Christian Werle, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Konstanz, bestätigte am Montagabend auf SÜDKURIER-Nachfrage: „Nur noch die Grenzübergänge Kreuzlinger Tor und Autobahn sowie am Bahnhof für den Zugverkehr sind geöffnet.“ Im Umkehrschluss bedeutet das: Die Übergänge Tägerwilen, Emmishofen und Wiesenstraße sind auf unbestimmte Zeit nicht mehr passierbar. „Das ist der Sachstand von jetzt. Da die Lage dynamisch ist, kann sich daran natürlich auch etwas ändern“, erklärte Christian Werle.
Bereits am frühen Abend wurde der Grenzzaun auf Klein Venedig errichtet. Konstanz und Kreuzlingen sind faktisch Virus wieder zwei getrennte Städte.
Auch die Schweiz grenzt aus
Doch auch in der entgegengesetzten Richtung ist mit Problemen zu rechnen: Der Schweizer Bundesrat habe entschieden, ab Mitternacht auch die Grenzen zu Deutschland, Österreich und Frankreich zu kontrollieren und dort Einreiseverbote mit Ausnahmen einzuführen, erklärte Bundesrätin Karin Keller-Sutter auf einer Pressekonferenz.

Die Einreise aus den vier großen Nachbarländern sei nur noch Schweizer Bürgern, Personen mit einem Aufenthaltstitel in der Schweiz sowie Personen, die aus beruflichen Gründen in die Schweiz reisen müssen, erlaubt, sagte Keller-Sutter. Auch der Transit- und der Warenverkehr seien weiter erlaubt.
So lief der erste Tag an der Grenze
Beamte der deutschen Bundespolizei kontrollieren seit Montagmorgen um 8 Uhr die Grenze zwischen Konstanz und Kreuzlingen. Am Sonntagabend wurde beschlossen, dass Deutschland wegen der Ausbreitung des Corona-Virus seine Grenze zu mehreren Nachbarländern – darunter die Schweiz – ab 16. März schließen wird.
Mündliche Befragungen durch deutsche Bundespolizisten
Am Autobahnzoll Konstanz-Kreuzlingen nahmen die Beamten der Bundespolizei deshalb mündliche Befragungen bei der Einreise vor. So ist Berufspendlern der Übertritt weiter erlaubt, auch der Transit- und Warenverkehr bleibt erlaubt.

Nach Beobachtungen der SÜDKURIER-Reporter an der Grenze mussten zunächst keine schriftlichen Nachweise für eine Berechtigung zur Einreise erbracht werden. Pendler mit Schweizer Kennzeichen wurden stattdessen mündlich zum Grund ihrer Überfahrt nach Deutschland befragt. Die Abfertigung erfolgte meist problemlos, dauerte etwa eine halbe Minute je Auto.
Für einige hieß es am Montagmorgen: bitte umkehren
Gleichwohl hieß es schon am Montagmorgen für erste Einreisewillige: bitte umkehren. Wer sich als Tourist herausstellte oder keinen Grund zur Einreise angeben konnte, wurde wieder in die Schweiz zurückgewiesen.

Am Emmishofer Zoll fuhren die Menschen um 7.59 Uhr noch ungestört über die Grenze – von Konstanz nach Kreuzlingen und umgekehrt.

Beamte der Bundespolizei sind zunächst kaum zu sehen. Hier wurde erst ab 8.30 Uhr kontrolliert – dann aber genau. Auch am Emmishofer Zoll gilt: Wer nach Deutschland reisen möchte, um seiner Arbeit nachzugehen oder um Waren zu liefern, wird durch gewunken. Wer zum Einkaufen unterwegs ist, muss Kehrt machen.

Am Hauptzoll Kreuzlinger Tor versammeln sich ab 8 Uhr immer mehr Bundespolizisten. Auch dort wird jedes Auto kontrolliert, die meisten dürfen nach ersten Beobachtungen durch. Man gehe von einer kulanten Durchsetzung der Regelung am heutigen Montag aus, erklären einige Bundespolizisten. Im Laufe des Vormittags kommen immer mehr Autos an die Grenze, die Schlange wächst bis zum Kreisel, von dem die Autobahn nach Zürich abgeht.

