Zoom-Konferenz mit zwei von drei jungen Startup-Gründern. Katja Seiter ist aus Thailand zugeschaltet, wo im Hintergrund Vögel zwitschern und ihr Handy im Kühlschrank liegt, weil es sich überhitzte. Aber die Leitung steht. Felix Duffner schaltet sich aus Konstanz zu. Beide haben in Konstanz Wirtschaftsingenieurwesen studiert.
Die Gründerszene hat Duffner von Anfang an fasziniert, deshalb arbeitet er auch noch bei Kilometer1, der Startup-Initiative von HTWG und Uni Konstanz. Seiter hat eine „gründungsaffine Mutter“, die immer selbstständig war. Julian Riegraf ist beim Gespräch nicht dabei, aber als dritter Gründer an Bord.
Felix und Katja haben sich schon länger für die Frage interessiert, was eigentlich mit all den personenbezogen Daten bei sozialen Netzwerken passiert. „Ich habe mir von Facebook mal meinen kompletten Verlauf schicken lassen. Eine riesige Datenmenge war das. Da bin ich wirklich erschrocken“, erzählt Felix Duffner. Er hat dort 1 zu 1 verfolgen können, was er so gemacht hat.
Und Katja Seiter ergänzt: „Der WDR hat über eine Person eine Dokumentation gedreht (,Made to measure‘), eine digitale Spurensuche, ohne die Person je getroffen zu haben.“ Die Reporter konnten aufzeigen, wie man Beziehungen und sogar Lebenskrisen rekonstruieren kann. Katja hat, ebenfalls auf Facebook, mal verfolgt, welche Werbung ihr gerade zugeteilt wird. Auch das geht, man muss nur bei den Einstellungen etwas suchen. Das ernüchternde Fazit von beiden: „Wir alle haben längst die Kontrolle und die Übersicht über unsere Daten verloren.“
„Kopierte Blätter für den Unterricht wird es nicht mehr brauchen“
Wo also ansetzen? Die drei Gründer meinen: Dort, wo es losgeht, bei den Fünftklässlern, die oft beim Übergang zur nächsten Schule ein Handy bekommen. Und dann in Apps unterwegs sind, ohne zu verstehen, was da abläuft. „Und diese Kompetenz wollen wir schulen.“ Das transparent machen, was im Hintergrund passiert. Denn Studien belegen: 12-13-Jährige verbringen täglich jetzt schon im Durchschnitt 258 Minuten online.
Die drei haben einen App-Prototypen entwickelt: Ein Lernprogramm, das den Schülern auf unterhaltsame Weise klarmacht, wie sie in sozialen Medien möglichst viel Kontrolle behalten. Die Kinder werden an Tablets „realitätsnahe Übungen“ ausführen und darüber reflektieren können, was sie da tun. „Kopierte Blätter für den Unterricht wird es nicht mehr brauchen.“
Unterrichtsmaterialen können mit diesem „schnelllebigen Thema“ nicht mehr mithalten. Die Inhalte ihrer App dagegen reagieren immer ganz aktuell auf Zeitströmungen: Welche Apps sind gerade unter Jugendlichen angesagt? Welche Gefahren lauern dort? Dazu werden die Apps genaustens analysiert und dann die passenden Experimente entwickelt. Eine Entlastung für alle Lehrer, die an die Medienbildung der Schüler ran sollen.
Das Thema ist ja längst in den Bildungsplänen verankert und wird in den Klassen 5 und 6 auch unterrichtet. „Als Nächstes geht es uns darum zu testen, ob unsere Aufgaben und Übungen bei den Jugendlichen auch ankommen.“ Cool soll es sein, Spaß machen und einen Erkenntnisgewinn erzielen. Eine Testklasse an einer Konstanzer Schule hat man schon im Visier. Da wird es dann die Rückmeldungen geben, die das Programm besser und besser machen sollen. Bis es bundesweit an den Start gehen kann – die Gründer hoffen, dass das 2023 der Fall sein wird.
Mit den Medienzentren, die viele digitale Medien an Schulen ausleihen, ist man im Gespräch, das Interesse an ihrer App groß. Die Elternschaft wäre glücklich, wenn sie wüsste, dass ihre Kinder reflektiert mit den sozialen Netzwerken umgehen können. Ohne dass man ständig etwas verbieten muss. Weil das ja (meist) ohnehin nichts bringt.
Und so gehen alle drei, dank eines Förderprogramms, nun in Vollzeit ran und widmen sich ganz ihrem Startup, das noch keinen Namen hat. Im Untertitel könnte dann „Unterrichts-App für Medienbildung“ stehen. Für die Überschrift wird das Passende noch gesucht. Aber auch das wird sich finden.