Protokoll: Sandra Pfanner
  • Majid Amiri, 20 Jahre: Am 21. August 2015 bin ich von Afghanistan über die Türkei nach Deutschland gekommen. Das Datum weiß ich noch genau. 6000 Euro habe ich bezahlt, um nach Europa zu kommen. Von Österreich habe ich nichts gesehen, wir waren lange in einem Laster eingeschlossen. Zuerst war ich eine Woche in München, dann in Karlsruhe, später in einer anderen Stadt, ich weiß nicht mehr wie sie heißt. Dann war ich 22 Tage in Mannheim. Am 16. September bin ich nach Konstanz gekommen und wusste da schon, dass ich hier länger bleiben werde.

Der Anfang war schwierig. Ich war in der Zeppelinhalle. Es war so laut dort. Wir waren 400 Personen in der Halle. In einem Raum, der oben offen war, waren zwölf Personen. Wir konnten die ganze Nacht nicht schlafen, manche waren betrunken und haben gestritten. Das war schwer. Eine Frau von Save me kam irgendwann in die Halle und hat gefragt, wer zum Deutschkurs will. Ich habe mich gemeldet. Eine Stunde in der Woche habe ich dann gelernt und irgendwann gefragt, ob es jemanden gibt, der jeden Tag mit mir lernen kann. Dann habe ich Josef kennengelernt. Wir haben über viele Themen gesprochen. Über Sport zum Beispiel, was ich in Zukunft machen will und natürlich über den Deutschkurs. Wenn ich einen Termin hatte, ging Josef mit, weil ich nicht sprechen konnte.

Am Anfang haben wir das Alphabet gelernt. Ein Jahr bin ich zur Schule gegangen und habe den Abschluss gemacht. Ich habe drei Praktika in Firmen gemacht und in der Werkstatt am Theater gearbeitet. Vor einer Woche habe ich in Konstanz eine Ausbildung zum Elektroniker angefangen. Das haben wir auch zusammen vorbereitet. Josef unterstützt mich sehr. Mit vier Personen habe ich nach der Zeppelinhalle in einem Container im Campus gewohnt. Inzwischen habe ich eine eigene kleine Wohnung in Wollmatingen gefunden und mache seit ein paar Monaten Kickboxen im Jugendzentrum. Seit dem ersten Tag in Konstanz hat sich viel verändert für mich. Ich konnte nicht mal Hallo sagen. Und jetzt kann ich mit den Leuten kommunizieren. Es ist schwierig zu sagen, ob ich mich hier ein bisschen zuhause fühle. Meine Mutter und meine Schwester sind noch in Afghanistan, ich vermisse sie. Einmal in der Woche schreiben wir uns. Es ist vieles noch schwierig. Mein Asylantrag wurde gerade abgelehnt. Ich habe mich sehr schlecht gefühlt und wusste nicht, was ich jetzt machen soll. Aber Josef kämpft mit mir weiter und hat mich schon wieder aufgebaut.

  • Josef Unterwerner, 70 Jahre: Ich bin seit Februar 2016 Pate. Eine Freundin und Mitarbeiterin von Save me Konstanz hatte mich angesprochen, ob ich nicht Interesse und Zeit hätte, als Pate Flüchtlinge zu betreuen. Ich meinte dann: „Ja, schaun mer mal.“ Bei einer Veranstaltung von Save me hier im Gemeindehaus habe ich mir erst einmal angehört, was das bedeuten würde. „Patenschaft“ klingt nach viel Arbeit, Geduld, Zeitaufwand und Verpflichtung. Aber es hieß dann, dass jeder Pate für sich festlegen kann und muss, in welchem Rahmen er sich engagieren möchte. Eine gewisse Verbindlichkeit braucht es natürlich schon, man kann nicht sagen: Gut, die eine Woche mache ich das, dann wieder nicht.

„Die Willkommensparty ist vorbei“

Ich habe mich sozusagen für das volle Programm entschieden und zusammen mit einer Bekannten mit intensiver Sprachunterstützung begonnen. Da wir mehrere Flüchtlinge unterstützten, teilten wir uns auf. Weil ich selbstständig tätig bin, konnte ich mir die Zeit einrichten. Aktuell betreue ich vier Flüchtlinge aus dem Irak, aus Pakistan und Afghanistan, davor hatte ich noch welche aus Syrien und Eritrea. Durch meine berufliche Tätigkeit war ich viel im Ausland, auch in Pakistan, Syrien, im Irak oder Libyen. Von daher kenne ich auch die Mentalität und habe mir einfach gesagt: Wenn sich die Gesellschaft nicht engagiert, wird das ganze Thema nichts. Dann schaffen wir das nicht. Der Staat ist nicht in der Lage, in kurzer Zeit Strukturen aufzubauen, die das tun, was die Ehrenamtlichen in der Lage sind, zu tun. Die Willkommensparty ist vorbei, jetzt fängt die Arbeit, die Integration, erst an.

