Es riecht noch immer nach Krankenhaus. Nach Desinfektionsmittel, Kochwäsche, OP-Besteck. Vor vier Monaten sind die Ärzte und Patienten aus dem alten Vincentius-Krankenhausgebäude ausgezogen, die Räume sind leer, die Uhren stehen still.

Nur vereinzelt sind noch die Spuren des Klinikalltags zu entdecken. Ein Gehwagen, ein Hinweisschild "Röntgenraum", eine alte Liege, die Patientenschleuse Richtung OP-Säle.

Tausende Konstanzer wurden hier in diesem Gebäude geboren, haben hier gearbeitet oder waren hier Patient, bis das Krankenhaus im Frühjahr 2018 in das neue Funktionsgebäude am Klinikum Konstanz umzog. Seitdem steht das Gebäude gespenstisch leer. Baustellenstaub mischt sich langsam unter den Krankenhausgeruch. Und seit kurzem Ölfarbe. Denn im Vincentius-Gebäude entsteht derzeit die wohl ungewöhnlichste Galerie der Stadt: Das Kunstprojekt Visite haucht dem Vincentius neues Leben ein, bevor es Ende des Jahres abgerissen wird und anstelle dessen ein Wohnquartier entsteht.

Wer das Krankenhaus noch einmal von innen und mit einem neuen Blick sehen will, hat am Wochenende des 6. Juli die beste Gelegenheit dazu. Dann findet dort ein dreitägiges Kunstfestival statt. 113 Künstler aus Konstanz und der Region zwischen zehn und 74 Jahren sind ihrem Aufruf gefolgt und haben 40 Räume gestaltet. Am Werk sind Profis und Laien, Erwachsene und Kinder.
Mit dabei sind beispielsweise Schüler der Dettinger Grundschule und des Humboldt-Gymnasiums oder Studentinnen der Uni Konstanz. Jessica Schäfer (von links), Sarah Auer und Kim Kroll haben den Aufwachraum des Krankenhauses gestaltet. Auf den vielen Klebezetteln, die an der Wand später im Neon-Licht leuchten, können die Besucher selbst noch künstlerisch oder literarisch aktiv werden und ihr Feedback schreiben – oder malen.

Initiiert wurde das Kunstprojekt von den Konstanzern Friedrich Haupt und Bert Binning, die künstlerische Leitung liegt in den Händen von Tim und Magdalena Schaefer. Der Wal an der Außenfassade des Vincentiusgebäudes gefällt Friedrich Haupt und Magdalena Schaefer besonders.

Beide hatten schon in Singen bei einem ähnlichen Projekt mitgewirkt. "Wir dachten damals: Wenn sich eine solche Gelegenheit auch in Konstanz ergibt, müssen wir das auch hier machen", sagt Friedrich Haupt. Bevor die Künstler kamen, sprangen erst einmal noch die Hausmeister und Techniker des Vincentius ein, berichtet Friedrich Haupt. Das Gebäude musste sicher begehbar sein und die neuesten Brandschutzrichtlinien erfüllen, was einiges an Aufwand für das Organisationsteam bedeutete. An den Decken hängen nun mobile Brandmeldeanlagen, in den Ecken stehen neue Feuerlöscher.

Das Projekt habe von Anfang an eine gute Resonanz gefunden, berichtet Haupt. Nur durch die große Unterstützung des Kulturfonds der Stadt, der Fraktionen im Gemeinderat, des Vincentius-Krankenhauses und der LBBW-Immobilien, denen das Gebäude mittlerweile gehört, habe das Projekt letztendlich realisiert werden können. Haupt weiß um die Besonderheit dieses Gebäudes. "So viele Konstanzer verbinden etwas mit diesem Gebäude. Jetzt haben sie die Chance, es noch einmal zu in neuem Gewand zu sehen." Wie zum Beispiel dieses Patientenzimmer.

Viele Schüler aus Konstanz und vom Bodanrück beteiligen sich an der Aktion. Sie gestalten entweder selbst einen Raum oder durften sich schon mal vorab in dem alten Gebäude umschauen, wie diese sechste Klasse der Geschwister-Scholl-Schule mit der Klassenlehrerin Susanne Pforr. Besonders gut gefällt der Klasse diese Installation.

"Ein bisschen gruselig ist es ja schon in dem Gebäude", sagt Pforr. "Aber mit den Kunstwerken wird es wieder schön".
In einem Nebenzimmer, dem Aufwachraum, ist derzeit Stella Mangold, Schülerin am Marianum in Hegne am Werk. Sie hat sich intensiv mit dem Thema Organspende auseinandergesetzt und arbeitet gerade an diesem Kunstwerk.

Auch von außen sieht man, dass im Inneren Künstler am Werk sind.

Das Ende der Kunst-Ausstellung ist gleichzeitig der Startschuss für den Beginn der Rückbaumaßnahmen. Eine Tochtergesellschaft der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) baut auf dem Gelände 126 Wohnungen mit ein bis fünf Zimmern. Bei der Vernissage am Freitag, 6. Juli ist nach Angaben von Brigitte Reibenspies, Pressesprecherin der LBBW Immobilien GmbH, auch eine Agentur vor Ort in der ehemaligen Caféteria des Krankenhauses, um das Wohnbauprojekt mit einem Modell vorzustellen. Ab Herbst 2018 sollen die Wohnungen dann vermarktet werden. Interessenten könnten sich schon vorab unter www.laubenhof-konstanz.de vormerken lassen.
Abbruch und Abstransport des aus den 70er Jahren stammenden Krankenhauses sollen im November abgeschlossen sein, so Brigitte Reibenspies. Der Baumbestand auf dem Grundstück werde erhalten und in die neue Landschaftsplanung integriert. Sperrungen auf der Laube soll es nicht geben. Laufe alles nach Plan, könne Ende dieses Jahres mit dem Aushub der Baugrube begonnen werden.
Visite, Kunstfestival im alten Vincentius-Krankenhaus: Freitag, 6. Juli (Vernissage ab 16 Uhr, offene Ateliers bis 22 Uhr); Samstag, 7. Juli (offene Ateliers 10 bis 22 Uhr, Fest im Innenhof); Sonntag, 8. Juli (offene Ateliers 12 bis 18 Uhr)