunst des Fotografen und die vielen Gesichter der Fasnacht
Natürlich steckt hinter dieser Meisterschaft viel Technik der heutigen Fotografie, aber erstens muss man sie beherrschen und zweitens sollte damit die individuelle Kunst des Fotografen nicht unterschätzt werden. Die Echtheit der Fasnacht bleibt in den Aufnahmen von Lukas Ondreka erhalten, als Dokumentationen eines einzigartigen Kulturguts haftet den im künstlichen Umfeld des Studios nichts Aufgesetztes, nichts Gestelltes an.

Mag sein, dass das auch am symbiotischen Verhältnis der Fasnacht und ihrer im Bildband vertretenen Narren mit dem SÜDKURIER-Medienhaus liegt. Denn das Projekt ist keine Selbstverständlichkeit.
Chefredakteur Stefan Lutz beschreibt (als Nei-G‘schmeckter) in einem ebenso launigen wie (als längst bis ins Mark durchgewirkter Narr) bedenkenswerten Kurzbeitrag das Heikle des Unterfangens: Die Fasnacht bezieht ihren Reiz aus dem Versteckspiel, womit der journalistischer Ansatz einer Entlarvung von den Menschen hinter den Masken als Frevel empfunden werden könnte.
Doch bei einem Ergebnis in diesem Format und dieser Qualität muss keiner der Macher mit dem Entzug von Blechle und Blätz rechnen. Schon gar nicht Aurelia Scherrer, die als SÜDKURIER-Redakteurin an der Fasnacht mit schöner Regelmäßigkeit die Seiten wechselt und über beste Drähte zu Hansele, Hexen und sonstigen Holzköpfen verfügt.
Sie hat die kommunikative Herausforderung übernommen und den Narren die Motivation für den alljährlichen Schabernack abgeluchst. Wer das ernsthaft schon mal versucht hat, weiß um die Schwierigkeit der Aufgabe, denn der gewöhnliche Narr begnügt sich gern dreisilbrig mit einem „Ho Narro“.

Eben dieser närrische Schlachtruf erscheint als idealer Abgang einer Kritik des Bildbandes – wäre da nicht noch eine ambivalente Hoffnung. Denn wie bei jedem Klassiker resultiert der Respekt letztlich aus den Gebrauchsspuren. Und so sei jedem dieser hochwertigen Bildbände mehr noch als ein guter Absatz im Laufe der Jahre die Zutat von Fettflecken aus Fleischkäs und Wurstschnappen, aschermittwöchlichen Tränen und Eselsohren als Lesezeichen gewünscht.