Als Rektor einer Universität ist man Überraschungen gewohnt. Was Professor Ulrich Rüdiger im Frühjahr 2016 erlebte, ist freilich so ungewöhnlich, dass er es selbst kaum glauben kann. Er erhielt vor wenigen Monaten einen sehr erfreulichen Anruf: Die Universität Konstanz werde jährlich mit 500.000 Euro aus einer Stiftung bedacht hieß es da. Das Geld kommt einem Forschenden zugute, der besonders gute Arbeit abgeliefert hat. Gespeist wird der stattliche Preis aus einer Stiftung – der Dr. Helmut Karl Eberle Stiftung.
Mit diesem Namen fing das Rätsel an. Wer war dieser Dr. Eberle, fragten sich Rektor und Mitarbeiter. In Wissenschaftskreisen war er unbekannt, er saß nie in einem einschlägigen Gremium. "Man ist überrascht, wenn man solch einen Anruf bekommt", berichtet Rüdiger im Gespräch mit dieser Zeitung. Einerseits erfreut über die halbe Million, die in Zukunft nach Konstanz fließen würde – andererseits erstaunt über den Goldregen.
Eine Geschichte die nur das Leben schreiben kann
In den Wochen danach konnte das Geheimnis gelüftet werden. Es ist eine Geschichte, die nur das Leben schreiben kann, eine Geschichte, in der ein starker Charakter, eine Spürnase für Geld sowie einige liebenswerte Marotten eine Rolle spielen.
Helmut Karl Eberle hatte in Tübingen Medizin studiert und war dort zum Dr. med. promoviert worden. Wohl jeder andere hätte eine Praxis eröffnet oder in der Klinik angefangen. Eberle nicht, er wechselte in die Immobilienbranche. Im Bauboom der 60er und 70er Jahre war er vorne dabei und verdiente viel Geld. Das letzte Projekt, das er im Herbst 2014 in Angriff nahm: Ein großes Hotel in Lörrach, das "Stadt Lörrach". Der Komplex für 30 Millionen Euro sollte sein letztes Vorhaben werden, denn er erlebte die Fertigstellung nicht mehr. Eberle starb im November 2015 im Alter von 88 Jahren. "Dieser Tod kam für Freunde und Mitarbeiter völlig überraschend", heißt es in einem Zeitungsnachruf über den rührigen Investor.

Lörrach war nicht zufällig gewählt. Im Zentrum bewohnte der unverheiratete Eberle ein Penthouse. Dort hielt es ihn aber nicht das ganze Jahr. Er war viel unterwegs und wohnte in guten Hotels. Mehrere Monate im Jahr verbrachte er an verschiedenen schönen Orten und richtete sich in immer denselben hochklassigen Hotels ein. Im "Mont Cervin Palace" in Zermatt fühlte er sich wohl.
Oder im Inselhotel in Konstanz, wo er immer im Sommer Quartier bezog. Das direkt am See gelegene Haus der Steigenberger-Kette bot alles, wonach Karl Helmut Eberle der Sinn stand: Komfort, Unabhängigigkeit, Stadtnähe – und eine gewisse gediegene Anonymität. Er mietete zwei Suiten – die eine zum wohnen, die andere zum Arbeiten und für Geschäftsverkehr. Das Hotel war ihm Wohnung und Firmenzentrale in einem. Er mochte Hotels fast so sehr wie Udo Lindenberg, der sein ganzes Leben in einem Hotel wohnt.

Aus der fernen Nähe beobachtet Eberle, wie die Universität aufblühte. "Er sah der Universität zu, wie sie wuchs", berichtet Ulrich Rüdiger. Der Leistungsgedanke und die Umtriebigkeit hätten ihm imponiert. So berücksichtigte er die Uni in seinem Testament. Zu Lebzeiten hatte er nie Kontakt aufgenommen. Deshalb auch kam der Preis völlig unverhofft: wie ein Lottogewinn und passend zum Jubiläumsjahr 2016, in dem die Hochschule 50 Jahre alt wird.
Eberle war nach Auskunft von Menschen, die ihn kennen, ein kantiger Typ. Bei den seltenen öffentlichen Auftritten trug er stets eine gelbe Haube. "Er hatte so manche Marotte", berichten Menschen, die ihn gut kannten. Der kinderlose Kaufmann hat sein stattliches Vermögen in eine Stiftung überführt. Deren Vermögen schätzen Kenner auf einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag. Eine halbe Million Euro an Zinsen fließen daraus nach Konstanz.
In den besten Jahren
Vor einigen Tagen feierte die Universität Konstanz ihren 50. Geburtstag. Bei diesem Anlass wurden gute und feierliche Reden geschwungen. Die Überraschung der Feier lag woanders: Die Nachricht über die großzügige Stiftung von Helmut Karl Eberle, die der Rektor verkündete. Da die Exzellenzinitiative 2017 ausläuft, ist der unerwartetet Mittelzufluss willkommen.