Betreten nur mit Überzieher: Wer ins Herz der Lernräume der Gemeinschaftsschule wollte, musste seine Schuhe in blaue Plastikfolie hüllen. Denn Teile der Schule sind wie Wohnungen gestaltet, mit Teppichböden, die auch die Schüler nur mit Hausschuhen betreten dürfen. Das Boden-Schonprogramm zum Tag der offenen Tür hatte einen guten Grund: Schlag 11 Uhr, also gleich zu Beginn, drängten sich im Foyer der Gemeinschaftsschule hunderte Menschen. Sie tauchten in eine neue Schulwelt, in der es keine Lehrer und Schüler, sondern Lernbegleiter, Lerncoachs und Lerndende gibt, und in der Lernlandschaften, die alten Klassenräume ersetzen. In der neuen Gemeinschaftsschule ist jeder Jahrgangsstufe eine Art Wohnung zugeordnet. Zu ihr gehören das Lernfoyer mit Sofa und Sitzkissen sowie die Räume der vier Lerngruppen. Der Teppichboden dort schafft nicht nur ein heimeliges Gefühl, er soll auch hörbehinderten Schülern dienen. Denn er dämpft die Tritte der Nutzer. Die Gemeinschaftsschule lebt die Inklusion, sie ist selbstverständlich barrierefrei gebaut.

Die Schüler lernen bei offenen Türen, und mit der Möglichkeit, sich für individuelle Aufgaben an Lieblingsplätze zurück zu ziehen. Lernende können sich beispielsweise auf dem Boden, auf Sofas und Sitzkissen ausstrecken, sich auf die extrabreiten Fenstersimse aus Holz setzen oder auch an die klassischen Tische mit Stühlen. In der Gemeinschaftsschule unterscheiden sie nach X-Kindern und Y-Kindern – wertfrei, wie Lerncoach Björn Sellerbeck sagt. Die X-Schüler benötigten stärker den Lernbegleiter, die y-Schüler dagegen lernten gern selbstständig.
 

Beiden würden entsprechende Angebote gemacht. Eltern der Gemeinschaftsschule brauchen ein wenig Vertrauen. In der Regel bringt das Kind keine Hausaufgaben und Lernmaterialien mit nach Hause. Sie bleiben in der Schule, im persönlichen Rollcontainer. Die Eltern haben dadurch weniger Einblick, welchen Stoff das Kind gerade bearbeitet. "Ich bekomme deutlich weniger mit als bei anderen Lernformen", sagt Renate Krüßmann, die eines ihrer drei Kinder in der Gemeinschaftsschule hat.

Björn Sellerbeck ist der Lerncoach der 8a, also eine Art Klassenlehrer. Für ihn und seine Kollegen aus einem Jahrgang gibt es ein eigenes Arbeitszimmer, den Lehrerstützpunkt. Sellerbeck sagt, ihn reize es, Schüler mit unterschiedlichen Niveaus gemeinschaftlich zu unterrichten. Damit dies möglich sei, müssten auch die Lehrer umdenken. Keiner sei hier ein Alleinkämpfer, keiner erarbeite Material nur für sich, sondern immer für die gesamte Schule. Jeder Lehrende habe Zugriff darauf. Elektronische Tafeln in den Räumen der Lerngruppen, haben Funktionen wie ein Computer. Auf ihnen können sich die Lehrer und Schüler passwortgeschützt gegenseitig Materialien hinterlegen, auch beispielsweise Videobotschaften. Wie sich die Tafel für Experimente einsetzen lässt, demonstrierte Michael Rau, der Lernbegleiter in Physik. Er hatte vor einer Kamera zwei Gläser mit Wasser aufgebaut, in denen zwei gleich große Dosen mit Cola standen. Die eine Dose ragte weiter aus dem Nass als die andere. Ein Bild des Experiments projezierte er groß auf die elektronische Tafel und beschriftete es dann mit der Erklärung. Die eine Dose war schwerer, weil die Cola darin mehr Zucker enthielt als die andere.

Die Besucher staunten über diese neue Technik, aber noch mehr über die Architektur, die hellen Räume, und die großzügige Gestaltung der Lernlandschaft, die mehr Raum lässt als die klassischen Klassenzimmer. Manche Besucher kamen aus architektonischem Interesse, oder weil sie als Nachbarn die Schule mal von Innen sehen wollten, andere, weil sie Kinder in dem Alter haben, in dem die Frage ansteht, ob ein Wechsel an die Gemeinschaftsschule in Frage kommt. Sie ist die größte im Land Baden-Württemberg.

Das neue Haus

An der Pestalozzistraße hat die Stadt rund 30 Millionen Euro investiert, darunter 18,98 Millionen Euro in den Neubau der Gemeinschaftsschule, 1,8 Millionen in die Einrichtung, 6,95 Millionen Euro in die Sporthalle und 2,3 Millionen Euro in die Freiflächen. Die Halle dient dem Schul- und dem Vereinssport, die Außenflächen dienen auch den Anwohnern. (rin)

Rückmeldung an den Autor geben