Man muss sich auf die Mentalität, auf die kulturellen Eigenheiten, auf die Situation aus der diese Menschen hierher kommen, einstellen. Auch auf möglicherweise traumatische Belastungen. Man darf sie auf gar keinen Fall überfordern und muss einen Zugang finden. Aber auch klar sagen, was man will. Mit Majid zum Beispiel habe ich von Anfang an Ziele vereinbart. Es ging erst mal um grundlegende Dinge der Kommunikation und um das Leben hier in Deutschland. Das war am Anfang ein wenig mühsam, wir haben aber sehr schnell Fortschritte gemacht. Jeden Tag von 9 bis 12 Uhr haben wir gelernt und geübt, Hausaufgaben gemacht, wochentags und teilweise auch an den Wochenenden. Um möglichst schnell auf ein Level zu kommen, damit Majid auch die Prüfungen der Sprachkurse und in der Folge der Gewerbeschule besteht – was er letztlich ja gut hinbekommen hat.

Ob es eine Art Vater-Sohn-Beziehung ist? Nein, ich habe schon einen Sohn, der ist in Majids Alter. Aber es ist schon eine gegenseitige Sympathie da und manchmal hat Majid gesagt: Du bist aber streng. Worauf ich meinte: Du willst auch was erreichen. Ich muss aber dazu sagen, dass Majid ohnehin sehr motiviert und aktiv war. Er hat immer von sich aus gefragt, ob ich nicht kommen kann und mit ihm lerne. Das ist nicht immer der Fall. Ich habe auch andere Flüchtlinge betreut, die abgesprungen sind, weil sie meinten, das sei zu anstrengend. Die kommen mal, dann kommen sie nicht, halten vereinbarte Termine nicht ein. Aber Majid hat verstanden, dass ihm das alles etwas bringt. Ich habe ihn auf die Anhörung beim Bundesamt für Migration in Freiburg vorbeireitet und bin auch mitgegangen. Begleitet habe ich ihn außerdem zur Berufsberatung, zu Arztterminen und Behördengängen und ich habe ihn bei der Suche nach einer Wohnung und Ausbildungsstelle unterstützt.

Es fragen mich immer wieder andere Paten, wie ich das schaffe, so viel zu vermitteln. Ich antwortet dann: Du musst die Leute ansprechen. Wenn ich da sitze und warte, bis mir irgendeine Berufsberaterin, die Handwerkskammer oder Behördensachbearbeiterin eine Liste schicken – vergiss es. Bei all den Erfolgen war die Ablehnung des Asylantrags natürlich ein Schlag. Aber mit der Ausbildungsstelle hat er nun vielleicht doch gute Chancen, hier zu bleiben.

Protokoll: Sandra Pfanner

 

Save me sucht Sprachpaten

  • Die Organisation: Die Arbeit von Save me Konstanz möchte Flüchtlingen den Einstieg und die Integration in Konstanz erleichtern. Es gibt daher die Möglichkeit, Save-me-Patin oder Pate zu werden und eine Patenschaft für Flüchtlinge zu übernehmen. Die Paten gehen dabei keinerlei finanzielle Verpflichtung ein.
  • Aktuell sucht Save me Konstanz vor allem dringend Sprachpaten, zum Start mit einer Stunde pro Woche. Es hat sich gezeigt, dass Flüchtlinge, die von Paten betreut werden, viel schneller Deutsch lernen, sich besser aufgenommen fühlen und Deutschland positivere Gefühle entgegenbringen, als Flüchtlinge ohne Paten. Die Patinnen und Paten sind Ansprechpartner und übernehmen eine Brückenfunktion zwischen dem gesellschaftlichen Umfeld und dem Geflüchteten. Sie unterstützen beispielsweise Kinder bei den Hausaufgaben, Erwachsene beim Deutschlernen, helfen beim Verstehen behördlicher Schreiben oder gegebenenfalls bei der Wohnungssuche. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, gemeinsam die Freizeit zu gestalten und dabei die neue Heimat zu erkunden.
  • Spenden: Derzeit ist Save me außerdem auf der Suche nach Radspenden (insbesondere Herrenräder) für die Save-me-Fahrradwerkstatt sowie Notebooks (in nutzbarem Zustand).
  • Weitere Informationen gibt der stellvertretende Vorsitzende von Save me Konstanz, unter der Telefonnummer 0176/55802374 oder per Mail an patenschaft@save-me-konstanz.de. Allgemeine Infos über die Flüchtlingsorganisation im Internet:www.save-me-konstanz.de