Der Schweizer Tierschutz (STS) erhebt schwere Vorwürfe gegen die Universität Konstanz. Von einem "tierquälerischen Experiment" ist die Rede, von "fahrlässigem Handeln", das "Leid, Angst, Schmerz und den möglichen Tod des Tieres billigend in Kauf genommen habe. Anlass für diese massive Kritik ist der Fund einer Taube im thurgauischen Mammern. "Völlig erschöpft" und "orientierungslos" sei das Tier laut STS gefunden worden. Ein an ihrem Körper befestigter Sender verwies auf den Zusammenhang zu einer Studie der Konstanzer Hochschule.
Die erste Diagnose des STS: "Der Taube wurde ein Plastikhelm aufgesetzt und mit Schnüren fixiert. Der Helm war so angebracht, dass dem Tier komplett die Sicht genommen wurde und auch die oberen Atemwege zum Teil verdeckt waren. Dadurch musste die Taube blind fliegen und konnte zudem nicht ausreichend Sauerstoff aufnehmen." Die Schweizer Tierschützer sprechen von einem "verabscheuungswürdigen Freiluft-Experiment mit zweifelhaftem Erkenntnisgewinn". Die Schärfe des Textes nimmt man an der Universität verwundert zur Kenntnis: "Der STS hat seine Mitteilung herausgegeben, ohne sich vorab über die Fakten zu informieren oder mit uns Kontakt aufzunehmen", erklärt Uni-Sprecherin Julia Wandt. Zu den Vorwürfen heißt es in einer Stellungnahme der Hochschule: "Tatsache ist, dass die Taube sehen konnte. Durch den 'Plastikhelm' wird ihr nicht die Sicht genommen. Es handelt sich um eine Art Brille, die wie eine Sonnenbrille bestimmte Wellenlängen des sichtbaren Lichts herausfiltert. Damit soll untersucht werden, welche Rolle das Licht bei der Orientierung der Tauben hat. Beim Anbringen der Brille wird ganz besonders darauf geachtet, dass die Atemwege nicht verdeckt sind."
Ziel des Projektes laut Universität sei es, aus physikalischer Sicht zu erforschen, "wie Lebewesen dazu in der Lage sind das Erdmagnetfeld zur Navigation im freien Gelände zu benutzen". Die Hochschule verweist auch darauf, dass es sich bei dem Vorhaben um ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Projekt handele. Die Versuche seien legal und von einer Ethikkommission überprüft.
Für den Schweizer Tierschutz ändern die Erklärungen der Uni nichts an seiner Kritik: "Die Versuchsdurchführung ist so nicht tragbar. Hier wird ein fragwürdiges Experiment durchgeführt, bei dem das Tier schwer belastet wird und das nicht vereinbar ist mit Tierschutzaspekten", erklärt Julika Fitzi vom STS. An den gegen die Uni erhobenen Vorwürfen werde man festhalten, es gebe nichts zurückzunehmen, so Fitzi weiter. Die betroffene Taube befindet sich in der Obhut des Tierschutzvereins Kreuzlingen. Dort soll sie auf Wunsch des STS auch bleiben. Dem Drängen der Universität das Tier zurückzugeben, werde man nicht nachgeben, hieß es.
Die Medienmitteilung des Schweizer Tierschutz (STS) vom 9.9.2016:
Durch die Rettung einer völlig erschöpften, orientierungslosen Taube ist der Schweizer Tierschutz STS auf ein tierquälerisches Experiment der Universität Konstanz aufmerksam geworden. Das mit einem Plastikhelm am Kopf und einem Sender am Rücken versehene Tier wurde am vergangenen 2. September bei Mammern im Kanton Thurgau aufgefunden und von Tierschützern in Obhut genommen.
Beim ihrem Auffinden verharrte die Taube unbeweglich am Boden sitzend und wehrte sich gegen das Einfangen nicht. Dieses ungewöhnliche Verhalten verwundert nicht in Anbetracht der tierquälerischen Manipulationen, die dem Vogel zugefügt wurden, bevor er auf den Blindflug entsandt wurde: Der Taube wurde ein Plastikhelm aufgesetzt und mit Schnüren fixiert. Der Helm war so angebracht, dass dem Tier komplett die Sicht genommen wurde und auch die oberen Atemwege zum Teil verdeckt waren.
Dadurch musste die Taube blind fliegen und konnte zudem nicht ausreichend Sauerstoff aufnehmen. Auch wurde damit der für die Orientierung beim Fliegen wichtige Geruchssinn eingeschränkt. Ein ausserdem vor dem Freisetzen in die Nase appliziertes Lokalanästhetikum dürfte zum gänzlichen Verlust des Geruchssinns geführt haben. Am Rücken der Taube war mit doppelseitigem Klettband ein Sender angebracht. Die untere Seite des Klettbands wurde offenbar nach Entfernen der Rückenfedern direkt auf die Haut aufgeklebt. Das Klettband kann ohne grossflächigen, tiefen Gewebeschaden nicht mehr entfernt werden.
Aus Sicht des Schweizer Tierschutz STS liegen hier deutliche Hinweise auf fahrlässiges Handeln der Universität Konstanz vor. Leid, Angst, Schmerz und der mögliche Tod des Tieres wurden billigend in Kauf genommen - für einen höchstwahrscheinlich mehr als zweifelhaften «Erkenntnisgewinn». Das verabscheuungswürdige Freiflug-Experiment sollte die Theorie bestätigen, wonach sich Tauben allein anhand magnetischer Erdstrahlen orientieren können.
Seinen Protest hat der Schweizer Tierschutz STS in einem Schreiben an die zuständige Institutsleitung der Universität Konstanz zum Ausdruck gebracht. Die Taube wird in einer Wildvogelpflegestation betreut und gepflegt. Die Rückgabe des gequälten Tieres an die für den Versuch Verantwortlichen lehnt der STS ab.