Christian Werle, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Konstanz, informiert am Vormittag über Details der Grenzkontrollen: „Es ist uns wichtig, den Waren- und Pendlerverkehr weiterhin zu gewährleisten. Wir schließen die Grenzen ja nicht, wir kontrollieren lediglich.“ Reisen ohne triftigen Grund gelte es einzudämmen.

Via Twitter veröffentlichte die Bundespolizei diese Worte: „Es werden durch unsere Kollegen vor Ort auch Einreisebefragungen durchgeführt. Darüber hinaus appellieren wir an den gesunden Menschenverstand und gegenseitige Rücksichtsnahme, ob derartige Reisebewegungen wirklich notwendig sind.“
Einfacher Nachweis reicht aus
Im Gespräch mit den Menschen versuchen die Bundespolizisten sowie Landespolizisten und Zollbeamte herauszufiltern, ob eine Grenzüberquerung erlaubt werden könne. „Wer nachweisen kann, sei es durch eine einfache Kopie eines Arbeitsvertrages oder andere aussagekräftige Papiere, dass er auf dem Weg zur Arbeit ist, wird selbstverständlich durchgelassen“, erklärt Pressesprecher Christian Werle. Es ginge um das große Ganze, „nämlich um die Verhinderung, dass sich der Virus weiter ausbreitet“.

Die Übergänge, die nun geschlossen werden, sollen mit Pollern und Schranken blockiert werden. Was passiert, wenn Fußgänger die Grenze dennoch überqueren, ist nach Angaben des Bundespolizei-Sprechers noch unklar – schließlich ist die Situation ein Novum.
Buslinie 908 fährt wie gewohnt, Kunstgrenze ohne Absperrung
Fahrgäste der Buslinie 908 dürften am Montagmorgen wenig von der Grenzschließung gemerkt werden. Der Stadtwerke-Bus pendelte wie gewohnt zwischen Zähringerplatz in Konstanz und Landschlacht in der Schweiz.

Mehr denn je wurde die Kunstgrenze auf Klein Venedig für einige Stunden zu einem Ort mit Symbolcharakter. 2006 hatten dort der damalige Kreuzlinger Stadtammann Josef Bieri und sein Konstanzer Amtskollege Horst Frank den Grenzzaun durchschnitten, der später durch die Kunstgrenze ersetzt wurde.

Dort bleibt auch zumindest bis zum Abend dieses historischen 16. März 2020 alles beim Alten: kein Flatterband, keine Absperrungen und schon gar kein neuer Grenzzaun. Noch ahnte niemand, dass das bald schon zur Makulatur werden sollte. Die Polizei hält sich hier nur im Hintergrund auf. Doch am Abend wurden hier die Grenzzäune aufgestellt. Ein Symbol für die Auswirkungen der Pandemie. Konstanz und Kreuzlingen sind wieder getrennt.

Ende der grenzüberschreitenden Runde mit dem Hund
Susann Sprondel kommt aus dem Stadtteil Stadelhofen – und war wie jeden Morgen auch an diesem Montag mit ihrem Hund beim Spaziergang über Klein Venedig. Normalerweise gehe sie immer eine große Runde bis in den Seeburgpark. An diesem Montagmorgen blieb sie jedoch auf deutschem Territorium.
„Ich bin sehr regelkonform“, meinte sie schmunzelnd, fügte aber ernsthaft an: „Ich finde, wenn Regeln aufgestellt werden, soll man sie auch beachten. Ich bin dafür, das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. Es ist eben eine besondere Situation.“

„Jetzt wird einem bewusst, wie schön es ist, wenn man sich frei bewegen kann“
Jetzt suche sie neue Wege. „Dramatischer finde ich, dass viele Dinge abgesagt werden“, meinte sie. Yogakurs, Rudern, Tennis – all diese Hobbys betreibe sie regelmäßig – finden nicht mehr statt. Normalerweise geht sie mit ihrem Hund zum Agility-Kurs in die Schweiz; auch das geht jetzt wohl nicht mehr. „Jetzt muss ich mir ein anderes Tagesprogramm suchen“, stellte sie fest.
Mit Blick auf die sonst so durchlässige Grenze zwischen Konstanz und Kreuzlingen fügte sie nachdenklich an: „Jetzt wird einem bewusst, wie schön es ist, wenn man sich frei bewegen kann, was man die letzten Jahre als Selbstverständlichkeit hingenommen hat.“